Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада
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Schlechte Tage – wahrhaftig! Sie hatte es in ihrem Leben und vornehmlich im letzten Jahr gut genug gelernt, daß Tage ohne Geld wahrhaftig keine schlechten Tage zu sein brauchten. Genau in dieser Zeit, da alles täglich dem Dollarkurs entgegen fieberte, da fast aller Gedanken sich um Geld, Geld drehten, um Zahlen, um bedrucktes Papier, um mit immer mehr Nullen bedrucktes Papier – genau in dieser Zeit hatte dieses kleine, törichte Mädchen die Entdeckung gemacht, daß Geld gar nichts ist. Daß es unsinnig ist, sich um Geld – nämlich um das fehlende – auch nur eine Minute Gedanken zu machen – es war ganz gleichgültig!
(Nur heute morgen nicht, weil sie solch übel machenden Hunger hatte, und weil doch um 1 Uhr 30 die Gebühren bezahlt werden mußten.)
Wie hätte sie zitternd um das Auskommen des nächsten Tages auch nur eine ruhige Glücksminute an der Seite des Fahnenjunkers a. D. Wolfgang Pagel leben können, der es nun schon ein reichliches Jahr fertiggebracht hatte, ihren ganzen Lebensunterhalt – bei dem kleinsten Betriebskapital von der Welt – Abend für Abend vom Spieltisch zu holen –? Abend für Abend, um elf Uhr herum – gab er ihr einen Kuß und sagte: Also denn, Kleines! und ging, während sie ihm nur lächelnd zunickte. Denn sie durfte kein Wort sagen, weil jedes Wort eine Unglück bringende Bedeutung haben konnte.
In der ersten Zeit, nachdem sie erfahren hatte, daß diese ewigen nächtlichen Wege kein ›Fremdgehen‹ bedeuteten, sondern ›Arbeit‹ für ihrer beider Auskommen, hatte sie aufgesessen bis drei, vier … Um ihn dann ankommen zu sehen: bleich, mit nervösen Bewegungen, die Schläfen eingefallen, das Haar noch feucht, der Blick flackernd. Sie hatte seine fieberischen Berichte angehört, sein Triumphieren, wenn es gut gegangen war, seine Verzweiflung, wenn er verloren. Stumm hatte sie sein Schelten über die und jene Frau angehört, die ihm seinen Einsatz weggenommen, oder seine grübelnde Verwunderung, warum an diesem Abend grade die Schwarz siebzehnmal hintereinander gekommen war und sie, die schon an der Schwelle des Reichtums gestanden, in die völlige Armut zurückgeschleudert hatte.
Sie verstand nichts vom Spiel, seinem Spiel, dem Roulette, so viel er ihr auch davon erzählte (er hatte ihr rundweg abgeschlagen, sie einmal ›dorthin‹ mitzunehmen). Aber sie verstand sehr wohl, daß dies sein Zoll war, den er an ihr Leben zahlte, daß er darum so freundlich, so unbekümmert, so ruhig mit ihr sein konnte, weil er in den Stunden am Spieltisch all seine Kraft, all seine Verzweiflung über dies sein verblasenes, zielloses und doch so einmaliges Leben verströmen konnte.
Oh, sie verstand noch weit mehr! Sie verstand, daß er sich selbst täuschte, zum mindesten sich dann selbst täuschte, wenn er immer wieder leidenschaftlich versicherte, er sei kein Spieler …
Sage doch selbst, was kann ich Besseres tun!?! Soll ich als Buchhalter Zahlen in ein Buch kritzeln, um zu Ultimo ein Gehalt zu kriegen, mit dem wir verhungern? Soll ich Schuhe verkaufen, Artikelchen schreiben, Chauffeur werden? Peter, das Geheimnis ist: habe wenig Bedürfnisse und du hast Zeit für dein Leben. Drei, vier, ach, oft nur eine halbe Stunde am Roulette, und wir können eine Woche, einen Monat lang leben! Ich ein Spieler? Aber es ist eine Hundearbeit, ich würde lieber Mauersteine tragen, statt dazustehen und zu warten und mich nicht fortreißen zu lassen, lockt das Glück einmal. Ich bin eiskalt und berechnend, du weißt, sie nennen mich den Pari-Panther. Sie hassen mich, sie ziehen schon saure Mienen, wenn sie mich nur sehen. Weil ich eben kein Spieler bin, weil sie wissen, es ist nichts bei mir zu holen, weil ich mir jeden Tag meinen kleinen Gewinn abhole, und habe ich ihn, Schluß mache, mich nie verleiten lasse, weiterzuspielen …
Und mit einer wunderbaren Inkonsequenz, indem er völlig vergaß, was er eben erst gesagt: Warte nur – laß mich erst einmal den großen Schlag tun! Eine wirkliche Summe, die sich lohnt! Dann sollst du sehen, was wir anfangen! Dann sollst du sehen, daß ich kein Spieler bin! Nie wieder gehe ich denen auf den Leim! Warum denn auch – es ist die gemeinste Viecherei, die es gibt – wer wird denn freiwillig zu so was hingehen, wenn er kein Spieler ist –?!
