Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада
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Sie weiß nicht, wie es geschehen ist, was über sie gekommen ist, sie hat sich aufgesetzt im Bett und mit stockender Stimme leise gefragt: Würdest du – würden Sie – ach, darf ich nicht mitkommen?
Er hatte erst nicht verstanden, ganz verblüfft hatte er sich umgedreht. Wie bitte –?!
Dann hatte er gemeint, daß sie sich, neu in solcher Lage, vielleicht schämte, an Pensionsmutter und Portier vorbeizugehen. Er hatte sich bereit erklärt zu warten, wenn sie schnell machte. Aber während sie sich hastig anzog, hatte es sich herausgestellt, daß es sich nicht um etwas so Einfaches, wie unbelästigt auf die Straße zu kommen, handelte. Das sei sie gewöhnt. (Sie war von der ersten Minute an völlig ehrlich zu ihm.) Nein, sie wollte ganz mit ihm mitkommen, überhaupt. Ob es denn nicht ginge? Oh, bitte, bitte! Wer weiß, was er sich dachte. Plötzlich hatte er keine Eile mehr. Er stand in dem grauen Zimmer – es war grade die schreckliche Morgenstunde kurz vor fünf, die die Herren immer zum Weggehen wählen, weil sie dann die erste Elektrische in ihre Wohnung bekommen. Sie können sich dann noch vor dem Büro frisch machen, und viele tun auch so, als hätten sie in ihren Betten gelegen, drehen sich schnell noch einmal darin um.
Er tippte mit den Fingern nachdenklich auf einen Tisch. Mit seinen hellen, grünlichen Augen sah er sie überlegend unter der gesenkten Stirn hervor an. Sie erwarte doch wohl nicht, daß er Geld habe?
Nein. Sie habe nicht darüber nachgedacht. Es sei ihr auch gleich.
Er sei Fahnenjunker a. D., also ohne alle Bezüge. Ohne Stellung. Ohne festes Einkommen. Ja, eigentlich ohne Einkommen.
Ja, es sei recht, nicht darum habe sie gefragt.
Er erkundigte sich nicht, warum sie gefragt habe. Er fragte überhaupt nichts weiter. Später erst fiel ihr ein, daß er sehr viele Fragen hätte stellen können, sehr unangenehme. Etwa, ob sie mehr Männer schon so gebeten habe, ob sie ein Kind erwarte – tausend ekelhafte Dinge. Aber er stand nur da und sah sie an. Schon da war sie überzeugt, daß er Ja sagen würde. Müßte. Es war etwas zu Geheimnisvolles, daß sie ihn hatte fragen müssen. Sie hatte nie vorher daran gedacht. Sie war auch – damals – nicht die Spur verliebt in ihn. Es war eine ganz gewöhnliche Nacht gewesen.
Finden Sie, daß Konstanze sich richtig verhält? hatte er den Titel eines damals viel gespielten Stückes zitiert. Zum erstenmal sah sie sein Zwinkern mit dem einen Auge, wenn er scherzte, und die Fältchen im Augenwinkel.
Doch! sagte sie.
Na schön, sagte er gedehnt, wo einer nicht satt wird, können zwei kaum verhungern. Also los! Bist du fertig?
Es war ein seltsames Gefühl gewesen, neben ihm die Treppe hinabzusteigen, in einem ekligen Mietshaus, neben einem Mann, zu dem man nun gehörte. Einmal, als sie über einen schlecht gelegten Läufer stolperte, hatte er Hoppla! gesagt, aber ganz gedankenlos, wahrscheinlich war er sich ihrer Nähe gar nicht recht bewußt.
Plötzlich blieb er dann stehen. Sie erinnerte sich genau. Sie waren unten angelangt, es war in der falschen Marmorpracht und dem gipsernen Stuck des Eingangs. Übrigens heiße ich Wolfgang Pagel, sagte er mit einer leise angedeuteten Verbeugung.
Sehr angenehm, antwortete sie, ganz wie es sich gehörte. Petra Ledig.
Ob es angenehm ist, wird sich weisen, hatte er gelacht. Komm, Kleines. Ich werde dich Peter nennen. Petra ist mir einesteils zu biblisch, anderenteils zu steinig. Aber Ledig ist gut und kann so bleiben.
3
Als Wolfgang Pagel so zu ihr geredet hatte, war Petra noch viel zu erfüllt von dem Geschehenen gewesen, um groß auf seine Worte zu achten. Später lernte sie von ihm, daß der Name Petra so viel wie Fels bedeute und daß ihn zuerst jener Jünger Petrus getragen hatte, auf dem Christus wie auf einem Felsen seine Kirche bauen wollte.
