Der arme Jack. Фредерик Марриет
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Читать онлайн книгу Der arme Jack - Фредерик Марриет страница 17
„Gut, Ben, ich will Euch nicht bitten, mir’s zu erzählen, wenn es Euch Schmerz macht. Aber Ihr habt doch nichts Unrechtes gethan?“
„Wie hätte ich als ein zweijähriger Knabe etwas Unrechtes thun können, da ich noch obendrein zu jener Zeit fünftausend Meilen von meinen Eltern entfernt war, Du kleiner Narr? Nun, ich weiss nicht, Jack, ob ich Dir’s nicht dennoch erzählen soll, weil Du dann finden wirst, was für ein Trost im Bibellesen ist — aber Du musst mir versprechen, nie davon zu reden. Ich glaube, ich bin ein einfältiger, alter Kerl, wenn ich Dir die Geschichte mitteile, Jack, aber ich habe Dich lieb, Knabe, und möchte Dir nichts abschlagen. So lege Dich denn neben mir vor Anker. Die Glocken werden zwar zum Mittagessen angezogen und ich verliere meine Mahlzeit; aber Du sollst eine Geschichte haben, und wir brauchen dann keine Unterbrechung zu fürchten.
„Mein Vater wurde für die See erzogen, Jack, und war bis in sein dreissigstes Lebensjahr ein schmucker junger Mann; dann machte ihn aber ein Sturz von der grossen Raa für den schweren Dienst im Takelwerk unfähig. Freilich, da er nur für die See erzogen war, so passte er nicht ans Land, und weil er ein reinlicher, ordentlicher Bursche war, so erhielt er die Stelle eines Zahlmeister-Stewards auf einem Indienfahrer. Später diente er als Kapitän-Steward an Bord mehrerer Schiffe. Er war ursprünglich von Yarmouth ausgesegelt, und als er von einer Reise nach Hause kam, um seine Verwandten zu besuchen, traf er mit meiner Mutter zusammen, mit der er sich splissen liess. Er liebte sein Weib sehr, und ich glaube, sie ihn auch, da sie eine treue und gute Frau war. Er war wieder zur See, als ich geboren wurde. Seine Reise führte ihn abermals nach Indien, und als er zurückkam, war ich zwei Jahre alt. Ich kann mich weder seiner, noch meiner Mutter erinnern. Er nahm aufs neue den Posten eines Kapitän-Stewards auf einem Westindienfahrer an, und der Kapitän, mit dem er schon früher gesegelt war, liess sich’s gefallen, dass er sein Weib mit sich nahm, um eine Bedienung für die weiblichen Passagiere zu haben. So blieb ich zu Yarmouth bei einer Kindswärterin, bis sie wieder zurückkämen — aber dies ist nie geschehen, Jack, und meine ersten Erinnerungen führen mich auf das Werkhaus zurück. Als ich alt genug war, wurde ich auf die See geschickt. Man hatte mir gesagt, mein Vater und meine Mutter seien auf dem Meere umgekommen, aber niemand konnte mir sagen, in welcher Weise — ich dachte daher wenig mehr daran, denn ich hatte sie nicht gekannt, und wen man nicht kennt, um den kümmert man sich nicht, und wenn es sogar Vater oder Mutter wäre.
„Gut, ich machte in den Walfischfahrzeugen vier oder fünf Reisen nach dem Norden und war nun ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt, als ich meinte, ich müsse doch auch wieder nach Yarmouth zurückgehen und mich zeigen; denn trotz meiner Jugend war ich doch Harpunier und Steuermann — Stellen, auf die ich mir nicht wenig einbildete. Ich dachte, ich wolle hingehen und nach dem alten Werkhaus sehen, denn es war das einzige Ding, dessen ich mich erinnern konnte, und wollte sehen, ob der Meister und die Meisterin noch am Leben wären, denn sie hatten sich, als ich in der Anstalt war, sehr freundlich gegen mich benommen. Wie gesagt also, ich ging nach Yarmouth — da war das Werkhaus, und der Meister und die Meisterin lebten beide noch in guter Gesundheit. Ich gab mich ihnen zu erkennen, und die alten Leute, die mich durch ihre Brillen ansahen, konnten gar nicht glauben, dass ich der kleine Ben sei, der für sie das Wasser zu pumpen pflegte. Ich hatte Geld in der Tasche und liebte die alten Leute, die mir alles anboten, was sie mir geben konnten, ohne auf Wiederersatz zu zählen, und da ich nichts Besseres zu thun wusste, so wohnte ich bei ihnen und bezahlte sie schön. Dem alten Manne gab ich einige Raritäten, der alten Frau einen Theetopf und dergleichen und blieb bei ihnen, bis es wieder Zeit war zum ausfahren. Nun siehst Du, Jack, unter den alten Leuten im Werkhaus war ein Mann, der gleichfalls zur See gedient hatte; mit dem unterhielt ich mich oft lange und gab ihm Tabak, den er nicht kaufen durfte, weil man nichts der Art im Werkhaus erlaubte, was eine schwere Drangsalierung ist. Ich habe deshalb oft gedacht, dass ich in kein Werkhaus gehen möchte, weil man dort kein Röllchen Tabak haben kann. Das Haar dieses Mannes war so weiss wie Schnee, vielleicht zu weiss für seine Jahre, denn er war wohl mehr hinfällig und abgelebt, als alt. In einem Zustande nach dem Kirchspiele zurückgekehrt, dass er seinen Unterhalt nicht erwerben konnte, hatte man ihn nach dem Werkhause geschickt. Ich kann nicht begreifen, warum man einen solchen Platz ein Werkhaus nennt, in dem man gar nichts thut. — Gut! Charley, wie man ihn nannte, wurde sehr krank; es hatte den Anschein, als ob es nicht mehr lange mit ihm dauern würde. Wenn daher der Hausmeister und die Hausmeisterin gerade zu thun hatten, so pflegte ich mich mit ihm zu unterhalten. Er war meistens sehr ruhig und gefasst; auch sagte er, er befinde sich leidlich, obschon er wisse, dass es mit ihm schnell dem Ende zugehe.
