WIR. Heimat - Land - Jugendkultur. Группа авторов

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WIR. Heimat - Land - Jugendkultur - Группа авторов

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oder gar „mehr-heimig“ zu sein, betreffen insbesondere junge Menschen, die nicht nur von den Effekten der „zweiten Moderne“ stärker betroffen, sondern zusätzlich unter Bedingungen der umfassenden Mediatisierung und Glokalisierung aufgewachsen sind: So wird durch Internet und (digitale) Medien für die Einzelnen nicht nur ein enormes Spektrum soziokultureller Möglichkeiten, Handlungs- und Identifikationsangebote immer transparenter und potenziell verfügbarer, sondern darüber hinaus werden diese Angebote stärker für kulturelle Prozesse der selektiven Aneignung und Neukontextualisierung zugänglich. Das Verfügbarkeitsangebot bewirkt, dass der Reiz steigt, etwas und „sich“ jenseits der Heimat auszuprobieren. Das Kursieren kultureller Angebote bewirkt kulturelle Transformationsprozesse, bei denen das vormals geografisch und kulturell Entfernte oder „Fremde“ immer schneller in die „eigene“ Kultur integriert werden kann (und muss!). Dadurch wird „Heimat“ als Sinnhorizont des Kontinuierlichen und Vertrauten zunehmend fluider und permanent revisionsbedürftig.

      Aktuelle Veränderungen, die „die Jugend“ in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat, treten in den Städten zwar stärker sichtbar zutage, prägen längst aber auch die Lebenswirklichkeiten auf dem Lande. So klagen Freiwillige Feuerwehren, Karnevals- und Schützenvereine, aber auch kirchliche und andere Jugendgruppen und -verbände vielerorts über Nachwuchsmangel. Selbst Jugendliche, die gerne in Landgemeinden leben, schließen sich nicht mehr automatisch den Jugendgruppen und Vereinen ihrer Eltern und Großeltern an, sondern sie prüfen kritisch: Was bringt MIR das, wenn ich mich dort engagiere? Selbstverständlich prägen die (großstädtischen) Jugendkulturen – und eben die via World Wide Web verbreiteten Informationen – auch Jugendliche auf dem Land. Was für (eher) großstädtische Jugendkulturen schon immer galt, überträgt sich nun also auf die Vereine und Organisationen in den Landgemeinden. Die Jugendlichen dort fordern dies explizit eher selten – sie stimmen „mit den Füßen“ ab und bleiben den Angeboten, die nicht zu ihnen passen, einfach fern. Landgemeinden und dort beheimatete Organisationen werden sich gegenüber den Bedürfnissen der jugendkulturell geprägten Jugendlichen öffnen müssen, wollen sie nicht zur jugendfreien Zone werden. Das bedeutet neue Herausforderungen auch für die Jugendarbeit auf dem Land – nicht zuletzt, damit aus dem „Ich bin dann mal weg“ vieler Jugendlicher vielleicht ein „Ich bleib erst mal hier“ oder „Ich komme gerne zurück“ wird. – Dies ist eine Erkenntnis aus der Online-Befragung im Kontext des WIR-Projektes, die Benjamin Ollendorf, Susanne Borkowski und Günter Mey in diesem Band vorstellen.

      Das Verhältnis von Jugendlichen zur „Heimat“ ist durch gesellschaftliche, mediale und globale Entwicklungen beeinflusst, die Menschen geografische und geistige Mobilität abverlangen. Der Einfluss dieser Rahmenfaktoren auf die Vorstellungen von Heimat ist sicher hoch. Dennoch gehen wir nicht davon aus, dass diese Faktoren zu einer Homogenisierung von Heimatvorstellungen führen. Vielmehr unterhalten Menschen konstant „intime“ Beziehungen zu Landstrichen, Dörfern, Stadtvierteln, Städten etc., weil diesen etwas Besonderes oder Einzigartiges zugeschrieben wird. Anzunehmen ist, dass Menschen in Franken beispielsweise Heimatkonzepte haben, die mit lokalspezifischen Narrativen über die Region oder besondere Orte korrespondieren, die sich von Narrativen und Orten in der ostdeutschen Altmark unterscheiden.

      „Heimat“ stellt also keine individuelle Zuschreibung dar, sondern ist vielmehr eine Konstruktion, die konkret mit einem Raum oder einer Region verknüpft wird und in die Strukturen hineinwirken, die (lokal) überindividuell geteilt werden und es möglicherweise rechtfertigen, von einem Heimatkonzept der Jugendlichen in Franken oder dem Ruhrgebiet zu sprechen. Wie diese Vorstellungen im Einzelnen zu beschreiben sind, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sie aufweisen – all dies galt es herauszufinden.

