Der letzte Mensch. Mary Shelley

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Der letzte Mensch - Mary Shelley

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ihm jubelnd und heiter nach, um von seinem zukünftigen Königreich zu träumen.

      Kapitel 4[a]

      Existiert ein solches Gefühl wie die Liebe auf den ersten Blick? Und falls dem so wäre, worin unterscheidet sich ihre Natur von der Liebe, die sich auf eingehende Beobachtung und langsames Wachstum gründet? Vielleicht sind ihre Auswirkungen nicht so dauerhaft; doch sie sind, solange sie bestehen, heftig und intensiv. Wir wandeln freudlos durch die unwegsamsten Irrgärten des Lebens, bis wir jenen Schlüssel in Händen halten, der uns durch dieses Labyrinth ins Paradies führt. Unsere trübe Natur schlummert wie eine unentzündete Fackel in formloser Leere, bis das Feuer sie erreicht; diese Essenz des Lebens, dieses Licht des Mondes und die Herrlichkeit der Sonne. Was spielt es für eine Rolle, ob dieses Feuer aus Feuerstein und Stahl geschlagen, vorsichtig zu einer Flamme genährt und langsam dem dunklen Docht mitgeteilt wird, oder ob die strahlende Kraft von Licht und Wärme rasch von einer verwandten Seele ausgeht und zugleich das Leuchtfeuer und die Hoffnung entzündet. In der tiefsten Quelle meines Herzens wurden die Takte gerührt; um mich herum, über und unter mir umfing mich die anhaftende Erinnerung wie ein Umhang. In keinem einzigen Augenblick der zukünftigen Zeit empfand ich wie damals. Der Geist von Idris schwebte in der Luft, die ich atmete; ihre Augen waren immer und ewig auf die meinen gerichtet; ihr Lächeln, an das ich mich erinnerte, blendete mich und ließ mich als einen Blinden zurück, nicht in die Finsternis, nicht in Dunkelheit und Leere – sondern in ein nie gekanntes, strahlendes Licht eingehend, das zu neu, zu gleißend für meine menschlichen Sinne war. Jedem Blatt, jedem kleinen Teil des Universums (wie auf der Hyazinthe ein Ai eingraviert ist) war der Talisman meiner Existenz aufgeprägt – SIE LEBT! SIE EXISTIERT! – Ich hatte noch nicht die Zeit gefunden, mein Gefühl zu untersuchen, mich selbst zur Vernunft zu rufen und in der unbezwinglichen Leidenschaft anzuleiten; alles war ein Gedanke, ein Gefühl, ein Wissen – es war mein Leben!

      Doch die Würfel waren gefallen – Raymond würde Idris heiraten. Die Hochzeitsglocken läuteten fröhlich in meinen Ohren; ich hörte die Gratulationen des Volks, das dem Brautpaar folgte, sah den ehrgeizigen Adligen mit raschem Adlerflug sich vom untersten Rang zum Königtum erheben – und zur Liebe Idris’. Doch halt, dies nicht! Sie liebte ihn nicht; sie hatte mich ihren Freund genannt; mich hatte sie angelächelt; mir hatte sie die größte Hoffnung ihres Herzens, das Wohlergehen Adrians, anvertraut. Diese Erinnerung erwärmte mein erstarrendes Blut, und wieder strömte die Flut des Lebens und der Liebe ungestüm heran und verebbte wieder, als sich meine geschäftigen Gedanken veränderten.

      Die Debatte endete um drei Uhr morgens. Meine Seele war in Aufruhr; ich überquerte die Straßen mit eifriger Hast. Wahrlich, ich war in dieser Nacht verrückt – die Liebe, welche ich von Geburt an als eine Riesin bezeichnet habe, rang mit der Verzweiflung! Mein Herz, das Schlachtfeld, wurde von der eisernen Ferse des einen verwundet, von den Tränen der anderen getränkt. Der mir verhasste Tag dämmerte heran; ich zog mich in mein Quartier zurück – ich warf mich auf eine Liege – ich schlief – war es Schlaf? –, denn meine Gedanken waren noch wach – Liebe und Verzweiflung kämpften noch immer, und ich krümmte mich unter unerträglicher Pein.

      Ich erwachte halb betäubt; ich fühlte eine schwere Last auf mir, wusste aber nicht woher; ich trat gewissermaßen in das Kabinett meines Geistes ein und befragte die verschiedenen Minister, die darin versammelt waren. Nur zu bald erinnerte ich mich an alles, nur zu bald zitterten meine Glieder unter der Marter, nur zu bald erkannte ich, dass ich ein Sklave war!