„‚Doch hier ist mein Trost‘, sagte er, indem er auf die Bibel deutete, die er auf seinen Knieen liegen hatte. ‚Wäre dieses Buch nicht‘, fuhr er fort, ‚so würde ich zu Zeiten glauben, ich müsse mir selbst den Garaus machen‘.
„‚Ei‘, sagte ich, ‚was habt Ihr denn gethan? Seid Ihr denn so gar gottlos gewesen?‘
„‚Wir sind alle sehr gottlos‘, erwiderte er; ‚aber das ist’s nicht gerade — ich bin so viele Jahre umspukt worden, dass ich fast ein Narr wurde.‘
„‚Nun‘, sagte ich, ‚was könnt Ihr denn gethan haben, dass Euch ein Spuk verfolgte? — Ihr habt doch nicht einen Mord begangen?‘
„‚Ach, ich weiss nicht, was ich sagen soll‘, versetzte er. ‚Wenn ein Mensch zusieht und einen Mord nicht verhindert, ist es nicht das gleiche? Ich habe nicht mehr lange zu leben und es ist mir, als ob ich glücklicher sein könnte, wenn ich mein Gewissen erleichtere, denn ich habe das Geheimnis lange Zeit mit mir herumgetragen. Ich denke, dass Ihr, der Ihr ein Matrose seid und wisst, was Matrosen zu erdulden haben, ein Mitgefühl habt und mir vielleicht sagt (denn ich bin etwas unruhig darüber), ob Ihr glaubt, dass mich bei der Sache ein grosser Vorwurf trifft. Ach, ich habe seit dieser Reihe von Jahren genug gelitten und hoffe, es wird nicht vergessen bleiben, wenn ich vor den Richterstuhl gerufen werde — was zuverlässig mit uns allen statthaben muss, falls die Worte dieses Buches, in das ich ein festes Vertrauen setze, wahr sind.‘“
„Er schien sehr angegriffen zu sein, nahm einen Trunk Wasser und fuhr dann folgendermassen fort:
„‚Vor dreiundzwanzig Jahren war ich Matrose an Bord des Westindienfahrers ‚Wilhelm und Karolina‘, der für Jamaika bestimmt war. Wir hatten zwei oder drei weibliche Passagiere auf dem Schiffe und die Frau des Stewards besorgte ihre Bedienung. Sie war eine schöne junge Frau, und als sie mit ihrem Gatten an Bord kam, sagte sie zu mir, sie hätten ein einziges Kind, das sie zu Hause gelassen hätten. Nun seht Ihr, Yarmouth ist mein Geburtsort, und obgleich ich den Mann nicht kannte, war mir doch ihre Familie nicht fremd. Wir wurden daher sehr vertraut, unterhielten uns über unsere Freunde und so weiter. Ich erwähne dies der späteren Vorgänge halber. Wir kamen wohlbehalten zu Jamaika an und blieben wie gewöhnlich einige Zeit vor der Insel, ehe die Drogers ihr Kargo herumbrachten und uns in den Stand setzten, wieder nach England zurückzufahren.
„‚Nun, wir kriegten die Inseln klar und kamen gut gegen Norden, wo uns eine schreckliche Bö überfiel und unsere Masten zerbrach. Drei Wochen rollten wir mit untergetauchtem Schanddecke umher, denn wir führten eine sehr schwere Ladung und hatten unsere Gissung verloren. Endlich machten wir die Entdeckung, dass wir zu den Riffen im Süden der Bahama-Inseln hinunter geblasen worden waren. Einmal hatten wir Notmasten aufgerichtet, sie aber nnglücklicherweise durch den Sturm wieder verloren; wir konnten daher nichts thun, denn wir hatten keine kleinen Spieren oder Segel mehr, und unsere Hoffnung beschränkte sich nur auf ein Zusammentreffen mit irgend einem Schiffe, das uns Beistand leisten konnte.
„‚Dies Glück wurde uns übrigens nicht, und eines Morgens, als die See eben sehr hoch ging, entdeckten wir, dass wir gegen eine Felsenreihe hinunter getragen wurden, die kein Entkommen in Aussicht stellte. Wir konnten jetzt nichts weiter thun, als die Boote aussetzen und in denselben unser Glück versuchen. Der Kapitän war sehr ruhig und gefasst; er liess alles Erforderliche hineinschaffen, rief die Mannschaft