Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 116
Mohegan saß auf dem Stamm einer gefallenen Eiche, das lohfarbene Gesicht der Jungfrau zugekehrt und die Augen mit einer wilden Glut auf ihr Antlitz geheftet, die ein weniger entschlossenes Frauenzimmer entsetzt haben müßte. Die Decke war von seinen Schultern gefallen und lag in Falten um ihn her, so daß Brust, Arme und sein ganzer Oberkörper bloß waren. Washingtons Medaille hing an seinem Halse, ein Merkmal der Auszeichnung, das er, wie Elisabeth wohl wußte, nur bei besonders wichtigen und feierlichen Anlässen zur Schau trug. Das ganze Äußere des betagten Häuptlings war jedoch gekünstelter als gewöhnlich und teilweise wirklich schrecklich. Das lange schwarze Haar war geflochten und zurückgeschlagen, so daß sich die hohe Stirn frei über den durchbohrenden Augen entfaltete. In den ungeheuren Schlitzen seiner Ohren staken, der indianischen Sitte gemäß, rohe Verzierungen von Silber, Perlen und Igelstacheln. Ein großes Büschel aus ähnlichem Material hing von seinem Nasenknorpel auf die Lippen herab und ruhte auf seinem Kinn. Rote Striche liefen quer über seine runzlige Stirn, während eine ähnliche Malerei mit Abänderungen, wie sie die Laune oder das Herkommen eingeben mochte, seine Wangen bedeckte. Ein Gleiches war auch mit seinem Körper der Fall, und das Ganze zeigte einen indianischen Krieger, der sich zu einem Ereignis von mehr als gewöhnlicher Wichtigkeit vorbereitet hat
»John! würdiger John! Wie geht es Euch?« begann Elisabeth, als sie näher trat. »Ihr seid in dem Dorf recht fremd geworden. Ihr habt mir einen Weidenkorb versprochen, für den ich Euch schon seit langer Zeit ein Kattunhemd bereit halte.«
Der Indianer sah das Mädchen eine Weile starr an, ohne zu antworten, dann schüttelte er den Kopf und erwiderte in tiefen Kehllauten: »Johns Hand kann keine Körbe mehr machen; er braucht kein Hemd.«
»Wenn er’s aber braucht, so weiß er, wo eines zu finden ist«, versetzte Miss Temple. »In der Tat, alter John, es ist mir, als hättet Ihr ein natürliches Recht, von uns zu fordern, was Ihr nur immer wünscht.«
»Tochter«, entgegnete der Indianer, »höre mich: Sechsmal zehn heiße Sommer sind vorübergegangen, seit John jung war – schlank wie eine Fichte, gerade wie Hawk-eyes Kugel, stark wie ein Büffel und schnell wie die Pantherkatze. Er war stark und ein Krieger wie der junge Adler. Wenn sein Stamm mehrere Sonnen die Fährte der Maquas verfolgte, so fand Chingachgooks Auge den Eindruck ihrer Mokassins. Wenn das Volk ein Fest feierte und sich freute bei dem Zählen der Skalpe seiner Feinde, so hingen sie an dem Gürtel der Großen Schlange. Wenn die Weiber weinten, weil kein Fleisch da war für ihre Kinder, so war er der erste auf der Jagd, seine Kugel war schneller als der Hirsch. – Tochter, damals schlug Chingachgook seinen Tomahawk in die Bäume, um den Trägen anzudeuten, wo sie ihn und die Mingos finden konnten – aber er machte keine Körbe.«
»Jene Zeiten sind vorbei, alter Krieger«, entgegnete Elisabeth. »Euer Volk ist seitdem verschwunden, und statt Eure Feinde zu jagen, habt Ihr gelernt, Gott zu fürchten und in Frieden zu leben.«
»Tritt hierher, Tochter, wo du den großen Quell, die Wigwams deines Vaters und das Land an dem gekrümmten Fluß sehen kannst. John war jung, als sein Stamm die Strecke von dort an, wo der blaue Berg über dem Wasser steht, bis dahin, wo sich der Susquehanna unter den Bäumen verbirgt, in der Beratung wegschenkte. Dieses alles – samt allem, was darauf wächst, was darüber geht und was sich darauf nährt, gaben sie dem Feueresser; – denn sie liebten ihn. Er war stark, und sie waren Weiber; er half ihnen. Kein Delaware schoß einen Hirsch, der in seinen Wäldern lief, oder fing einen Vogel, der über sein Land flog; denn sie gehörten ihm. Hat John im Frieden gelebt? Tochter, seit John jung war, hat er den weißen Mann von Frontenac herabkommen sehen bis nach Albany, um mit seinen weißen Brüdern zu kämpfen. War das Gottesfurcht? Er hat gesehen, wie seine englischen und amerikanischen Väter um dieses Landes willen die Tomahawks gegenseitig in ihren Gehirnen begruben. Heißt das Gott fürchten und in Frieden leben? Er hat gesehen, wie das Land dem Feueresser und seinen Kindern und dem Kinde seines Kindes entrissen und ein neuer Häuptling über das Land gesetzt wurde. Lebten sie, die das taten, in Frieden? Haben sie Gott gefürchtet?«
»Das ist so Brauch bei den Weißen, John. Kämpfen die Delawaren nicht auch, und tauschen sie nicht ihr Land aus für Pulver, Decken und andere Waren?«
Der Indianer wendete aufs neue seine dunkeln Augen auf seine Gefährtin und ließ sie so spähend auf ihr haften, daß sie sich etwas beunruhigt fühlte.