      Methodische Projektumsetzung

      Um Einblicke in die Lebenssituationen von Jugendlichen im ländlichen Raum und in kleinstädtischen Milieus zu erhalten, wurde das Projekt in fünf hinsichtlich Bevölkerungsdichte, sozioökonomischer Lage und Anbindung an großstädtische Infrastrukturen sehr unterschiedlichen Regionen durchgeführt: im nordrhein-westfälischen Brühl, in den Landkreisen Fürth in Bayern, Nordsachsen und dem Saarpfalzkreis sowie in der Altmark in Sachsen-Anhalt. Dort hat die .lkj Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung) Sachsen-Anhalt als Projektträgerin von „WIR. Heimat – Land – Jugendkultur“ im Bundesland Sachsen-Anhalt durch die verschiedensten Beteiligungsformate und Methoden der kulturellen Bildung die Perspektiven sowohl der Jugendlichen als auch von Multiplikator*innen erhoben. Eine abschließende Tagesveranstaltung, der „Herbst-Salon: Heimat.Land.Jugendkultur“ im ehemaligen Leerstand der „Kleinen Markthalle“ Stendal, brachte die Akteur*innen aus Theorie und Praxis für Austausch und Ausblicke zusammen. Das parallel zu diesem Abschlussbericht erscheinende Buch Auf dem Lande alles dicht? Ein interdisziplinäres Lesebuch über die kreative Füllung von Leerstand der .lkj) Sachsen-Anhalt dokumentiert beispielhaft zahlreiche Versuche und Projekte zur Wiederaneignung und kreativen Umwidmung von Kultur- und Lebensräumen in sechs Bundesländern mit dem Fokus auf Sachsen-Anhalt.

      In Stendal fand auch ein erster Austausch über die Ergebnisse des Gesamtprojekts im Rahmen einer Tagung an der Hochschule Magdeburg-Stendal statt; teilgenommen haben neben dem gesamten Projektteam von Kinderstärken e. V. und .lkj) Sachsen-Anhalt als Expert*innen Sarah Beierle vom Deutschen Jugendinstitut Halle, Bernhard Heinzlmaier vom Institut für Jugendkulturforschung Wien, Patrick Küpper vom Thünen-Institut Braunschweig und Detlev Lindau-Bank von der Universität Vechta.

      Um aussagekräftige Daten zu generieren, wurden sowohl im Projekt qualitative und quantitative Forschungsmethoden verknüpft als auch in Barcamps und Workshops subjektive Motivlagen, Begründungszusammenhänge und Widersprüche ermittelt.

      Der vorliegende Band gibt Einblicke in dieses umfassende Projektvorhaben. Neben dem bereits erwähnten Bericht über die Online-Befragung finden sich im ersten Teil des Bandes Darstellungen anderer Untersuchungen, um die Befundlage zu Jugendlichen in ländlichen Regionen Deutschlands zu konkretisieren, daran anschließend einige essayistische Beiträge zu Jugendkultur. Der zweite Teil des Bandes widmet sich dem Thema Heimat in Essays und journalistischen Reportagen aus verschiedensten Regionen.

      Ergänzend zu diesem Hauptband dokumentieren zwei weitere Werke die Ergebnisse des Respekt!-Projekts:

      Der Band FREI – LAND – HALTUNG. Jugend auf dem Land, hrsg. von Kurt Möller, dokumentiert Interviews, die Studierende der Hochschule für Sozialwesen Esslingen zum Fokus unseres Projekts mit Jugendlichen in Baden-Württemberg geführt haben.

      Der Band Heimat? schließlich enthält 25 literarische und essayistische Positionen von Schriftsteller*innen zu diesem Thema.

      Literatur

      Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1986.

      Hitzler, Ronald/Niederbacher, Arne: Leben in Szenen. Formen juveniler Vergemeinschaftung heute. VS, Wiesbaden 2010.

      Danksagung

      Möglich wurden diese Bände nur dank mehrerer 2018 und 2019 stattfindender Projekte verschiedenster Träger und einer großen Zahl von Mitwirkenden, so etwa insgesamt 1.200 Jugendliche und erwachsene Multiplikator*innen, die an der wissenschaftlichen Studie und rund zwei Dutzend Kreativworkshops und anderen Events aktiv teilnahmen.

      Stellvertretend seien hier genannt:

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      Besonders gedankt sei den Förderern:

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