Eine Studie in Scharlachrot. Sir Arthur Conan Doyle

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Eine Studie in Scharlachrot - Sir Arthur Conan Doyle Sherlock Holmes

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welches den Raum erhellte, war mit einer Schmutzkruste überzogen, die nur ein mattes, ungewisses Licht hindurchliess. Die düstere, graue Beleuchtung passte so recht zu der dicken Staubschicht, welche auf der Zimmerdiele lagerte.

      Alle diese Einzelheiten fielen mir jedoch erst später auf. Anfangs richtete ich mein ganzes Augenmerk auf die leblose Gestalt, welche ausgestreckt am Boden lag, den stieren Blick nach der Decke gerichtet. Es war ein mittelgrosser Mann von etwa vierundvierzig Jahren, breitschulterig, mit krausem, schwarzem Haar und kurzem Stoppelbart. Sein Anzug bestand aus Rock und Weste von schwerem Doppeltuch, hellen Beinkleidern und tadellosem Weisszeug. Auch gehörte ihm wohl der glatt gebürstete, hohe Hut, den ich neben ihm sah. Er hatte die Arme weit von sich gestreckt, die Fäuste geballt und die Beine fest übereinander geschlagen, wahrscheinlich im Todeskampf. In seinen starren Zügen lag ein Ausdruck des Entsetzens und eines so grimmigen Hasses, wie ich ihn noch nie zuvor in einem Menschenantlitz erblickt zu haben glaubte. Dieser bösartige Zug, dazu die niedere Stirn, die breite Stumpfnase und das vorstehende Kinn, gaben dem Toten ein widerliches, tierisches Aussehen, das durch seine gekrümmte, unnatürliche Lage noch abschreckender wurde. Ich habe den Tod schon in mancher Gestalt gesehen, aber nie hat er mir einen so grauenvollen Eindruck gemacht, wie in jenem öden Hause der Londoner Vorstadt.

      Der Geheimpolizist Lestrade hatte uns an der Stubenthüre empfangen. „Der Fall wird Aufsehen machen,“ sagte er mit Nachdruck; „ich bin wahrhaftig kein Neuling mehr, aber etwas Aehnliches habe ich noch nie erlebt.“

      „Wir suchen vergeblich nach einem Aufschluss,“ fiel Gregson ein.

      Sherlock Holmes war neben dem Leichnam niedergekniet, den er genau untersuchte.

      „Eine Wunde haben Sie also nicht entdeckt?“ fragte er, auf die zahlreichen Blutspuren am Fussboden deutend.

      „Nein, es ist keine zu finden,“ versicherten beide.

      „So rührt das Blut also von einem andern Menschen her, von dem Mörder vermutlich, wenn nämlich ein Mord verübt worden ist. Der Fall erinnert mich an Van Jansens Tod in Utrecht im Jahre 1834. Haben Sie den im Gedächtnis, Gregson?“

      „Nein, ich weiss nichts davon.“

      „Sie sollten die Geschichte nachlesen. Es giebt nichts Neues unter der Sonne, alles ist schon dagewesen.“

      Während er sprach, fuhren seine geschickten Finger bald hierhin, bald dorthin; er drückte, befühlte, betastete alle Glieder und zwar mit solcher Schnelligkeit, dass ich kaum begriff, wie er die einzelnen Ergebnisse seiner Untersuchung aufzufassen vermochte. Sein Blick trug dabei denselben geistesabwesenden Ausdruck, den ich schon öfter an ihm bemerkt hatte. Schliesslich roch er an den Lippen des Toten und betrachtete die Sohlen seiner feinen Lederstiefel.

      „Liegt er noch genau so, wie man ihn gefunden hat?“ fragte er.

      „Wir haben ihn untersucht, ohne ihn von der Stelle zu bewegen.

      „Gut, dann lassen Sie ihn jetzt nur ins Leichenhaus schaffen. Es ist nichts Thatsächliches mehr zu ermitteln.“

      Eine Tragbahre stand schon in Bereitschaft, und auf Gregsons Ruf kamen vier seiner Leute herbei. Als sie die Leiche aufluden, um sie fortzutragen, fiel ein Ring zu Boden und rollte über die Diele. Lestrade fuhr wie ein Stossvogel darauf zu, hob ihn auf und betrachtete ihn mit verblüffter Miene.

      „Der Trauring einer Frau — wie kommt der hierher?“ rief er.