Sie lernte überhaupt in dem einen Jahr gemeinsamen Zusammenlebens viel von Wolfgang. Nicht daß er etwas Lehrhaftes gehabt hätte. Aber es war unvermeidlich, daß er in den langen Stunden ihres Beisammenseins – denn er war ja ohne rechte Beschäftigung – viel mit ihr sprach, bloß weil sie nicht immer schweigend in ihrer Höhle beieinander hocken konnten. Und als Petra erst Zutrauen gewonnen hatte, fragte sie ihn oft etwas, bloß, um ihn vom Grübeln abzuhalten, oder weil es ihr Spaß machte, ihn reden zu hören. So etwa: Wolf, wie wird eigentlich Käse gemacht? Oder: Wolf, ist es wirklich wahr, daß ein Mann im Monde wohnt?
Er lachte sie nie aus, auch wies er ihre Fragen nie zurück. Er antwortete ihr langsam, überlegend, ernst – denn auch mit seiner Wissenschaft aus der Kadettenanstalt sah es nicht berühmt aus. Und wußte er nicht Bescheid, so nahm er sie mit und ging mit ihr in eine der großen Bibliotheken und schlug und las nach. Sie saß dann ganz stille da, irgendein Büchlein vor sich, in dem sie doch nicht las, und sah feierlich-beklommen in den großen Raum, in dem die Leute so still saßen und sachte die Blätter umwandten, so still, als rührten sie sich im Schlaf. Es kam ihr immer wie ein Märchen vor, daß sie, eine kleine Verkäuferin, ein uneheliches Kind, das grade am Versacken gewesen war, nun in solche Häuser gehen durfte, in denen die gebildeten Menschen saßen, die sicher nie etwas erfahren hatten von all dem Schmutz, den sie so genau hatte kennenlernen müssen. Allein hätte sie sich nie hierher gewagt, obwohl ihr die – stumm geduldeten – Elendsgestalten an den Wänden bewiesen, daß hier nicht nur Weisheit gesucht wurde, sondern auch Wärme, Licht, Sauberkeit und eben das, was auch ihr aus den Büchern aufstieg: feierliche Ruhe.
Wußte dann Wolfgang genug, so gingen sie wieder hinaus, und er erzählte ihr, was er erkundet. Sie hörte ihm zu und vergaß es wieder oder behielt es auch, aber nicht das Richtige – doch darauf kam es auch gar nicht an. Worauf es ankam, das war, daß er sie so ernst nahm, daß sie für ihn noch etwas anderes war als ein Leib, den er gern mochte und der ihm guttat.
Manchmal, wenn sie irgend etwas ganz gedankenlos hingesagt hatte, konnte sie, von sich selbst überwältigt, ausrufen: Ach, Wolf, ich bin so schrecklich dumm! Ich lerne und ich lerne auch gar nichts! Ich werde ewig dumm bleiben!
Aber auch dann wieder lachte er nicht über solchen Ausruf, sondern ging freundlich ernst darauf ein und meinte, im Grunde sei es natürlich ganz egal, ob man wisse, wie Käse gemacht werde. Denn so gut wie der Käsemacher werde man es doch nie wissen. Dummheit sei, wie er glaube, etwas ganz anderes. Wenn man sich nämlich sein Leben nicht einzurichten wisse, wenn man nichts aus seinen Fehlern lerne, wenn man sich immer wieder unnötig über jeden Dreck ärgere und wisse doch ganz genau, in zwei Wochen sei er schon vergessen, wenn man mit seinen Mitmenschen nicht umgehen könne – ja, all dies, das scheine ihm rechte Dummheit. Ein wahres Musterbeispiel sei da seine Mutter, die, so viel sie auch gelesen und erfahren habe und so klug sie auch sei, ihn nun glücklich mit lauter Liebe und Besserwissen und Gängelei aus dem Haus getrieben habe, und er sei doch wirklich ein geduldiger, umgänglicher Mensch. (Sagte er.) Sie, Petra, dumm –? Nun, sie hätten sich noch nicht einmal gestritten, und wenn sie auch oft kein Geld gehabt hätten, schlechte Tage hätten sie darum doch nicht gehabt und grimmige Zornesmienen auch nicht. Dumm –?! Was Peter denn meine –?
Natürlich genau das, was Wolf auch meinte! Schlechte Tage? Grimmige Mienen? Sie hatten die allerherrlichste Zeit von der Welt miteinander gehabt, die schönste Zeit ihres ganzen