Lange Schatten. Louise Penny
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»Peters praller pinker Pickel platzt.«
Gamache erstarrte.
»Peters praller pinker Pickel platzt.«
Da war es wieder.
Er drehte sich um und sah eine Gestalt mitten auf dem Rasen. Sie war von einer durchsichtigen Nebelschwade umgeben, und unter ihrer Nase glühte ein roter Punkt.
Julia Martin war nach draußen gekommen, um heimlich eine Zigarette zu rauchen. Gamache räusperte sich laut und raschelte mit der Hand durch einen Busch. Sofort fiel der rote Punkt zu Boden und verschwand unter einem zierlichen Fuß.
»Guten Abend«, rief sie heiter, auch wenn Gamache bezweifelte, dass sie wusste, wem sie gegenüberstand.
»Guten Abend, Madame«, sagte Gamache mit einer kleinen Verbeugung, nachdem er zu ihr getreten war. Sie war schlank und trug ein elegantes Abendkleid. Ihre Haare waren frisch frisiert, und sie hatte sich geschminkt und die Nägel lackiert, obwohl sie doch hier in der Wildnis waren. Sie wedelte mit ihrer schlanken Hand vor ihrem Gesicht herum, um den beißenden Zigarettenrauch zu vertreiben.
»Mücken«, sagte sie. »Kriebelmücken. Das Einzige, was einem die Ostküste verleiden kann.«
»Gibt es im Westen keine Kriebelmücken?«, fragte er.
»In Vancouver nicht. Ein paar Pferdebremsen auf dem Golfplatz. Sie können einen allerdings in den Wahnsinn treiben.«
Das konnte sich Gamache gut vorstellen, nachdem er selbst einmal von Pferdebremsen verfolgt worden war.
»Zum Glück hält einem der Zigarettenrauch die Viecher vom Leib«, sagte er mit einem Lächeln. Sie zögerte, dann kicherte sie. Sie war ein umgänglicher Mensch und lachte oft und gerne. Vertraulich berührte sie seinen Arm, obwohl sie keineswegs auf vertrautem Fuße miteinander standen. Aber sie trat einem damit nicht zu nahe, es war reine Gewohnheit. Als er sie in den letzten Tagen beobachtet hatte, hatte er bemerkt, dass sie jeden anfasste. Und jeden anlächelte.
»Sie haben mich ertappt, Monsieur. Beim heimlichen Rauchen. Ist das nicht lächerlich?«
»Hätte Ihre Familie etwas dagegen?«
»In meinem Alter kümmere ich mich schon längst nicht mehr darum, was andere von mir denken.«
»Ist das wahr? Ich wünschte, bei mir wäre das auch so.«
»Na ja, vielleicht kümmert es mich ein bisschen«, gab sie zu. »Ich war länger nicht mehr mit meiner Familie zusammen.« Als sie sich zum Manoir wandte, folgte er ihrem Blick. Drinnen beugte sich Thomas gerade zu seiner Mutter und sagte etwas zu ihr, während Sandra und Mariana zusahen, schweigend und ohne zu bemerken, dass sie beobachtet wurden.
»Als die Einladung eintraf, wollte ich zuerst eigentlich nicht kommen. Dieses Familientreffen findet einmal im Jahr statt, müssen Sie wissen, aber ich habe mich bisher immer davor gedrückt. Es ist so weit von Vancouver.«
Sie konnte die Einladung noch vor sich sehen, wie sie mit der Anschrift nach oben auf dem polierten Parkett in ihrer Eingangshalle lag und aussah, als sei sie aus großer Höhe heruntergefallen. Sie kannte dieses Gefühl. Sie hatte den dicken weißen Umschlag mit der allzu bekannten krakeligen Handschrift angestarrt. Es war ein Willenskampf. Aber sie wusste, wer gewinnen würde. Wer immer gewann.
»Ich will sie nicht enttäuschen«, sagte Julia Martin schließlich leise.
»Das können Sie doch gar nicht.«
Sie wandte sich ihm mit großen Augen zu. »Meinen Sie?«
Er hatte es aus reiner Höflichkeit gesagt. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie die Finneys zueinander standen.