      Wir starrten alle nach dem goldeiten Reif auf seiner flachen Hand; welche Braut mochte den am Finger getragen haben?

      „Die ohnehin schon verwickelte Angelegenheit wird durch diesen Fund noch schwieriger,“ bemerkte Gregson.

      „Vielleicht vereinfacht er sie auch,“ äusserte Holmes bedächtig. „Jedenfalls nützt es nichts, den Ring noch länger anzusehen; wir werden nicht klüger davon. Haben Sie nichts in den Taschen gefunden?“

      „Im Flur liegt alles beisammen!“ erwiderte Gregson, „kommen Sie!“ Wir verliessen das Zimmer. „Hier ist der ganze Inhalt,“ fuhr er fort, auf einen Haufen verschiedener Gegenstände deutend. „Eine goldene Uhr No. 97163 von Barrand in London, eine kurze Uhrkette von massivem Gold, ein goldener Ring mit dem Freimaurerzeichen; ein Hundekopf mit Rubinaugen als Vorstecknadel; ein Visitenkartentäschchen von russischem Leder, auf den Karten steht Enoch I. Drebber aus Cleveland, das stimmt mit den Zeichen der Wäsche überein. Kein Portemonnaie, aber loses Geld in der Westentasche im Betrag von sieben Pfund dreizehn Schilling. Eine Taschenausgabe von Boccaccios Decamerone, auf dem Titelblatt der Name Joseph Stangerson. Zwei Briefe, einer an E. I. Drebber, der andere an Joseph Stangerson.“

      „Wohin adressiert?“

      „An die amerikanische Wechselbank. Beide Briefe kommen von der Dampfschiffgesellschaft Guion und betreffen die Abfahrt ihres Dampfers von Liverpool. Offenbar stand der Unglückliche im Begriff, nach New York zurückzukehren.“

      „Haben Sie über jenen Stangerson Erkundigungen eingezogen?“

      „Versteht sich,“ versetzte Gregson; „an sämtliche Zeitungen sind Anzeigen geschickt worden; auch ist einer meiner Leute nach der Wechselbank gegangen, ich erwarte ihn bald zurück.“

      „Haben Sie in Cleveland angefragt?“

      „Ja, die Depesche ist heute früh abgegangen.“

      „Was war der Wortlaut?“

      „Wir gaben einfach die Umstände an und baten um Mitteilung der einschlägigen Thatsachen.“

      „Sie haben nicht etwa über einen Punkt, der Ihnen besonders wichtig schien, eingehendere Nachricht verlangt?“

      „Ich habe nach Stangerson gefragt.“

      „Weiter nichts? Liegt nicht eine Thatsache vor, um die sich der ganze Fall dreht? Wollen Sie nicht noch einmal telegraphieren?“

      „Meine Depesche enthielt alles Erforderliche,“ versetzte Gregson in beleidigtem Ton.

      Sherlock Holmes lachte in sich hinein und wollte eben noch eine Bemerkung machen, als Lestrade, der inzwischen im Zimmer geblieben war, zu uns in den Flur kam.

      „Soeben habe ich eine Entdeckung gemacht, Gregson,“ sagte er, sich mit selbstgefälliger Miene die Hände reibend. „Hätte ich nicht die Stubenwände genau untersucht, wir wären schwerlich darauf aufmerksam geworden.“

      Die Augen des kleinen Detektivs funkelten vor innerem Triumph, dass er seinem Kollegen den Rang abgelaufen hatte. „Kommen Sie,“ sagte er, in das Zimmer zurückeilend, das uns weit weniger grausig erschien, seit die Leiche fortgeschafft war; „so, jetzt treten Sie dorthin.“

      Er strich ein Schwefelholz an seiner Stiefelsohle an und hielt es gegen die Wand. In einer Ecke war die Tapete abgerissen und auf dem hellen Kalkbewurf, der darunter zum Vorschein kam, stand mit grossen, blutroten Buchstaben das Wort

       Rache

      zu lesen.

      „Das hat der Mörder mit seinem eigenen Blut geschrieben,“ fuhr Lestrade fort, „hier auf der Diele sieht man noch, wo es hinuntergetropft ist. Einen besseren Beweis, dass kein Selbstmord vorliegt, könnten wir gar nicht haben. Sehen Sie das abgebrannte Licht auf dem Kaminsims? Beim Scheine desselben ist das Wort in dieser sonst so dunkeln Ecke geschrieben

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