Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 111
Miss Temple erwiderte nichts, sondern drückte nur die Hand, welche die Brieftasche hielt, an ihre Brust, nahm sodann ihre Freundin beim Arm und ging mit ihr aus dem Tor auf die Hauptstraße des Dorfes.
Als sie ihren Gang schweigend an der Häuserreihe, wo das abendliche Dunkel bereits ihre Gestalten verbarg, fortsetzten, hörten sie keinen weiteren Laut als den langsamen Tritt eines Jochs Ochsen nebst dem Rasseln eines Karrens, der sich in gleicher Richtung mit ihnen die Straße entlang bewegte. Die Umrisse des Treibers, der verdrossen an der Seite seines Viehs hinschlenderte, als sei er von der Arbeit des Tages ermüdet, ließen sich in den Schatten der Nacht kaum noch unterscheiden. An der Ecke, wo das Gefängnis stand, wurden die Damen für einen Augenblick durch die Ochsen aufgehalten, die nach der Seite des Gebäudes einbogen und ein Bund Heu, das sie geduldig an ihrem Halse trugen, als Belohnung für ihre Mühe erhielten. All dies war so natürlich und gewöhnlich, daß es Elisabeth nicht einfiel, einen zweiten Blick auf das Gespann zu werfen, bis sie den Treiber leise mit seinem Vieh sprechen hörte:
»Gib acht, Schecke; gib acht, Alter, – willst du?«
Wer in einem neuen Lande wohnt, ist mit der Sprache, die man gegen Ochsen braucht, zu bekannt, um eine solche Anrede nicht befremdend zu finden; aber es lag auch etwas in der Stimme, was Miss Temple auffiel. Als sie um die Ecke bog, mußte sie sich notwendig dem Mann nähern, und ihr scharfes Auge Heß sie in demselben Oliver Edwards unter der groben Hülle eines Ochsentreibers erkennen. Ihre Blicke begegneten sich in demselben Moment auch war ungeachtet der Dunkelheit und Elisabeths Mantel die Erkennung wechselseitig.
»Miss Temple« – »Herr Edwards«, lautete es gleichzeitig, obgleich ein Gefühl, das beide zu teilen schienen, die Worte fast unhörbar machte.
»Ist’s möglich«, rief Edwards nach einem Augenblick des Zweifels, »daß ich Sie in der Nähe des Gefängnisses sehe? Doch Sie gehen wohl in die Rektorei, ich bitte um Verzeihung. – Miss Grant, glaube ich? Ich hatte Sie anfangs nicht erkannt.«
Der Seufzer, welcher Luise entfuhr, war so leise, daß er nur von Elisabeth gehört wurde, welche rasch erwiderte:
»Wir sind nicht nur in der Nähe des Gefängnisses, Herr Edwards, sondern wünschen sogar hineinzugehen. Wir wollen Lederstrumpf zeigen, daß wir seine Dienste nicht vergessen haben und daß mein Vater, wenn er gerecht sein mußte, auch dankbar ist. Sie sind wohl zu einem ähnlichen Zweck hier, aber ich muß Sie bitten, daß Sie mir auf zehn Minuten den Vortritt erlauben. Gute Nacht, Sir, ich – ich – bedaure von Herzen, Herr Edwards, Sie zu einem solchen Geschäft erniedrigt zu sehen; aber gewiß, mein Vater würde – –«
»Ich füge mich gerne Ihrem Wunsch, Fräulein«, fiel ihr der Jüngling kalt ins Wort. »Darf ich bitten, daß Sie meine Anwesenheit nicht erwähnen?«
»Verlassen Sie sich darauf«, versetzte Elisabeth, indem sie die Verbeugung des jungen Mannes durch ein leichtes Kopfnicken erwiderte und die säumige Luise vorwärts drängte. Als sie jedoch in das Gebäude eingetreten waren, fand Luise Zeit zu flüstern:
»Würde es nicht besser sein, einen Teil Ihres Geldes Oliver anzubieten? Die Hälfte davon reicht aus, Bumppos Strafe zu zahlen, – und er ist so wenig an Mangel und Anstrengungen gewöhnt. Ich bin überzeugt, mein Vater selbst würde einen großen Teil seines kleinen Einkommens darauf verwenden, ihm eine würdigere Stellung zu verschaffen.«
Das unwillkürliche Lächeln, welches Elisabeths Züge überflog, trug zugleich den Ausdruck eines tiefen und herzlichen Mitleids. Sie erwiderte jedoch nichts, da das Erscheinen des Schließers die Gedanken beider Mädchen dem Zweck ihres Besuches zuwandte.