Derweilen sah sie ihn heimkommen, nachtaus, nachtein, mit hohlen Schläfen, feuchtem Haar, glänzenden Augen.
Beinahe war es soweit, Peter! rief er.
Aber seine Taschen waren leer. Dann versetzte er alles, was sie hatten, behielt nur, was er auf dem Leibe trug (sie war in solchen Tagen zu Bettruhe verurteilt), ging fort, grade genug Geld in der Tasche, um das Minimum an Spielmarken kaufen zu können. Kam wieder, mit einem ganz kleinen Gewinn oder auch einmal – sehr selten – die Taschen gestopft voll Geld. Wenn alles zu Ende schien, das mußte sie zugeben, brachte er immer Geld, wenig oder viel, aber er brachte Geld.
Er hatte da irgendein ›System‹ über das Rollen der Roulettekugel, ein System der Systemlosigkeit, ein System, das darauf aufgebaut war, daß die Kugel oft nicht das tat, was sie aller Wahrscheinlichkeit nach hätte tun müssen. Er hatte ihr dies System hundertmal erklärt, aber da sie nie ein Roulette gesehen hatte, konnte sie sich von all dem, was er erzählte, kein rechtes Bild machen. Sie bezweifelte auch, daß er sich immer an sein eigenes System hielt.
Aber wie dem auch war, er hatte es noch stets geschafft. Längst brachte sie es – im Vertrauen darauf – fertig, sich ruhig schlafen zu legen, nicht auf sein Kommen zu warten. Ja, es war sogar besser, sich schlafend zu stellen, wenn sie zufällig einmal wach war. Denn kam er, heimkehrend vom Spiel, heiß vom Spiel, erst einmal ins Reden, gab es die Nacht keinen Schlaf.
Wie de det nur aushältst, Mächen, konnte manchmal die Thumann, die Pottmadamm, kopfschütteln. Imma alle Nächte wech und imma alle eure Pinke in de Tasche! Und es soll ja da von Edelnutten nur so wimmeln! Ick ließe meinen nich!
Aber Sie lassen Ihren doch auch auf den Bau, Frau Thumann! Eine Leiter kann auch mal abrutschen oder ein Brett durchknacken. Und Nutten gibt es überall.
Gott, verred es nur mit meinem Willem, wo se jrade in’t fünfte Stock mauern! Wo ick mir so schon so ängstje! Aba es is doch ein Schiedunta, Mächen! Bauen muß sein, aber Spielen muß nich sein.
Wenn er’s doch aber braucht, Frau Thumann!
Braucht, braucht! Ick hör imma braucht! Meiner erzählt mir ooch imma ville, wat er braucht. Skat und ’ne Zigarre und Molle kräftig und womöglich noch kleene Mächen (aber det erzählt er mir nich!). Aber ick sare ihm: wat du brauchen tust, is ’en festet Kommando und freitags die Lohntüte vor’m Baubüro in meine Hand! Det brauchste! – Du bist ebent zu jut, Mächen. Aber jut kommt von schwach, und wenn ick dir so ansehe, morjens, wenn ick euch den Kaffe hinserviere, und ick sehe, wie du ihm die Oogen zurollst, bloß, er merkt es jarnich, denn weeß ick ooch, wie dies ausjeht. Spielen als Arbeit – wenn ick det bloß höre! Spielen is nich arbeeten und Arbeeten is nich spielen. Und wenn du es wirklich jut mit ihm meinst, Mächen, nimmst de ihm det Jeld wech, und er jeht mit Willem uffn Bau. Steinetragen wird er ja wohl noch können.
Gott, Frau Thumann, nun reden Sie ja schon genau wie seine Mutter! Die meinte auch, ich sei zu gut und unterstütze ihn noch in seinem Laster, und hat mir deswegen sogar eine Knallschote gegeben.
Knallschote is ooch wieda nich richtig! Denn bist du die Schwiejatochta? Nee, du machst es gewissermaßen nur zu deinem Vajniejen, und wenn es dir zu dumm wird, denn türmste. Nee, Knallschote war ooch nich fein, auf Knallschote kannste sojar klagen!
Aber es hat ja gar nicht weh getan, Frau Thumann. Solche Fingerchen, wie seine Mutter hat. Da war meine Mutter anders. Und überhaupt …
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Es teilt eine Holzbarriere den Raum der Berliner Schnitter-Vermittlung in zwei Hälften, zwei sehr ungleiche Hälften. Der vordere Teil, in dem jetzt der Rittmeister von Prackwitz steht, ist ganz klein, und die