Der letzte Mensch. Mary Shelley

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nach.«

      Ryland war der Führer der Volkspartei, ein dickköpfiger und auf seine Weise fähiger Mann. Er hatte die Erlaubnis erhalten, einen Gesetzentwurf einzubringen, der darauf abzielte, den Versuch, den gegenwärtigen Stand der englischen Regierung und die geltenden Gesetze der Republik zu ändern, zum Verrat zu erklären. Dieser Angriff richtete sich gegen Raymond und seine Pläne zur Wiederherstellung der Monarchie.

      Raymond fragte mich, ob ich ihn an diesem Abend ins Parlament begleiten würde. Ich erinnerte mich an meine Suche nach Informationen über Adrian; und in dem Wissen, dass meine Zeit voll beansprucht sein würde, entschuldigte ich mich. »Nun«, sagte mein Begleiter, »ich kann Sie von Ihrem gegenwärtigen Hinderungsgrund befreien. Sie haben vor, Erkundigungen bezüglich des Grafen von Windsor einzuziehen. Ich kann sie Ihnen sofort beantworten, er ist auf dem Gut des Herzogs von Athol in Dunkeld. Beim ersten Auftreten seiner Erkrankung reiste er von einem Ort zum andern, bis er, als er in diese romantische Abgeschiedenheit kam, sich weigerte, sie zu verlassen, und wir Vereinbarungen mit dem Herzog trafen, damit er dort bleiben konnte.«

      Ich war von dem achtlosen Ton verletzt, mit dem er mir diese Nachricht überbrachte, und antwortete kalt: »Ich bin Ihnen für Ihre Auskunft verpflichtet und werde davon Gebrauch machen.«

      »Tun Sie das, Verney«, sagte er, »und wenn Sie an Ihrem Vorhaben festhalten, werde ich es Ihnen erleichtern. Aber bitte bezeugen Sie zuerst das Ergebnis des Disputs dieser Nacht, und den Triumph, den ich im Begriff bin zu erreichen, wenn ich es so nennen darf, während ich fürchte, dass der Sieg für mich in Wahrheit eine Niederlage ist. Was kann ich tun? Meine größten Hoffnungen scheinen ihrer Erfüllung nahe zu sein. Die vormalige Königin gibt mir Idris, Adrian ist völlig unfähig, das Erbe eines Grafen anzutreten, und dieser Titel wird in meinen Händen zum Königreich. Bei Gott, der kümmerliche Titel eines Grafen von Windsor wird denjenigen, der die Rechte erwirbt – die dem, der sie besitzt, auf ewig zustehen müssen –, nicht mehr zufriedenstellen. Die Gräfin wird niemals vergessen, dass sie eine Königin war, und sie wird sich nicht dazu herablassen, ihren Kindern ein vermindertes Erbe zu hinterlassen; ihre Macht und meine Klugheit werden den Thron wiedererrichten, und diese Stirn wird von einem königlichen Diadem geschmückt werden. – Ich kann dies bewirken – ich kann Idris heiraten.« –

      Er verstummte jählings, sein Antlitz verdunkelte sich und sein Ausdruck veränderte sich immer wieder unter dem Einfluss in ihm kämpfender Leidenschaften. Ich fragte: »Liebt Lady Idris Sie?«

      »Was für eine Frage«, antwortete er lachend. »Sie wird mich natürlich ebenso lieben wie ich sie, wenn wir verheiratet sind.«

      »Sie fangen es verkehrt an«, sagte ich spöttisch, »die Ehe wird gewöhnlich als das Grab und nicht als die Wiege der Liebe betrachtet. Also werden Sie sie lieben, aber Sie tun es noch nicht?«

      »Verhören Sie mich nicht, Lionel, seien Sie versichert, dass ich meine Pflicht ihr gegenüber erfüllen werde. Liebe! Ich muss mein Herz dagegen stählen, sie von ihrem starken Turm vertreiben, mich verbarrikadieren: die Quelle der Liebe muss aufhören zu sprudeln, ihre Wasser ausgetrocknet werden, und alle leidenschaftlichen Gedanken, die damit einhergehen, sterben – das heißt die Liebe, die mich regieren will, nicht jene, die ich regiere. Idris ist ein sanftes, hübsches, süßes kleines Mädchen, es ist unmöglich, keine Zuneigung zu ihr zu empfinden, und meine Zuneigung zu ihr ist eine sehr aufrichtige, nur sprechen Sie nicht von Liebe – Liebe, die Tyrannin und die Tyrannenbezwingerin, Liebe, bislang meine Erobererin, jetzt meine Sklavin, das hungrige Feuer, das unzähmbare Tier, die giftspeiende Schlange – nein – nein – ich will nichts mit dieser Liebe zu tun haben. Sagen Sie mir, Lionel, stimmen Sie darin zu, dass ich diese junge Frau heiraten sollte?«