Man nahm es in dem neuen Lande mit den Formen nicht sehr genau, und da es bekannt war, daß der alte Jäger den Damen das Leben gerettet hatte, weshalb sie wohl eine besondere Teilnahme für den Gefangenen hegen mußten, fand der Schließer an dem Gesuch, in das Gefängnis eingelassen zu werden, nichts Befremdendes, wie denn auch schon Richter Temples Karte jeden Einwurf, wenn ein solcher hätte versucht werden sollen, zum Schweigen gebracht haben würde; er ging daher ohne Zögern nach dem Gelaß der Gefangenen voran Sobald der Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde, ließ Benjamins rauhe Stimme die Frage vernehmen:
»Oho! wer kommt da?«
»Ein Besuch, den Ihr gerne sehen werdet«, versetzte der Schließer. »Was habt Ihr mit dem Schloß angefangen, daß es nicht aufgehen will?«
»Sachte, sachte, Meister«, rief der Majordomo, »ich habe eben einen Nagel als Stopper über der Klinke eingeschlagen, seht Ihr, damit nicht Meister Tu-nur-wenig hereinrennen und zu einem anderen Kampf ansegeln kann; denn meiner Berechnung nach werde ich ohnehin bald ein armer Teufel sein, da man mir meine Spanier abmelken wird, als ob ich den Schuft gepeitscht hätte. Haltet mit Eurem Schiff im Wind und legt ein wenig bei; die Passage soll bald gelichtet sein.«
Die Schläge eines Hammers bewiesen, daß es der Hausmeister ernstlich meinte, und in kurzer Zeit gab das Schloß nach, worauf sich die Tür auftat.
Benjamin war augenscheinlich emsig darauf bedacht gewesen, von dem Geld, das er schon als verfallen betrachtete, soviel wie möglich in seinem eigenen Interesse zu retten; denn er hatte während des Nachmittags und Abends seinem Lieblingsfaß im ›Kühnen Dragoner‹ so wacker zugesprochen, daß er sich jetzt in jenem Zustand befand, den die Matrosenpoesie mit dem Ausdruck ›halb über See‹ bezeichnet, was in ehrlichem Deutsch ›halb betrunken‹ bedeutet. Der alte Seemann ließ sich durch die Wirkungen des Branntweins nicht leicht aus dem Gleichgewicht bringen; denn seinem eigenen Ausdruck nach war er »zu niedrig aufgetakelt, um nicht in allen Wettern Segel führen zu können«; gleichwohl konnte über seine gegenwärtige Stimmung, die er selbst eine ›schlammige‹ nannte, kein Zweifel obwalten. Sobald er bemerkte, wer die Besuchenden waren, zog er sich nach der Seite des Gemachs zurück, wo seine Streu lag, und ohne sich durch die Anwesenheit seiner jungen Gebieterin stören zu lassen, setzte er sich, indem er eine ganz nüchterne Miene annahm, auf derselben nieder und drückte seinen Rücken fest gegen die Wand.
»Wenn Ihr meine Schlösser in dieser Weise zu verderben gedenkt, Herr Pump«, begann der Schließer, »so will ich Euch einen Stopper, wie Ihr es nennt, an die Beine legen, der Euch das Aufstehen von Eurem Bett verleiden soll.«
»Warum so, Meister?« brummte Benjamin »Ich habe heute schon, mit den Fersen vor Anker liegend, eine Bö ausgehalten und brauche keine zweite. Was ist’s denn Arges, wenn ich dasselbe tue wie Ihr? Laßt außen Eure Riegel weg, und ich verspreche Euch, daß Ihr auch innen keine Hemmkette finden sollt.«
»Ich muß um neun Uhr abschließen«, sagte der Kerkermeister »und jetzt sind’s zweiundvierzig Minuten über acht.«
Er stellte die kleine Kerze auf einen rohen Fichtentisch und entfernte sich.
»Lederstrumpf«, begann Elisabeth, sobald sich der Schlüssel im Schloß wieder umgedreht hatte, »mein guter Freund Lederstrumpf. Die Gefühle des Dankes führen mich zu Euch. Ach, hättet Ihr Euch doch der Haussuchung unterworfen, würdiger, alter Mann; denn da das Erlegen eines Hirsches nur eine Kleinigkeit ist, so wäre alles gut abgelaufen – –«
»Der Haussuchung unterworfen?« fiel ihr Natty ins Wort, indem er das auf seinen Knien ruhende Gesicht erhob, ohne jedoch den Winkel, wo er sich niedergesetzt hatte, zu verlassen oder aufzustehen. »Meinen Sie denn, Frauenzimmerchen, ich würde ein solches Gewürm in meine Hütte lassen? Nein, nein, – ich hätte damals nicht einmal Ihrem eigenen süßen Antlitz die Tür geöffnet. Jetzt können sie meinetwegen unter den Kohlen und in der Asche suchen; sie werden nichts weiter finden als einen Haufen, wie man ihn