Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада

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Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада

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auch elf sein – die Vormittagsgeräusche blieben sich nach acht ziemlich gleich. Es war möglich, daß die Wirtin, Frau Thumann, gleich mit dem Morgenkaffee hereinkam. Nach Wolfgangs Wünschen hätte sie aufstehen und sich anständig bekleiden, auch ihn zudecken müssen. Nun gut, sie würde es gleich tun. Wolfgang hatte so überraschende Anfälle von Anstand …

      Es ist doch gleich, sagte sie etwa zu ihm. Die Thumann ist es so und noch ganz anders gewöhnt. Wenn sie nur ihr Geld bekommt, stört sie gar nichts …

      Stören –? hatte Wolfgang zärtlich gelacht. Stören, wenn sie dich so sieht –?!!

      Er hatte sie angesehen. Immer wurde ihr unter solchen Blicken von ihm schwach und zärtlich. Sie hätte ihn an sich ziehen mögen, aber da sagte er schon ernster: Es ist doch unsertwegen, Peter, unsertwegen! Wenn wir jetzt auch drinsitzen im Dreck; richtig im Dreck sind wir erst, wenn wir nicht mehr auf uns aufpassen …

      Ein Kleid macht doch nicht anständig, kein Kleid nicht unanständig, fing sie an.

      Und wenn es nur ein Kleid ist! Darauf kommt es nicht an! hatte er fast heftig gesagt. Wenn es nur irgend etwas ist, was uns erinnert. Wir sind kein Dreck, ich nicht und du auch nicht. Und habe ich es erst einmal geschafft, wird uns alles viel leichter sein, wenn wir uns hier nicht wohlgefühlt haben, in diesem Dreckloch. Wir dürfen bloß nicht mitmachen mit denen hier!

      Er murmelte nur noch, seine Worte verloren sich im Unverständlichen. Er dachte wieder daran, wie er es ›schaffen‹ würde, er war weg von ihr. (Er war viel weg von ihr, seinem Peter.)

      Wenn du es geschafft hast, werde ich nicht mehr bei dir sein, hatte sie einmal gesagt.

      Ein Weilchen war Stille gewesen, dann hatte ihn doch in seinem Grübeln erreicht, was sie gesagt hatte.

      Du wirst bei mir sein, Peter! hatte er heftig geantwortet. Immer und immer. Glaubst du denn, ich vergesse das, wie du Nacht für Nacht auf mich wartest?! Ich vergesse das, wie du hier sitzt – in dem Loch – ohne alles?! Ich vergesse, daß du mich nie fragst und nie drängst, wie ich auch komme?! O Peter!! hatte er gerufen, und seine Augen leuchteten mit jenem Glanz, den sie nicht mochte, denn es war ein Glanz, den nicht sie entzündet. Letzte Nacht war es fast soweit! Es war ein Augenblick, wie ein Berg lag das Geld vor mir … Ich fühlte, es war beinahe soweit, nur noch ein-, zweimal … Nein, ich mache dir nichts vor. Ich habe an nichts Bestimmtes gedacht, an kein Haus, keinen Garten, kein Auto, nicht an dich … Es war wie eine plötzliche Helle vor mir, nein, eine strahlende Helle in mir, das Leben war so weit und klar, wie der Himmel, wenn die Sonne aufgeht, es war alles rein …

      Dann … er senkte die Stirne … sprach mich eine Nutte an, und von da an ging alles verquer …

      Er hatte mit gesenkter Stirn am Fenster gestanden. Sie fühlte, als sie seine zuckende Hand zwischen die ihren nahm, wie jung er war, wie jung seine Begeisterung, wie jung seine Verzweiflung, wie jung und ohne alle Verpflichtung, was er ihr sagte …

      Du wirst es schaffen! sagte sie leise. Aber wenn du es geschafft haben wirst, werde ich nicht mehr bei dir sein.

      Er zog seine Hand zwischen den ihren hervor.

      Du wirst bei mir bleiben, sagte er kalt. Ich vergesse nichts.

      Sie wußte, er hatte eben an seine Mutter gedacht, die ihr einmal ins Gesicht geschlagen. Sie wollte nicht darum bei ihm bleiben, weil seine Mutter sie einmal geschlagen hatte.

      Und nun, von heute an, würde sie doch bei ihm bleiben, für immer. Noch hatte er es zwar nicht geschafft, und sie wußte längst, auf dem bisherigen Wege würde nie etwas draus werden. Aber was tat das? Weiter dieses schmierige Zimmer, weiter nicht wissen, wovon morgen leben, sich kleiden, weiter alles unklar – aber an ihn gebunden von heute mittag ein Uhr an!

