Der letzte Mensch. Mary Shelley

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Der letzte Mensch - Mary Shelley

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Personen, die seine Mutter für diesen Zweck ausgewählt hatte.

      Kapitel 4

      Am nächsten Tag sprach Lord Raymond auf dem Weg nach Schloss Windsor bei Perditas Hütte vor. Die roten Wangen und die funkelnden Augen meiner Schwester verrieten mir halb ihr Geheimnis. Er war vollkommen selbstbeherrscht; er sprach uns beide mit Höflichkeit an, schien sofort unsere Gefühle zu verstehen und mit uns übereinzustimmen. Ich musterte den Ausdruck seines Gesichts, das sich veränderte, während er sprach, aber in jeder Veränderung schön war. Der übliche Ausdruck seiner Augen war weich, obschon sie zuweilen vor Wildheit blitzten; seine Hautfarbe war hell; und aus jedem seiner Gesichtszüge sprach vorherrschend Eigenwille; sein Lächeln war angenehm, obschon er zu häufig verächtlich seine Lippen kräuselte – Lippen, die für weibliche Augen das Höchste an Schönheit und Liebe waren. Seine für gewöhnlich sanfte Stimme erschreckte oft durch einen hohen, misstönenden Klang, welcher zeigte, dass sein üblicher tiefer Ton eher das Werk der Übung als der Natur war. So voller Widersprüche, unbeugsam, doch hochmütig, sanft und doch wild, zärtlich und wiederum nachlässig, fand er durch eine seltsame Kunst einen leichten Zugang zur Bewunderung und Zuneigung der Frauen; sie erst liebkosend und dann tyrannisierend, je nach seiner Stimmung, aber in jeder Veränderung ein Despot.

      Bei jener Gelegenheit wollte Raymond offensichtlich liebenswürdig erscheinen. Witz, Heiterkeit und tiefsinnige Betrachtungen vermischten sich in seiner Rede und verwandelten jeden Satz, den er äußerte, in einen Lichtblitz. Er überwand bald meine heimliche Abneigung; ich bemühte mich, ihn und Perdita zu beobachten und mich an alles zu erinnern, was ich zu seinem Nachteil gehört hatte. Doch alles erschien so aufrichtig, und alles war so faszinierend, dass ich bald nur noch an das Vergnügen dachte, das seine Gesellschaft mir bereitete. Um mich mit der Bühne der englischen Politik und Gesellschaft, von der ich bald ein Teil werden sollte, vertraut zu machen, erzählte er eine Reihe von Anekdoten und skizzierte viele Charaktere; seine Worte flossen reich und vielfältig dahin und erfüllten alle meine Sinne mit Vergnügen. Wäre da nicht eine Sache gewesen, hätte er vollkommen triumphiert. Er kam auf Adrian zu sprechen und sprach von ihm mit jener Herabsetzung, mit der die weltlichen Weisen den Enthusiasmus stets bedenken. Er nahm die aufziehende Wolke wahr und versuchte sie zu zerstreuen; aber die Stärke meiner Gefühle erlaubte mir nicht, so leicht über diesen Gegenstand hinwegzugehen; so sagte ich mit Nachdruck: »Gestatten Sie mir zu bemerken, dass ich dem Graf von Windsor treu ergeben bin; er ist mein bester Freund und Wohltäter. Ich verehre seine Güte, ich stimme seinen Meinungen zu und beklage bitter seine gegenwärtige und, wie ich vertraue, vorübergehende Unpässlichkeit. Diese Krankheit macht es mir wegen ihrer Eigentümlichkeit über die Maßen schmerzlich, von ihm anders sprechen zu hören als in Worten der Achtung und Zuneigung.«

      Raymond antwortete, aber in seiner Antwort lag nichts Versöhnliches. Ich sah, dass er in seinem Herzen diejenigen verachtete, die aus anderen als weltlichen Motiven handelten. »Jeder Mann«, sagte er, »träumt von etwas, von Liebe, Ehre und Vergnügen. Sie träumen von Freundschaft und opfern sich für einen Wahnsinnigen auf, nun, wenn das Ihre Berufung ist, dann haben Sie zweifellos das Recht, ihr Folge zu leisten.«

      Eine Erinnerung schien ihn zu peinigen, und der Schmerz, der für einen Moment sein Gesicht erschütterte, gebot meiner Empörung Einhalt. »Glücklich sind die Träumer«, fuhr er fort, »so sie nicht erweckt werden! Könnte ich nur träumen! Doch der ›helle und grelle Tag‹ ist die Wirklichkeit, in der ich lebe; ihr blendender Schein kehrt die Szene für mich um. Selbst der Geist der Freundschaft ist von mir gewichen, und ebenso die Liebe.« Er brach ab; ich konnte nicht erraten, ob die Verachtung, die seine Lippen kräuselte, gegen die Leidenschaft oder gegen sich selbst gerichtet war, weil er ihr Sklave war.

      Dieser Bericht kann als ein Beispiel meiner Unterredungen mit Lord Raymond genommen werden. Ich wurde vertraut mit ihm, und jeder Tag bot mir Gelegenheit, mehr und mehr seine starken und vielseitigen Begabungen zu bewundern, die zusammen mit seiner Beredsamkeit, die elegant und gewitzt war, und seinem jetzt gewaltigen Reichtum, dafür sorgten, dass er gefürchtet, geliebt und verhasster als jeder andere Mann in England wurde.

