Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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»Nichts als des alten Bumppos Büchse, und das ist schon ein Anblick, der den meisten Leuten in den Wäldern die Neugierde vertreiben kann.«
»Wirklich? wirklich?« frohlockte Edwards, in ein konvulsivisches Lachen ausbrechend. »So hat sie also der alte Held zurückgeschlagen! – Schlug er sie wirklich zurück, Sir?«
Der Rechtsgelehrte heftete seine Augen erstaunt auf den Jüngling; als seine Verwunderung den Gedanken Raum gab, die in seinem Geiste gewöhnlich die vorherrschenden waren, versetzte er:
»Ich muß Ihnen sagen, Sir, daß da durchaus kein Grund zum Lachen vorhanden ist. Die vierzig Dollar Schußgeld und Ihr sechsmonatliches Gehalt werden wohl ziemlich zusammenschrumpfen, ehe sich dieser Handel ins reine bringen läßt. Ein Angriff auf eine Magistratsperson, wenn sie in Vollziehung ihrer Pflicht begriffen ist, und eine gleichzeitige Bedrohung des Konstablers mit Feuerwaffen sind gar ernste Handel, die sowohl mit Geldstrafe als mit Gefängnis gebüßt werden.«
»Gefängnis?« wiederholte Oliver. »Lederstrumpf und Gefängnis? Nein, nein, Sir, es würde den alten Mann ins Grab bringen. Nimmermehr wird man den Lederstrumpf einsperren.«
»Nun, Herr Edwards«, entgegnete Lippet, indem er jetzt alle Zurückhaltung fallen ließ, »man hält Sie für einen Gelehrten, aber wenn Sie mir sagen können, wie man eine Jury verhindern kann, in einem solchen Falle, wo der Beweis so sonnenklar ist, das Schuldig auszusprechen, so will ich zugeben, daß Sie mehr von dem Gesetz verstehen als ich, obgleich ich meine licentiam practicandi schon seil drei Jahren in der Tasche trage.«
Inzwischen hatte Edwards’ Vernunft die Oberhand über seine Gefühle gewonnen, und als er die wirklichen Schwierigkeiten des Falles einzusehen begann, lieh er den Worten des Advokaten ein aufmerksameres Ohr. Die nicht unterdrückbare Aufregung, die der Jüngling im ersten Augenblick der Überraschung an den Tag gelegt hatte, war ganz verschwunden, und obgleich er noch immer von dem Gehörten sehr ergriffen zu sein schien, so gelang es ihm doch, mit der größten Achtsamkeit auf den Rat des anderen zu horchen.
Oliver entdeckte ungeachtet seines verwirrten Gemütszustandes bald, daß sich die meisten Entwürfe des Advokaten auf eine List gründeten, deren Ausführung so viel Zeit erforderte, wie weder sein Charakter noch die Umstände zuließen. Er gab jedoch Herrn Lippet zu verstehen, er werde für den Fall, daß die Sache vor Gericht komme, seine Zuflucht zu ihm nehmen – eine Zusicherung, die den Rechtsgelehrten vollkommen zufriedenstellte; so trennten sie sich, indem der eine mit bedächtigen Schritten die Richtung nach einem kleinen Gebäude einschlug, über dessen Tür sich ein hölzernes Schild mit den Worten »Chester Lippet, Rechtsgelehrter« befand, und der andere eiligen Fußes dem Herrenhaus zuging. Wir verlassen vorderhand den Advokaten und wenden die Aufmerksamkeit des Lesers seinem Klienten zu.
Als Edwards in den Hausflur trat, wo die ungeheuren Türen sich dem Durchzug einer milden Abendluft geöffnet hatten, traf er Benjamin, der mit einer seiner häuslichen Verrichtungen beschäftigt war, und fragte ihn rasch, wo der Richter Temple sei.
