Die Jugend des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Die Jugend des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

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von Bourbon freute sich aufrichtig über den Verlauf der Unterredung. Als sie in ihrem Zimmer allein waren, umarmte er zuerst seine Frau, dann seinen Sohn. Ihm zeigte er aus dem Fenster ein kleines Pferd, das vorübergeführt wurde. „Es ist deins. Du darfst es gleich reiten.“ Schon sprang Henri fort. Die kleine Schwester folgte ihm, um ihn zu bewundern.

      Jeanne bekam jetzt ein ganz anderes Gesicht als das entzückte, das sie der Medici gezeigt hatte. Ihr Gatte bemerkte es in seiner großen Zufriedenheit noch nicht. Indessen sah sie ihn an wie zerstreut und sagte:

      „Wie heißt doch nur die Frau, mit der du jetzt meistens gesehen wirst? Die dich auf deinem Feldzug begleitet hat und wahrscheinlich auch hierher?“

      „Dir wird so vieles zugetragen.“ Er lächelte sogar noch selbstzufrieden, das ertrug sie nur mit Mühe.

      „Hast du denn alles vergessen?“ fragte sie plötzlich mit voller, tiefer Stimme. Jeanne überraschte in gewissen Augenblicken mit einer Stimme wie eine Orgel, zu groß, zu klingend für diese schwache Brust. Ihr Gatte hörte sie und war ergriffen, sogleich erinnerte er sich an alles, woran sie wollte, daß er gedenke. Es bedurfte keiner Worte mehr. Sie hatten einander viel und lange geliebt.

      Er hatte sie bekommen, nachdem Jeanne ganz allein darum gekämpft hatte, keinem anderen zu gehören. Bevor sie ihn kannte, war sie mit Gewalt verheiratet worden, man trug sie in die Kirche, sie behauptete, nicht gehen zu können; ihr Kleid wog wirklich zu schwer vom vielen Edelgestein. Aber das größere Gewicht hatte ihr Wille, obwohl sie damals noch ein Kind war. Sie verheirateten sie mit Gewalt — gleichviel, der Tag erschien, wenn auch nach Jahren, und Jeanne wurde glücklich mit ihm, durch den sie es sein wollte. Die Reihe der blühenden Tage lief ab, auch kam das frühe Verblühn, ihr eigenes und das ihres Glücks. Jetzt war nichts übrig als nur ihr Sohn, aber das hieß mehr, als sie je vorher besessen hatte. Wollte Antoine dies nur begreifen! Sie hatten den Sohn!

      Die Ergriffenheit des Mannes durch ihre Stimme konnte natürlich nicht lange Vorhalten, und seine Erinnerungen an die Zeiten der Leidenschaft wurden von dem Anblick der Armen nicht unterstützt. Er lebte zu sehr von den heute drängenden Aufgaben, einer Belagerung, eines Ränkespiels, einer jungen Frau. Zwar wollte er Jeanne eine halbe Minute, nachdem sie gesagt hatte: „Hast du denn alles vergessen?“ noch umarmen, aber es galt schon nicht mehr der Einigkeit ihrer alten Gefühle, es war nur höflich, daher wies sie ihn zurück.

      Antoine bezeugte ihr dennoch, er wäre mit ihr ungewöhnlich zufrieden und freute sich über ihre Mäßigung. Jeanne erklärte ihm, vor allem hätte sie keine Lust, sich vergiften zu lassen. Sie dächte dabei weniger an sich selbst, als an das Interesse der Religion. „Du hast im Grunde recht getan, lieber Mann, daß du wieder katholisch wurdest und in den Dienst des Königs von Frankreich tratest.“

      „Sie haben mir das spanische Navarra versprochen.“

      „Das werden sie dir nicht geben, denn sie brauchen den König von Spanien gegen uns Protestanten. Deine kleinen Zwecke wirst du nicht erreichen, aber du handelst im Sinne viel Größerer, die du lieber gar nicht mit Namen nennst.“ Sie sagte dies, weil es ihr widerstrebte, ihn mittelmäßig und ohne hohen Ehrgeiz zu wissen.

