Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада

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Wolf unter Wölfen - Ханс Фаллада

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mit dem Stuhl, flötet gedankenlos sein ganzes Repertoire an Soldatenliedern und wartet auf den Thumannschen Emaille-Kaffeepott.

      Seine Mutter unterdessen, in der wohl eingerichteten Wohnung an der Tannenstraße, sitzt vor einem schönen, dunklen Renaissancetisch. Auf einer gelblichen Klöppelspitzendecke steht ein silbernes Kaffeegeschirr, frische Butter, Honig, echt englische Jams – es ist alles da. Nur vor dem zweiten Gedeck sitzt noch niemand. Frau Pagel sieht auf den Platz, die Uhr. Dann greift sie zur Serviette, zieht sie aus dem Silberring und sagt: Minna, ich fange an. Minna, das ältliche, gelbliche, verstaubte Wesen an der Tür, seit über zwanzig Jahren bei Frau Pagel, nickt mit dem Kopf, sieht auch auf die Uhr und sagt: Gewiß doch. Wer nicht kommt zur rechten Zeit …

      Er weiß, wann unsere Frühstückszeit ist …

      Gewiß doch – das kann der junge Herr ja gar nicht vergessen!

      Die alte Dame, mit dem energischen Gesicht, dem klaren blauen Auge, der das Alter nichts von ihrer straffen Haltung, nichts von ihren festen Grundsätzen hat nehmen können, sagt nach einer Pause: Ich dachte eigentlich, ich würde ihn heute zum Frühstück sehen.

      Minna hat seit jenem Streit, an dessen Ende die am wenigsten beteiligte Petra eine Ohrfeige bekam, tagtäglich das Gedeck für den einzigen Sohn auflegen müssen, tagtäglich hat sie es unbenutzt wieder forträumen müssen und tagtäglich hat die Gnädige diese Erwartung ausgesprochen. Aber Minna hat auch gesehen, daß die tägliche Enttäuschung der alten Dame nichts von der Sicherheit genommen hat, mit der sie den Sohn immer neu erwartet (ohne ihm einen Schritt entgegen zu tun). Minna weiß längst, alles Reden hilft nichts, also schweigt Minna.

      Frau Pagel schlägt ihr Ei an. Nun, er kann noch im Laufe des Tages kommen, Minna. Was haben wir heute zum Essen?

      Minna berichtet, und die gnädige Frau ist zufrieden: alles Dinge, die er mag.

      Jedenfalls wird er nun sehr bald kommen. Einmal muß er mit dieser verdammten Spielerei scheitern. Ein Ende mit Schrecken … Nun, von mir soll er kein Wort des Vorwurfs hören …

      Minna weiß es besser, aber das muß sie ja nicht sagen, also schweigt sie. Doch Frau Pagel ist auch nicht ohne Verstand und nicht ohne Witterung. Sie dreht den Kopf scharf zu der alten Getreuen unter der Tür und fragt: Sie hatten ja gestern Ihren freien Nachmittag, Minna. Sie waren wohl wieder – da –?

      Wohin soll ein alter Mensch gehen? versetzt Minna mürrisch. Er ist doch auch wie mein Junge!

      Die gnädige Frau schlägt ärgerlich mit dem Löffel gegen die Tasse. Er ist ein ganz dummer Junge, Minna! sagt sie scharf.

      Jugend hat keine Tugend, antwortet Minna völlig ungerührt. Wenn ich bedenke, gnädige Frau, was ich für Dummheiten in meiner Jugend gemacht habe –!

      Was haben Sie denn für Dummheiten gemacht, Minna?! ruft die Gnädige empört. Gar keine haben Sie gemacht! Nein, wenn Sie von Dummheiten reden, dann meinen Sie natürlich bloß mich – und das verbitte ich mir, Minna!

      Minna schweigt darauf. Aber ist man mit sich unzufrieden, kann auch das Schweigen des andern Öl ins Feuer sein – grade das Schweigen.

      Natürlich hätte ich ihr keine Ohrfeige geben sollen, fährt Frau Pagel noch hitziger fort. Sie ist nur ein kleines, dummes Mädchen, und sie liebt ihn. Ich will nicht sagen, wie ein Hund seinen Herrn liebt, trotzdem sie genau das tut, jawohl, Minna, schütteln Sie nicht mit dem Kopf, genau das … (Frau Pagel hat sich nicht nach Minna umgedreht, aber Minna hat wirklich mit dem Kopf geschüttelt.) … sie liebt ihn, wie Frauen einen Mann eben nicht lieben sollten!