»Der Richter ist eben mit Meister Doolittle, dem Zimmermann, auf seine Amtsstube gegangen, aber Miss Lizzy ist dort im Wohnzimmer. Ich sage Ihnen, Herr Oliver, das hätte einen schlimmen Handel mit den Panthern absetzen können. Ich sagte es letzten Winter oft, daß eine solche Bestie in den Bergen sein müßte; denn ich hörte sie eines Herbstabends, als ich im Nachen nach dem Fischergrund hinunterfuhr, am Seeufer heulen. Wäre das Tier in das offene Wasser herausgekommen, wo man sehen kann, wie und wo man mit seinem Fahrzeug arbeitet, so hätte ich wohl mit ihm angebunden; aber so unter den Bäumen aufwärts zu sehen, das kommt mir gerade vor, als wenn man auf dem Deck eines Schiffes steht und nach dem Mars eines andern Fahrzeugs schaut. Man kann da kein Tau von dem andern unterscheiden – –«
»Schon gut«, fiel ihm Edwards ins Wort. »Ich muß Miss Temple sehen.«
»Das sollen Sie, Sir«, versetzte der Hausmeister, »sie ist in diesem Zimmer. Barmherziger Himmel, Herr Edwards, welch ein Verlust wäre dies für den Richter gewesen! Der Teufel soll mich holen, wenn ich weiß, wo er eine andere solche Tochter hätte hernehmen wollen, – ich meine nämlich eine erwachsene. Ich sage Ihnen, Sir, dieser Meister Bumppo ist ein Ehrenmann und scheint trefflich mit Feuerwaffen und Bootshaken umspringen zu können. Ich bin sein Freund, Herr Oliver, und will mich gegen ihn und Sie als einen solchen erweisen.«
»Wir bedürfen vielleicht Eurer Freundschaft, braver Mann«, rief Edwards, indem er heftig seine Hände drückte. »Wir bedürfen vielleicht Eurer Freundschaft, und in diesem Falle werden wir sicher auf Euch Bedacht nehmen.«
Ohne die aufrichtige Entgegnung, die Benjamin hervorbringen wollte, abzuwarten, entwand der Jüngling seine Hand dem kräftigen Druck des Hausmeisters und trat in das Zimmer.
Elisabeth war allein und saß noch immer auf demselben Sofa zurückgelehnt, wo wir sie zuletzt gesehen haben. Eine Hand, die an Gestalt und Farbe alles übertraf, was künstlerisches Genie zuwegebringen könnte, verhüllte ihre Augen; und das junge Mädchen schien in tiefe Betrachtung versunken. Betroffen von der Haltung und Liebenswürdigkeit der Gestalt, auf die sein Blick jetzt fiel, zügelte der junge Mann seine Ungeduld, so daß er mir leise und achtungsvoll näher trat.
»Miss Temple – Miss Temple«, begann er, »ich hoffe, daß ich nicht störe; aber ich muß Sie sprechen, wäre es auch nur auf einen Augenblick.«
Elisabeth erhob ihr Antlitz und ließ ihre schwarzen, in Tränen schwimmenden Augen gewahr werden.
»Ah, sind Sie’s, Edwards?« versetzte sie mit einer Anmut in ihrer Stimme und einer Weichheit in ihren Mienen, die ihr im Umgang mit ihrem Vater oft eigen waren, die aber dem jungen Mann als etwas ganz Neues durch alle Nerven fuhren. »Wie haben Sie unsere arme Luise verlassen?«
»Glücklich und von Dank erfüllt, in den Armen ihres Vaters«, entgegnete Oliver. »Ich habe nie einen so schönen Gefühlsausbruch gesehen als den, welchen sie an den Tag legte, während ich es wagte, ihr meine Freude über ihr glückliches Entkommen auszudrücken. Miss Temple, als ich zuerst Ihre schreckliche Lage schildern hörte, waren meine Empfindungen zu gewaltig, um sich aussprechen zu lassen, und ich fand erst wieder Worte, nachdem mir der Spaziergang zu Herrn Grants Wohnung Zeit gelassen hatte, mich zu sammeln. Ich glaube – ich glaube, ich habe mich dort besser benommen; denn sogar Miss Grant weinte, als ich ihr meine Teilnahme ausdrückte.«
Elisabeth, schwieg einen Augenblick und bedeckte abermals die Augen mit ihrer Hand. Diese Erregung war jedoch nur vorübergehend; sie erhob ihr Antlitz aufs neue und fuhr lächelnd fort:
»Ihr Freund Lederstrumpf ist nun auch der meinige geworden, Edwards, und ich dachte eben daran, wie ich ihm am besten einen Dienst leisten könnte. Vielleicht sind Sie, der Sie so gut mit seinen Gewohnheiten und Bedürfnissen bekannt sind, imstande, mir zu sagen – –«
»Oh, gewiß –« rief der Jüngling mit einem Ungestüm, über den die Dame erschrak – »gewiß bin ich’s imstande, und Gott möge Ihren guten Willen belohnen! Natty ist so unklug gewesen, das Gesetz zu vergessen, und hat heute einen Hirsch getötet; ich glaube sogar, daß ich an der Straftat mitschuldig bin, da ich bei dem ganzen Vorgang teilgenommen habe. Bei Ihrem Vater ist eine Klage vorgebracht worden, und er hat eine Vollmacht zur Haussuchung –«
»Ich weiß alles«, unterbrach ihn Elisabeth, »ich weiß alles. Der gesetzlichen Form mußte Genüge geschehen. Die Durchsuchung des Hauses war notwendig, um den Hirsch auffinden und die Strafe erkennen zu können. Aber ich muß Ihnen eine frühere Frage zurückgeben.