»Wo sind die Decken und Waren, welche das Recht des Feueressers abkauften?« versetzte er mit wärmerem Ton. »Sind sie bei ihm in seinem Wigwam? Hat man zu ihm gesagt: ›Bruder, verkaufe uns dein Land und nimm dieses Gold, dieses Silber, diese Decken, diese Büchsen oder etwa diesen Rum?‹ Nein! Sie entrissen es ihm, wie man einem Feind den Skalp entreißt, und sie taten es, ohne hinter sich zu sehen, ob er lebte oder starb. Leben solche Menschen in Frieden und fürchten sie den Großen Geist?«
»Ihr versteht die Verhältnisse nicht«, erwiderte Elisabeth, verlegener, als sie sogar sich selbst zugestehen mochte. »Wenn Ihr unsere Gesetze und Gebräuche besser kenntet, so würdet Ihr ganz anders von unsern Handlungen urteilen. Glaubt nichts Schlimmes von meinem Vater, Mohegan; denn er ist gerecht und gut.«
»Der Bruder von Miquon ist gut und will das Rechte. Ich habe es Hawk-eye gesagt, ich habe es dem jungen Adler gesagt, daß der Bruder von Miquon Gerechtigkeit üben wird.«
»Wen nennt Ihr den jungen Adler?« versetzte Elisabeth, ihr Antlitz von dem Gesicht des Indianers abwendend, als sie diese Frage stellte. »Woher kommt er, und worauf gründen sich seine Rechte?«
»Hat meine Tochter so lange mit ihm unter einem Dache gelebt, um dies zu fragen?« entgegnete der Indianer behutsam. »Das Alter macht das Blut erstarren, wie die Winterfröste die große Quelle bedecken; aber die Jugend erhält die Ströme des Bluts offen wie die Sonne zur Zeit der Blüten. Der junge Adler hat Augen: hatte er keine Zunge?«
Die Hindeutung des alten Kriegers auf die Liebenswürdigkeit des Jünglings verlor nichts von ihrem Nachdruck durch diese bildliche Sprache: denn die Jungfrau bedeckte das brennende Rot ihrer Wangen mit den Händen, bis ihre dunklen Augen diese Glut widerzustrahlen schienen; aber nach einem kurzen Kampf mit der Scham lächelte sie, als sei sie nicht geneigt, seinen Worten eine ernste Bedeutung unterzulegen, und erwiderte scherzend:
»Wenigstens nicht, um mich zur Herrin seiner Geheimnisse zu machen. Er ist zu sehr Delaware, um seine innersten Gedanken einem Weibe anzuvertrauen.«
»Tochter, der Große Geist machte deinen Vater mit einer weißen Haut und mich mit einer roten, aber in unser beider Herzen hat er Blut gegossen: es floß schnell und warm, als es jung war, aber jetzt im Alter ist es träge und kalt. Gibt es außer der Haut noch eine Verschiedenheit? Nein. Einst hatte John ein Weib. Sie war die Mutter von soviel Söhnen« – er hob dabei drei Finger seiner Hand in die Höhe – »und sie hatte Töchter, welche die jungen Delawaren glücklich gemacht haben würden. Sie war sanft, Tochter, und was ich ihr sagte, das tat sie. Ihr habt andere Gebräuche; aber glaubst du wohl, daß John das Weib seiner Jugend – die Mutter seiner Kinder nicht liebte?«
»Und was ist aus Eurer Familie, Eurem Weib und Euren Kindern geworden, John?« fragte Elisabeth, tief ergriffen von den Worten