      Er hörte betroffen zu. Er ersparte ihr seine Antwort aus Verlegenheit, aus Nachsicht; denn er hielt sie geistig nicht mehr für gesund. Jeanne fand ihn nicht mehr würdig, sie zu umarmen, aber Vertrauen sollte bestehen in den Angelegenheiten ihres Hauses. Sie sagte:

      „Es kann gar nicht anders kommen, als daß einstmals über Frankreich ein protestantischer. Fürst herrscht, wir sind die Entschlossensten, weil wir den wahren Glauben haben. Drüben haben sie nur eine alte Frau mit schlechtem bleichem Fleisch, die an nichts glaubt.“

      „Außer an die Astrologie“, bestätigte er, froh, in einem Punkt mit ihr ühereinzustimmen. Er setzte hinzu: „Aber ihre drei Söhne!“

      „Die hat sie spät bekommen, sie war lange unfruchtbar — und sieh dir die drei noch lebenden Jungen an!“ behauptete Jeanne, unbeirrbar. „Der vierte ist schon tot, er starb mit sechzehn Jahren, König war er siebzehn Monate lang. Sein Bruder Karl regiert seither ein paar Monate länger, aber er hat auch Augen wie hundert Jahre alt.“

      „Nach ihm blieben immer noch zwei“, bemerkte er.

      „Ihre Mutter wird sie ebenso sterben lassen. Sie ist eine Frau, die nicht hinblickt, wenn ein Kind in die Tür tritt. Das Königreich besteht für sie nur so lange, wie sie selbst da ist. Hätte sie Religion, sie würde gewiß sein, daß die Hand des Herrn ihren Leib gesegnet hat nicht nur für heut und morgen, sondern auf ewig!“

      Jeanne d’Albret sprach diese starken Worte mit sanfter, fester Stimme. Ihrem Gatten war nicht geheuer, und, er bewunderte sie. Um nur wieder festen Boden zu erreichen, sagte er:

      „Du solltest Madame Catherine daran erinnern, daß der selige König unseren Sohn mit seiner Tochter verlobt hatte.“

      „Daran wird sie mich erinnern“, antwortete Jeanne, „und ich werde bedenken, ob mein Sohn nicht zu gut ist für eine Prinzessin aus diesem niedergehenden Geschlecht.“

      Antoine wurde endlich ungeduldig. „Du bist schwer zufriedenzustellen. Der selige König war kerngesund und ist in einem Turnier gefallen. Die Valois können nichts dafür, daß eine Medici ihre Kinder schlecht erzieht.“

      „Sprich auch gleich von den schamlosen Sitten, die sie mitgebracht hat an diesen Hof!“ verlangte Jeanne.

      Obwohl der Mann einen Auftritt nahen fühlte, konnte er seine Miene nicht beherrschen. Sein ganzer Körper erinnerte sich mit einer unwiderstehlichen Beglückung an die genossene Gunst bei Frauen dieses Hofes; das stand in seinem Gesicht.

      Jeanne, noch soeben fein und überlegt, verlor den Kopf, sie fing an zu wettern und zu predigen. Die katholischen Götzenverehrer liebten, ihr zufolge, nur das Fleisch. Rein und streng waren die von der Religion, und ihre Hände hatten Eisen und Feuer, um auszurotten das Verderbte.

      O Gott, so zeige Dich doch nur!

      Es konnte sein, daß sie im Vorzimmer zu hören gewesen war; jedenfalls wurde die Tür aufgerissen, einige protestantische Herren erschienen darin und verkündeten, der Admiral Coligny sei im Hause, er ersteige die Treppe, er nahe, er sei angelangt. Alle machten Platz, und der protestantische Feldherr trat ein, er legte als Gruß die Hand auf die Brust. Der König von Navarra sogar neigte den Kopf vor diesem alten Mann und damit auch vor der Partei, die er führte. Wenn andere sie nur benutzten ihres Vorteils wegen, dieser hatte die uneigennützige Strenge eines Märtyrers, das stand auf seiner heftigen und traurigen Stirn.

      Jeanne d’Albret umarmte den Admiral. Seiner hatte sie grade noch bedurft, um in der Begeisterung auszuschweifen. Sie rief nach allen ihren Leuten, ihren beiden Pastoren, ihren Kindern. Sie brachte ihren Sohn dem Admiral, der auf den Kopf des Knaben die rechte Hand legte und sie nicht fortnahm, solange der erste der Pastoren redete. Er sprach in Worten, die niemand mißverstehen konnte, vom Reich Gottes, das nahe bevorsteht. Wir kommen dran! Alle hörten es, ob es nun gesagt wurde oder nicht. Sie stießen einander in dem überfüllten Zimmer, jeder wollte nach vorn, schon zugreifen, schon haben, die ganze Macht, den ganzen Reichtum, und dies auch noch zur Ehre Gottes!

      Der zweite der Pastoren stimmte einen Choral an. „O Gott, so zeige dich doch nur!“ Alle sangen dringend und erwartungsvoll, todesmutig und schon ihres Sieges sicher. Denn wo sangen sie so laut, wo behaupteten sie dreist ihre Sache? Im eigenen Hause der Könige von Frankreich! Sie konnten es wagen, sie wagten es!

      Coligny erhob

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