      Er richtete seine scharfen Augen auf mich, und mein unkontrollierbares Herz schwoll in meiner Brust. Ich antwortete mit ruhiger Stimme – aber wie weit von der Ruhe entfernt war der Gedanke, der aus meinen ruhigen Worten sprach – »Niemals! Ich kann niemals zustimmen, dass Lady Idris mit jemandem vereint sein sollte, der sie nicht liebt.«

      »Weil Sie selbst sie lieben.«

      »Eure Lordschaft hätten diese Neckerei unterlassen können: ich liebe sie nicht, wage nicht, sie zu lieben.«

      »Zumindest«, fuhr er hochmütig fort, »liebt sie Sie nicht. Ich würde keine regierende Herrscherin heiraten, wenn ich nicht sicher wäre, dass ihr Herz frei ist. Aber, o Lionel! ein Königreich ist ein mächtiges Wort, und wohlklingend sind die Begriffe, die das Königtum beschreiben. Waren nicht die mächtigsten Männer alter Zeiten Könige? Alexander war ein König, Salomo, der weiseste aller Menschen, war ein König, Napoleon war ein König, Cäsar starb in seinem Versuch, einer zu werden, und Cromwell, der Puritaner und Königsmörder, strebte nach der Königswürde. Der Vater Adrians gab das schon zerbrochene Zepter Englands auf, ich aber werde die gefallene Pflanze aufrichten, ihre zerstückelten Glieder wieder verbinden und sie über alle Blumen des Feldes erheben. Wundern Sie sich nicht, dass ich Adrians Schlupfwinkel bereitwillig verriet. Glauben Sie nicht, dass ich bösartig oder töricht genug wäre, meine beabsichtigte Oberhoheit auf einen Betrug zu gründen, und noch dazu einen, der so leicht als die Wahrheit oder Unwahrheit erkannt werden könnte wie der Wahnsinn des Grafen. Ich bin gerade von einem Besuch bei ihm zurückgekommen. Ehe ich bezüglich meiner Ehe mit Idris eine Entscheidung fällen wollte, entschloss ich mich, ihn noch einmal zu besuchen und über die Wahrscheinlichkeit seiner Genesung zu urteilen. Er ist unwiederbringlich wahnsinnig.«

      Ich rang nach Luft –

      »Ich werde Ihnen«, fuhr Raymond fort, »die traurigen Einzelheiten ersparen. Sie sollen ihn sehen und selbst zu einem Urteil kommen, obwohl ich fürchte, dass dieser für ihn nutzlose Besuch unerträglich schmerzhaft für Sie sein wird. Es lastet seit jeher auf mir. Gut und sanftmütig, wie er selbst in der Zerrüttung seines Verstands ist, verehre ich ihn nicht wie Sie, sondern würde alle meine Hoffnungen auf eine Krone und meine rechte Hand dazu hingeben, um ihn wieder ganz bei sich zu finden.«

      Seine Stimme drückte das tiefste Mitgefühl aus: »Sie höchst unerklärliches Wesen«, rief ich, »wohin werden Ihre Taten Sie führen, in diesem ganzen Labyrinth von Absichten, in dem Sie verloren scheinen?«

      »Wohin? Zu einer Krone, einer goldenen, mit Edelsteinen besetzten Krone, wie ich hoffe, und doch wage ich nicht, darauf zu vertrauen, und obgleich ich von einer Krone träume und auf eine hoffe, flüstert mir immer wieder ein geschäftiger Teufel zu, dass das, wonach ich strebe, nichts als eine Narrenkappe sei und dass ich, wenn ich weise wäre, sie sein lassen und an ihrer statt nehmen sollte, was alle Kronen des Ostens und Präsidenten des Westens wert ist.«

      »Und das wäre?«

      »Wenn ich mich entschieden habe, sollen Sie es erfahren; zurzeit wage ich nicht davon zu sprechen, nicht einmal daran zu denken.«

      Wieder schwieg er, und nach einer Weile wandte er sich mir lachend zu. Wenn nicht Spott seine Freude inspirierte, wenn es echte Fröhlichkeit war, die seine Gesichtszüge mit einem freudigen Ausdruck überzog, wurde seine Schönheit überirdisch, göttlich. »Verney«, sagte er, »mein erster Akt, wenn ich König von England werde, wird sein, sich mit den Griechen zu vereinigen, Konstantinopel einzunehmen und ganz Asien zu unterwerfen. Ich beabsichtige, ein Krieger, ein Eroberer zu sein; Napoleons Name soll hinter meinem verblassen; und die Schwärmer sollen, anstatt sein felsiges Grab zu besuchen und die Verdienste der Gefallenen zu würdigen, meine Majestät verehren und meine berühmten Errungenschaften preisen.«

      Ich hörte Raymond mit großem Interesse zu. Wie hätte ich anders als ganz Ohr für jemanden sein können, der die ganze Erde in seiner mitreißenden Phantasie zu regieren schien und der nur versagte, wenn er versuchte, sich selbst zu beherrschen. Denn von seinem Wort und seinem Willen würde mein eigenes Glück abhängen – das Schicksal all jener, die mir lieb und teuer waren. Ich bemühte mich, die verborgene

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