      Sie griff auf den Stuhl neben ihrem Bett, faßte die Strümpfe und fing an, sie überzustreifen. –

      Plötzlich überfiel sie eine schreckliche Angst, es könne nichts daraus werden, es sei gestern alles fehlgegangen, völlig fehl, bis auf den letzten Tausendmarkschein. Sie wagte nicht aufzustehen, um sich zu überzeugen, sie sah mit brennenden Augen auf Wolfgangs Kleider, die über dem Stuhl neben der Tür hingen. Sie versuchte, die Dicke der rechten Jackettasche, in der er sein Geld aufbewahrte, richtig abzuschätzen.

      ›Gebühren müssen bezahlt werden‹, dachte sie angstvoll. ›Wenn die Gebühren nicht bezahlt werden können, wird nichts daraus.‹

      Es war ein vergebliches Bemühen. Manchmal hatte er auch sein Taschentuch in dieser Tasche. Was konnte es jetzt wieder für neue Scheine geben –? Fünfhunderttausendmarkscheine –? Millionenscheine? Was wußte sie –? Was würde eine Trauung kosten – eine Million? Zwei Millionen? Fünf Millionen – was wußte sie –?! Selbst wenn sie den Mut gehabt hätte, in die Tasche zu fassen, nachzuzählen, sie wußte immer noch nichts! Sie wußte nie etwas.

      Die Tasche war nicht dick genug.

      Langsam, daß die Bettfedern nicht knarrten, langsam, behutsam, angstvoll drehte sie sich nach ihm um.

      Guten Morgen, Peter, sagte er mit fröhlicher Stimme. Sein Arm zog sie gegen seine Brust. Sie legte ihren Mund auf seinen Mund. Sie wollte es nicht hören, jetzt wollte sie es nicht hören, was er sagte:

      Ich bin vollkommen blank, Peter. Wir haben keine Mark mehr! Und die Flamme stieg und stieg, lautlos. Ihre reine, weißbläuliche Hitze brannte die verbrauchte Luft des Zimmers rein. Immer noch hoben barmherzige Arme die Liebenden von jedem Liebeslager aus Dunst und Unruhe, aus Kampf, Hunger und Verzweiflung, aus Sünde und Schamlosigkeit hoch in den reinen, kühlen Himmel der Erfüllung.

      Zweites Kapitel

       Berlin macht sich schwach

      1

      Viele Straßen um den Schlesischen Bahnhof sind schlimm; damals, 1923, kam zu der Trostlosigkeit, den üblen Gerüchen, dem Elend der öden, dürren Steinwüste eine wilde, verzweifelte Schamlosigkeit, Feilheit aus Elend oder Gleichgültigkeit. Geilheit aus der Gier, sich einmal selbst zu fühlen, selbst etwas zu sein in einer Welt, die in sausender, irrer Fahrt jeden mitriß, unbekannten Dunkelheiten zu.

      Der Rittmeister von Prackwitz, viel zu elegant in einen hellgrauen Anzug gekleidet, den ihm ein Londoner Schneider nach gesandten Maßen gefertigt, viel zu auffallend aussehend mit seiner schlanken Figur, dem schlohweißen Haupthaar über dem braun verbrannten Gesicht, mit den dunklen, buschigen Brauen und den dunkel glühenden Augen – der Rittmeister von Prackwitz geht achtsam, sehr grade aufgerichtet, den Bürgersteig entlang, besorgt, niemanden zu streifen. Er sieht gradeaus vor sich hin, auf einen imaginären Fleck, der in Augenhöhe fern von ihm die Straße hinunter liegt, um niemanden und nichts sehen zu müssen. Er möchte auch gerne mit seinen Ohren weghorchen können, etwa in das schwere Rauschen seiner immer noch kaum angemähten, erntereifen Neuloher Kornfelder hinein, er bemüht sich, wegzuhorchen von dem, was ihm Hohn und Neid und Gier nachrufen.

      Plötzlich ist es ihm wie in den unseligen Novembertagen des Jahres 1918, als er mit zwanzig Kameraden – dem Rest seiner Schwadron – auch eine Berliner Straße langmarschierte, in der Reichstagsnähe – und plötzlich prasselte aus Fenstern, von Dächern, aus dunklen Torgängen eine wüste Schießerei auf den kleinen Zug herab, ein regelloses, wildes, feiges Geknalle. Auch damals waren sie so weitermarschiert, das Kinn vorgestoßen, den Mund fest geschlossen, mit den Augen einen imaginären Punkt am Ende der Straße fixierend, den sie wohl nie erreichen

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