      Frau Pagel starrt wütend ihr Brot mit Jam an. Aus einer naheliegenden Erwägung heraus steckt sie den Löffel in die Jamdose und macht den Aufstrich fingerdick. Sich opfern! sagt sie empört. Das glaub ich! Das möchten alle! Weil’s bequem ist, weil’s dann keinen Ärger gibt! Aber Unangenehmes sagen: Wolfgang, mein Sohn, mit der Spielerei ist es aus, keinen Pfennig kriegst du mehr von mir, ihm so was zu sagen, das wäre rechte Liebe … Aber, gnädige Frau, sagt Minna recht nölig, die Kleine hat ja gar kein Geld, das sie ihm geben kann, und ihr Sohn ist er doch auch nicht …

      Da!! ruft Frau Pagel zornentbrannt. Da!! Machen Sie, daß Sie rauskommen, Sie undankbare Person, Sie! Mein ganzes Frühstück haben Sie mir verdorben mit Ihrem ewigen Besserwissen und Widersprechen! – Minna! Wo laufen Sie denn hin? Decken Sie auf der Stelle ab! Denken Sie, ich kann noch essen, wenn Sie mich so ärgern?! Sie wissen doch, wie empfindlich ich mit meiner Galle bin! – Ja, den Kaffee auch weg. Ich werde jetzt noch Kaffee trinken – ich bin schon aufgeregt genug! Für Sie mag dies Mädchen meinethalben auch sein wie eine Tochter; ich bin altmodisch, ich glaube nicht daran, daß man seelisch sauber sein kann, wenn man vor der Ehe …

      Sie haben grad gesagt, meint Minna ganz ungerührt von dem Ausbruch, denn solche Ausbrüche sind tägliche Kost für sie, und die Gnädige ist ebenso schnell friedlich, wie sie wütend wird … Sie haben grade gesagt, wenn man jemanden gerne hat, sagt man ihm auch mal was Unangenehmes. Da durfte ich Ihnen auch sagen, daß der Wolf nicht der Sohn von der Petra ist?

      Und damit entschreitet Minna, das klirrende Tablett in den Händen, und zum Zeichen, daß sie nun erst einmal Ruhe ›in ihrer Küche‹ haben will, schlägt sie die Tür fest zu.

      Frau Pagel versteht das auch und sie respektiert dies altgewohnte Zeichen der Getreuen. Sie ruft nur noch schnell hinterdrein: Schafskopf! Immer gleich beleidigt! Immer gleich wütend! Sie lacht vor sich hin, ihr Zorn ist verflogen. ›So eine alte Eule, bildet sich jetzt ein, Liebe besteht darin, dem andern Unangenehmes zu sagen!‹ Sie geht einmal im Zimmer hin und her, sie ist satt, denn der Zornausbruch kam erst, als sie schon genug gegessen hatte, und sie ist bester Stimmung, denn der kleine Streit hat sie erfrischt. Jetzt bleibt sie vor einem Schränkchen stehen, wählt bedachtsam eine lange schwarze Brasil, brennt sie lange und sorgfältig an und geht dann hinüber in ihres Mannes Zimmer.

      An der Wohnungstür über dem bronzenen Klingelring (Löwenmaul) hängt ein angeschlagenes Namensschild aus Porzellan ›Edmund Pagel – Gesandtschaftsattaché‹. Frau Pagel marschiert bereits auf die Siebzig zu, es sieht danach nicht so aus, als hätte es ihr Mann im Leben sehr weit gebracht. Betagte Gesandtschaftsattachés sind ein rarer Artikel.

      Übrigens hatte es Edmund Pagel so weit gebracht, wie es der tüchtigste Botschaftsrat und bevollmächtigte Gesandte nur bringen kann – nämlich auf den Friedhof. Wenn Frau Pagel in ihres Mannes Zimmer geht, so besucht sie nicht ihn, sondern was von ihm auf dieser Welt zurückblieb – und das hat seinen Ruf in der Welt, weit über die Wände des kleinen Heims hinaus.

      Frau Pagel stößt die Fenster des Zimmers weit auf: Licht und Luft dringen aus den Gärten herein. Hier in dieser kleinen Straße, so nahe dem Verkehr, daß man abends die Hochbahn in den Bahnhof Nollendorfplatz einfahren und tags wie nachts die Autobusse rumpeln hört – hier ist ein weitläufiges Ineinandergeschiebe alter Gärten mit hohen Bäumen, verschollener Gärten, die sich seit den achtziger, neunziger Jahren kaum geändert haben. Es ist gut hier zu wohnen – für alternde Leute. Die Hochbahn mag donnern und der Dollar klettern – geruhig schaut die verwitwete Frau Pagel in die Gärten. Das Weinlaub ist emporgestiegen bis zu ihren Fenstern, drunten wächst alles immer weiter, blüht weiter, sät sich aus – die Rasenden, Hastigen, Ruhelosen drüben mit ihrem Gepolter und Betrieb wissen es nur nicht. Sie kann zuschauen und sich erinnern, sie braucht nicht zu hetzen, der Garten darf sie erinnern. Aber daß sie hier immer noch wohnen kann, daß sie nicht mit zu hasten braucht – das hat er gemacht, dessen Werk hier in diesem Zimmer ist.

      Vor fünfundvierzig Jahren sahen sie

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