Sie sah, dass er zögerte, und lachte erneut. »Verzeihen Sie mir, Monsieur. Jeden Tag, den ich mit meiner Familie verbringe, regrediere ich um zehn Jahre. Mittlerweile fühle ich mich wie ein linkischer, unsicherer Teenager. Heimlich zum Rauchen in den Garten zu verschwinden! Sie eigentlich auch?«
»Im Garten rauchen? Nein, das mache ich schon seit vielen Jahren nicht mehr. Ich wollte mir nur die Beine vertreten.«
»Passen Sie bloß auf. Wir wollen doch nicht, dass Ihnen etwas zustößt.« Sie schien ein wenig mit ihm zu flirten.
»Ich passe immer auf, Madame Martin«, sagte Gamache, ohne darauf einzugehen. Er vermutete, dass das ihrem normalen Umgangston entsprach und sie eigentlich nichts weiter damit im Sinn hatte. Er hatte sie nun schon seit einigen Tagen beobachtet, und sie redete mit allen so, Männern wie Frauen, Fremden wie Verwandten, Hunden, Eichhörnchen, Kolibris. Kokett, nett.
Aus dem Augenwinkel sah er eine Bewegung. Er hatte den Eindruck, etwas Weißes wäre vorbeigezischt, und einen Moment lang setzte sein Herzschlag aus. War das Marmording zum Leben erwacht? Kam es etwa vom Waldrand auf sie zu? Er drehte sich um und sah auf der Terrasse eine Gestalt im Schatten verschwinden. Im nächsten Moment tauchte sie wieder auf.
»Elliott«, rief Julia Martin, »wie schön. Sie bringen mir sicher meinen Brandy und Bénédictine, oder?«
»Ja, Madame.« Der junge Kellner lächelte, als er das Glas von dem Silbertablett nahm und ihr reichte. Dann wandte er sich an Gamache. »Und für Monsieur? Darf ich Ihnen auch etwas bringen?«
Er sah so jung aus, so unbedarft.
Und doch wusste Gamache, dass der junge Mann an der Ecke des Hauses gestanden und sie beobachtet hatte. Warum?
Dann musste er über sich selbst lachen. Er sah Dinge, die nicht da waren, hörte Worte, die nicht gesprochen wurden. Eigentlich war er ins Manoir Bellechasse gekommen, um genau das abzustellen, er wollte sich entspannen und nicht mehr jeden Flecken auf dem Teppich verdächtig finden und überall Messer blitzen sehen. Nicht mehr die versteckten Gemeinheiten wahrnehmen, die sich im Gewand ganz normaler Worte in ein Gespräch schleichen konnten. Und die Empfindungen, die glatt gestrichen, gefaltet und in etwas anderes verwandelt wurden, wie eine Art Gefühlsorigami. Es sah hübsch aus, aber dahinter verbarg sich oft etwas ganz und gar Abstoßendes.
Es war schlimm genug, dass er sich angewöhnt hatte zu überlegen, ob die älteren Nebendarsteller noch lebten, wenn er einen alten Film sah. Und wie sie gestorben waren. Aber wenn er anfing, bei ganz normalen Passanten auf der Straße den Schädel unter der Haut zu erkennen, war es an der Zeit abzuschalten.
Und doch musterte er jetzt misstrauisch den jungen Kellner Elliot und war nahe daran, ihn des Hinterherspionierens zu bezichtigen.
»Nein, danke. Madame Gamache hat schon für mich im Salon bestellt.«
Julia sah Elliot nach, als er sich zurückzog.
»Ein attraktiver junger Mann«, sagte Gamache.
»Finden Sie?«, fragte sie mit amüsierter Stimme, ohne dass man ihre Miene im Dunkeln erkennen konnte. Dann fuhr sie fort: »Ich habe mich gerade daran erinnert, dass ich einmal einen ähnlichen Job hatte, als ich ungefähr so alt war wie er, allerdings lange nichts so Großartiges wie das Hotel hier. Es war ein Ferienjob in einem Imbiss auf der Main in Montréal. Sie wissen schon, Boulevard Saint-Laurent.«
»Ja,