Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 101
»Ah!« sagte der Sheriff, indem er sich’s in seinem Stuhl bequem machte, »ich sehe, wir hatten die ganze letzte Nacht Südostwind; ich dachte, er würde uns Regen zublasen.«
»Zum Henker, Sir, ‘s ist kein Tropfen gefallen«, entgegnete Benjamin. »Ich glaube, die Lukenrinnen über Deck sind leer; denn in den letzten drei Wochen ist in der Gegend nicht soviel Wasser heruntergekommen, um den Kahn des Indianers John schwimmen zu machen, und der ist doch so leicht, daß er mit einem Zoll Nichts statt Wassers davonfahren könnte.«
»Gut, aber ist der Wind nicht diesen Morgen umgeschlagen? An dem Ort wenigstens, wo ich war, fand ein Wechsel statt.«
»Freilich, Squire, aber habe ich nicht das Umschlagen des Windes bezeichnet?« »Ich sehe nichts, wo? Benjamin – –«
»Ei der Tausend!« fiel der Hausmeister etwas ungeduldig ein, »ist da nicht ein Zeichen gegen Ost und zu Nord-halb-Nord, mit so einer Art Bild wie eine aufgehende Sonne an seinem Ende, um anzuzeigen, daß es in der Morgenwache stattfand?«
»Ja ja, das ist sehr verständlich; aber wo ist denn der Wechsel angedeutet?«
»Wo? Ei, sehen Sie denn nicht hier diesen Teekessel mit einem Strich, der von dem Hahn aus gerade – nu, vielleicht auch ein bißchen krumm – gegen West und zu Süd-halb-Süd läuft? Das ist mein Zeichen für ein Umschlagen des Windes. Nun, sehen Sie diesen Boas, den Sie für mich an der Seite des Kompasses angebracht haben –«
»Ja, ja – den Boreas – ich sehe es. Ihr habt Linien von seinem Munde aus gezogen, die sich von dem einen Eurer Zeichen bis zu dem anderen erstrecken.«
»Das ist nicht meine Schuld, Squire Dickens, sondern die Eures verwünschten Klimas. Der Wind hat heute nach all diesen Marken geblasen, und da ging’s ganz um den Kompaß herum, mit Ausnahme eines kleinen irischen Orkans gegen Mittag, den Sie rechts aufgezeichnet finden werden. Ich habe im Kanal einmal einen Südwester erlebt, der drei Wochen fort blies und von einem so klaren Regen begleitet war, daß Sie hätten Gesicht und Hände damit waschen können, ohne sich die Mühe nehmen zu müssen, Wasser über Bord zu holen.«
»Ganz recht, Benjamin«, entgegnete der Sheriff, indem er das Faktum in das Journal eintrug. »Ich glaube, ich habe deinen Gedanken aufgefaßt. Ah! da ist eine Wolke über der aufgehenden Sonne – ihr hattet wohl am Morgen Nebel?«
»Ja, ja, Sir«, antwortete Benjamin.
»Richtig! es ist Sonntag, und hier sind die Zeichen für die Länge der Predigt, eins, zwei, drei, vier – was? Hat Herr Grant vierzig Minuten gepredigt?«
»So etwas der Art; es war eine gute halbe Stunde nach meinem eigenen Glas, und dann ging Zeit verloren mit dem Umdrehen; auch gab ich ein bißchen zu für die Abtrift, da ich nicht ganz gewiß hierüber war.«
»Benjamin, das wäre so lang, als wenn ein Presbyterianer gepredigt hätte. Ihr könnt doch nicht zehn Minuten gebraucht haben, um das Glas umzudrehen?«
»Je nun, sehen Sie, Scraire, der Pfarrer war sehr feierlich, und ich hatte eben meine Augen geschlossen, um besser über seine Worte nachdenken zu können, wie man ja auch die Nachtlichter mit Schirmen versieht, um alles behaglich zu machen, und als ich sie wieder öffnete, fand ich, daß die Versammlung im Heimgehen begriffen war. Ich schloß also, die zehn Minuten würden die Abtrift decken, nachdem das Glas aus war. Es war nur so etwas wie ein Katzenschlaf.«
»Aha! Meister Benjamin, Ihr seid also eingenickt! Doch ich will einem orthodoxen Geistlichen nicht die Schmach antun, dies niederzuschreiben.«
Richard notierte deshalb neunundzwanzig Minuten in seinem Tagebuch und fuhr sodann fort:
»Was ist denn das, was da neben zehn Uhr vormittags steht? Ein Vollmond! Habt Ihr bei Tag einen Mond gesehen? Es ist mir wohl früher solch ein Ereignis zu Ohren gekommen, doch – eh! was ist das nebenan? ein Stundenglas?«
»Das?« entgegnete Benjamin, indem er kaltblütig über des Sheriffs Schulter sah und mit spaßhafter Gebärde den Tabak im Mund hin und her rollte, »je nun, das ist eine kleine Bemerkung, die mich selber angeht. Es soll nämlich nicht den Mond, sondern Betty Hollisters Gesicht vorstellen, Squire; denn sehen Sie, ich hörte so etwas, als hätte sie eine neue Ladung Jamaikarum flußaufwärts erhalten, und so sprach ich denn diesen Morgen bei ihr vor – zehn Uhr steht also da? Ja, um diese Zeit muß es gewesen sein; denn ich war auf dem Gang nach der Kirche begriffen und versuchte ein Glas. Ich habe es ins Logbuch eingetragen, damit es mir nicht entfalle, es wie ein ehrlicher Mann zu bezahlen.«
»So, das ist’s also?« sagte der Sheriff, etwas unwillig über diese Eintragung in seiner Notiztafel, »und konntet Ihr kein besseres Glas machen als dieses? Es sieht ja aus wie ein Totenkopf mit einem Stundenglas.«
»Ei, da mir der Stoff behagte, Squire«, versetzte der Hausmeister »so kehrte ich auf dem Heimweg wieder ein und nahm noch ein Glas zu mir, welches ich auf dem Boden des ersten ankreidete, und so hat das Ding diese Gestalt erhalten. Ich bin aber heute abend wieder dort gewesen und habe alles drei zugleich bezahlt, weshalb Euer Gnaden wohl mit dem Wischer darüber fahren mag.«
»Für solche Notizen will ich Euch eine eigene Schiefertafel kaufen, Benjamin«, entgegnete der Sheriff, »ich mag im Journal keine derartigen Aufzeichnungen haben.«
»Sie brauchen sich nicht zu bemühen, Squire, Sie brauchen sich nicht zu bemühen; denn da ich mit der Weibsperson wahrscheinlich noch oft in Verkehr treten werde, solange nämlich dieses Fest anhält, so bin ich mit Betty einen Borgvertrag eingegangen; sie macht ihre Zeichen an die Innenseite ihrer Schenkverschlagstür, und ich führe die Kontrolle mit diesem Kerbholz da.«
Bei diesen Worten brachte Benjamin ein Stück Holz zum Vorschein, an dem fünf sehr tiefe Kerben eingeschnitten waren. Der Sheriff blickte einen Moment auf dieses sinnreiche Kontobuch und fuhr dann fort:
»Was haben wir hier? Samstag nachmittag zwei Uhr – ei, das ist ja ein ganzes Familiengelage! Zwei Weingläser auf der Seite!«
»Die bedeuten zwei Frauenzimmer; das eine stellt Miss Lizzy vor, das andere ist des Pfarrers Tochter.«
»Base Elisabeth und Miss Grant?« rief der Sheriff verwundert. »Was haben denn diese mit meinem Tagebuch zu tun?«
»Sie hatten genug zu tun, um dem Rachen des Panthers da zu entrinnen«, sagte der unerschütterliche Hausmeister. »Dieses Ding hier, sehen Sie, Squire, das vielleicht wie eine Ratte aussieht, ist die Bestie, und das andere da, mit aufwärts gekehrtem Kiel, ist der arme alte Brave, der so nobel starb wie ein Admiral der für König und Vaterland ficht; und dies hier ist –«
»Eine Vogelscheuche«, unterbrach ihn Richard.
»Ei, es sieht vielleicht etwas wild aus«, fuhr der Hausmeister fort, »aber nach meinem Urteil, Squire, ist es das beste Bild, das ich je gemacht habe, weil es dem Mann am meisten ähnlich sieht; – es ist Natty Bumppo, welcher den Panther hier erschoß, der den Hund dort tot biß, und wahrscheinlich die jungen Damen da gefressen oder sonst getötet haben würde.«
»Und was zum Teufel soll all dies heißen?« rief Richard ungeduldig.
»Was es heißen soll?« wiederholte Benjamin. »Es ist so wahr wie das Logbuch der Boadishey – –«