      Meine Abstammung, die Interesse weckte, wenn sie nicht gar Respekt erheischte, meine frühere Verbindung mit Adrian, die Gunst des Botschafters, dessen Sekretär ich gewesen war, und jetzt meine Vertrautheit mit Lord Raymond ermöglichten mir leichten Zugang zu den eleganten und politischen Kreisen Englands. In meiner Unerfahrenheit erschien es mir zunächst, als stünden wir am Vorabend eines Aufstands; jede Partei war aufgebracht, erbittert und unnachgiebig. Das Parlament war in drei Fraktionen unterteilt, Aristokraten, Demokraten und Royalisten. Nach Adrians erklärter Vorliebe für die republikanische Regierungsform war die letztere Partei fast führerlos gewesen, doch als Lord Raymond als ihr Führer hervortrat, belebte sie sich wieder mit doppelter Kraft. Einige waren Royalisten aus Prinzip und alter Neigung, und es gab viele Gemäßigte, welche die launische Tyrannei der Volkspartei und den unbeugsamen Despotismus der Aristokraten gleichermaßen fürchteten. Mehr als ein Drittel der Mitglieder reihte sich unter Raymond ein, und ihre Zahl nahm ständig zu. Die Aristokraten bauten ihre Hoffnungen auf ihren überwiegenden Reichtum und Einfluss; die Reformer auf die Macht der Nation selbst. Die Debatten waren aufgebracht, und noch aufgebrachter waren die Reden der einzelnen Politiker, als sie sich versammelten, um ihre Maßnahmen zu organisieren. Schmähreden wurden verbreitet, Widerstand sogar mit dem Tod bedroht, Versammlungen der Bevölkerung störten die stille Ordnung des Landes; wo außer im Krieg sollte dies alles enden? Gerade als die zerstörerischen Flammen bereit waren auszubrechen, sah ich sie einlenken, beschwichtigt durch die Abwesenheit des Militärs, durch die Abneigung, die alle gegenüber jeder Gewalt empfanden, außer in der Sprache, und durch die herzliche Höflichkeit und sogar Freundschaft der feindlichen Führer, wenn sie sich in privater Gesellschaft trafen. Ich sah mich aus tausend Gründen dazu veranlasst, dem Verlauf der Ereignisse minutiös zu folgen und jede Wendung mit großer Neugierde zu beobachten.

      Ich konnte nicht umhin zu bemerken, dass Perdita Raymond liebte; mich dünkte auch, dass er die schöne Tochter Verneys mit Bewunderung und Zärtlichkeit betrachtete. Doch ich wusste, dass er seine Ehe mit der mutmaßlichen Erbin der Grafschaft Windsor vorantrieb, kühn die Vorteile erwartend, die ihm daraus erwachsen würden. Die Freunde der einstigen Königin waren alle auch seine Freunde; keine Woche verging, in der er nicht in Windsor Beratungen mit ihr abhielt.

      Ich hatte die Schwester Adrians nie gesehen. Ich hatte gehört, dass sie reizend, liebenswert und faszinierend sei. Warum sollte ich sie sehen? Es gibt Zeiten, in denen wir ein unbestimmtes Gefühl der bevorstehenden Veränderung zum Guten oder Schlechten haben, die aus einem Ereignis entstehen wird; und sei es nun zum Guten oder Schlechten, wir fürchten die Veränderung und versuchen das Ereignis zu verhindern. Aus diesem Grund mied ich diese hochgeborene Jungfrau. Für mich war sie alles und nichts; ihr Name, der von einem andern erwähnt wurde, ließ mich zusammenfahren und zittern; die endlosen Gespräche über ihre Verbindung mit Lord Raymond empfand ich als eine wahre Qual. Mich dünkte, dass ich nun, da Adrian sich aus dem aktiven Leben zurückgezogen hatte und diese schöne Idris wahrscheinlich ein Opfer der ehrgeizigen Pläne ihrer Mutter wurde, vortreten sollte, um sie vor übermäßigem Einfluss zu bewahren, sie vor Unglück zu beschützen und ihr die Entscheidungsfreiheit zu sichern, das Recht eines jeden Menschen. Doch wie sollte ich dies bewerkstelligen? Sie selbst würde meine Einmischung ablehnen. Darum musste ich ihr gegenüber gleichgültig oder verächtlich sein und sie besser, am allerbesten meiden, statt mich vor ihr und der höhnischen Welt der Möglichkeit auszusetzen, das verrückte Spiel eines närrischen, törichten Ikarus zu spielen.

      Eines Tages, einige Monate nach meiner Rückkehr nach England, verließ ich London, um meine Schwester zu besuchen. Ihre Gesellschaft war mein wichtigster Trost und meine Freude; und meine Stimmung hob sich immer in der Erwartung, sie zu sehen. Ihre Unterhaltung war voller kluger Bemerkungen und Einsichten; in ihrer angenehmen Laube, die mit schönen Blumen verziert und mit prunkvollen Statuen, antiken Vasen und Kopien der feinsten Bilder von Raffael, Correggio und Claude, die sie selbst gemalt hatte, geschmückt war, fühlte ich mich wie in einem märchenhaften Schlupfwinkel, der unberührt von und unzugänglich

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