      Plötzlich betrat Lord Raymond unangekündigt meine Unterkunft. Er kam fröhlich herein und sang das Tiroler Freiheitslied, bedachte mich mit einem gnädigen Nicken und warf sich auf ein Sofa gegenüber der Kopie einer Büste des Apollo von Belvedere. Nach einer oder zwei trivialen Bemerkungen, auf die ich mürrisch antwortete, rief er plötzlich, indem er die Büste betrachtete, aus:

      »Ich werde nach diesem Sieger benannt! Kein übler Gedanke; der Kopf soll auf meinen neu geprägten Münzen prangen und allen pflichtbewussten Untertanen ein Wahrzeichen meines zukünftigen Erfolges sein.«

      Er sagte das auf seine heitere, aber wohlwollende Art, und lächelte nicht verächtlich, sondern in spielerischem Spott über sich selbst. Dann verdüsterte sich sein Antlitz jäh, und er rief in jenem ihm eigenen schrillen Ton: »Ich habe gestern Abend eine gute Schlacht geschlagen; eine größere Eroberung sah mich Griechenland nie erzielen. Jetzt bin ich der erste Mann in diesem Staat, Teil jeder Ballade und Gegenstand der gemurmelten Andachten alter Weiber. Was sind Ihre Gedanken dazu? Sie, der Sie sich vorstellen, dass Sie die menschliche Seele lesen können, wie Ihr heimatlicher See jeden Felsspalt und jede Vertiefung der ihn umgebenden Hügel widerspiegelt – sagen Sie, was Sie von mir denken: Königsanwärter, Engel oder Teufel, was davon bin ich?«

      Dieser ironische Ton erhitzte mein berstendes, überkochendes Herz über die Maßen; ich war von seiner Unverschämtheit überwältigt und antwortete mit Bitterkeit: »Es gibt einen Geist, der weder Engel noch Teufel ist, sondern nur auf ewig zum Limbus verdammt ist.« Ich sah seine Wangen erblassen und seine Lippen beben. Sein Zorn diente jedoch nur dazu, meinen zu entflammen, und ich antwortete mit einem entschlossenen Blick in seine Augen, die mich anfunkelten. Plötzlich wurden sie abgewandt, niedergeschlagen, eine Träne, dachte ich, benetzte die dunklen Wimpern. Ich wurde milder und fügte mit unwillkürlichem Mitleid hinzu: »Nicht, dass Sie ein solcher wären, mein lieber Lord.«

      Ich hielt inne, selbst von der Bewegung betroffen, die er zeigte.

      »Ja«, sagte er endlich, erhob sich und biss sich auf die Lippen, als er sich bemühte, seine Leidenschaft zu zügeln; »Sie kennen mich nicht, Verney; weder Sie noch unser Publikum von letzter Nacht noch ganz England wissen etwas von mir. Ich stehe hier als ein, wie es scheint, auserwählter König, diese Hand ist im Begriff, ein Zepter zu ergreifen, diese Stirn fühlt in jedem Nerv die sie bald drückende Krone. Ich wirke, als verfügte ich über Stärke, Macht und Sieg, und stände so fest wie ein Kuppelpfeiler, und ich bin – ein Schilfrohr! Ich habe Ehrgeiz und erreiche damit mein Ziel, meine nächtlichen Träume werden wahr, meine wachenden Hoffnungen erfüllt, ein Königreich erwartet mich, meine Feinde werden gestürzt. Doch hier«, und er schlug sich auf die Brust, »hier sitzt der Aufrührer, das ist der Stolperstein, dieses beherrschende Herz, das ich seines heißen Blutes berauben will; doch solange noch ein flatterndes Pulsieren bestehen bleibt, bin ich sein Sklave.«

      Er sprach mit gebrochener Stimme, dann senkte er den Kopf und weinte, während er sein Gesicht mit seinen Händen bedeckte. Meine eigene Enttäuschung schmerzte mich noch immer; doch diese Szene versetzte mir einen außerordentlichen Schrecken, auch konnte ich seinen leidenschaftlichen Ausbruch nicht unterbrechen. Dieser ließ nach einer Weile nach, und er lag, nachdem er sich auf das Sofa geworfen hatte, stumm und bis auf sein Mienenspiel, das auf einen starken inneren Konflikt hindeutete, regungslos da. Endlich erhob er sich und sagte in seinem üblichen Tonfall: »Die Zeit drängt, Verney, ich muss fort. Lassen Sie mich meinen größten Auftrag hier nicht vergessen. Wollen Sie mich morgen nach Windsor begleiten? Sie werden durch meine Gesellschaft nicht entehrt sein, und da dies wahrscheinlich der letzte Dienst ist, den Sie mir leisten können, werden Sie meine Bitte erfüllen?«

      Er streckte seine Hand mit einer beinahe schüchternen Geste aus. Rasch dachte ich – ja, ich will die letzte Szene des Dramas erleben. Nebenbei ließ ich mich von seiner Miene erweichen, und ein liebevolles Gefühl ihm gegenüber erfüllte wieder mein Herz – ich bat ihn, über mich zu verfügen.

      »Gut, das werde ich«, sagte er fröhlich, »das ist jetzt mein Stichwort; seien Sie morgen um sieben bei mir; seien Sie diskret und treu; und Sie sollen bald mein Vertrauter bei Hofe sein.«

      So sprach er, eilte davon, sprang auf sein Pferd und sagte, mit einer Geste, als ob er erwartete, dass ich seine Hand küsste, ein weiteres Mal lachend Adieu. Mir selbst überlassen, bemühte ich mich unter quälender Anspannung, das Motiv seiner Bitte zu erahnen und die Ereignisse des kommenden Tages vorauszusehen. Die Stunden vergingen unbemerkt; mein

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