Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 109
»Ihr seid an den Aufenthalt unter Menschen gewöhnt, Benny«, sagte Lederstrumpf traurig, »und das Leben in den Wäldern würde Euch schwer ankommen, wenn – –«
»Nicht im geringsten – nicht im geringsten!« rief der Hausmeister. »Ich bin keiner von jenen Schönwetter-Kunden, Meister Bumppo, die bloß im glatten Wasser fahren. Wenn ich einen Freund finde, seht Ihr, so bleibe ich bei ihm liegen. So gibt es zum Beispiel keinen besseren Mann als Squire Dickens, und ich halte ebensoviel auf ihn wie auf Frau Houisters neues Jamaikatönnchen –«
Der Hausmeister hielt inne, wandte sein unschönes Gesicht dem Jäger zu, betrachtete ihn mit einem schelmischen Blinzeln und verzog die Muskeln seiner harten Züge zu einem freundlichen Grinsen, bis die weißen Zähne zum Vorschein kamen, worauf er leiser beifügte: »Ich sage Euch, Meister Lederstrumpf, er ist frischer und lieblicher als der Holländer, den sie von Garnsey heraufbringen Aber wir wollen hinüberschicken und bei dem Weibsbild ein Schlücklein holen lassen; denn ich fühle mich in diesen Strümpfen so beengt, daß ich glaube, es ist etwas nötig, um in meinem Obergestell einzuheizen«
Natty seufzte und sah auf die Menge, die sich allmählich zu zerstreuen begann und bereits sehr abgenommen hatte, da die meisten ihren Geschäften nachgegangen waren Er warf Benjamin einen ernsten Blick zu, ohne etwas zu erwidern; eine tiefwurzelnde Beklommenheit schien jedes andere Gefühl aufzuzehren und ein schwermütiges Dunkel über seine Züge zu werfen, in denen sich der innere Kampf des Mannes aussprach.
Der Hausmeister war geneigt, nach dem alten Grundsatz, daß Schweigen Zustimmung bedeutet, zu handeln, als Hiram Doolittle, von Jotham begleitet, aus dem Haufen auftauchte und quer über den freien Platz ging. Die Magistratsperson näherte sich dem Ende des Stocks, wo Benjamin saß, und pflanzte sich in sicherer Entfernung dem Angesicht Lederstrumpfs gegenüber auf. Die scharfen Blicke, welche Natty nach Hiram schoß, schienen den Ehrenmann für einen Augenblick einzuschüchtern und in eine Verlegenheit zu setzen, die ihm sonst fremd war. Als er sich jedoch einigermaßen gesammelt hatte, sah er nach dem Himmel auf und dann nach der dunstigen Atmosphäre, worauf er, als sei er nur zufällig mit einem Freund zusammengetroffen, in seiner förmlichen und zögernden Weise zu sprechen begann:
»Der Regen ist in der letzten Zeit selten gewesen; ich denke, wir werden eine lange Dürre behalten.«
Benjamin war eben mit dem Aufknüpfen seines Geldbeutels beschäftigt und bemerkte die Annäherung der Magistratsperson nicht, während Natty, ohne zu antworten, sein Gesicht, in dem jeder Muskel Abscheu ausdrückte, abwandte. Durch diese Äußerung des Widerwillens eher ermutigt als eingeschüchtert, fuhr Hiram nach einer kurzen Pause fort:
»Die Wolken sehen aus, als ob sie kein Wasser enthielten, und die Erde klafft in schrecklichen Spalten. Soviel ich von der Sache verstehe, wird die Ernte in diesem Sommer schmal ausfallen, wenn wir nicht bald Regen bekommen.«
Die Miene, mit der Herr Doolittle diese Prophezeiung machte, war von der Art, wie man sie bei einem solchen Schlag Menschen findet, jesuitisch, kalt, gefühllos, selbstsüchtig, und schien dem Mann, den er so grausam verletzt hatte, zu sagen: »Ich habe mich in den Schranken des Gesetzes gehalten.« Dies war zuviel für den Zwang, den sich der alte Jäger bisher auferlegt hatte, und ein Glutstrom des Unwillens brach aus ihm hervor.
»Warum sollte Regen aus den Wolken fallen«, rief er, »da Ihr Tränen preßt aus den Augen der Alten, Armen und Kranken? Weg mit dir! – Weiche von hinnen! Du magst nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sein, aber der Satan wohnt in deinem Herzen. Fort, sage ich, fort! Mein Herz ist voll Leid, und dein Anblick gießt Galle hinein.«
Benjamin hörte jetzt mit Geldzählen auf und erhob im selben Augenblick seinen Kopf, als sich Hiram, der bei den Worten des Jägers seine Vorsicht vergessen hatte, unglücklicherweise in den Bereich des Hausmeisters wagte, der alsbald mit eherner Faust den Friedensrichter bei einem Bein faßte und ihn in die Höhe wirbelte, noch ehe er Zeit hatte, sich zu besinnen oder von den Kräften, die er wirklich besaß, Gebrauch zu machen. Benjamins Kopf, Schultern und Arme waren gehörig proportioniert, obgleich der übrige Teil seines Körpers ursprünglich für einen andern Mann berechnet zu sein schien, und er wandte seine Leibeskräfte beim gegenwärtigen Anlaß mit vieler Umsicht an. Da er von vornherein seinen Gegner bedeutend in Nachteil gebracht hatte, so endigte der Kampf bald damit, daß sich die Magistratsperson in einer ähnlichen Stellung wie er selbst befand und die beiden Streiter männlich einander gegenüber saßen.
»Ihr seid mir ein sauberer Vetter, das kann ich Euch sagen, Meister Tu-nur-wenig«, brüllte der Hausmeister; »ja, Ihr seid mir ein sauberer Vetter. Ich kenne Euch wohl, Ihr mit Euren Gutwettersprüchen ins Angesicht des Squire Dickens, während Ihr ihm nur den Rücken kehrt, um bei allen alten Weibern des Fleckens über ihn zu räsonieren. Ist es nicht genug für einen Christenmenschen, mag er auch noch so wenig Böses in seinem Herzen tragen, einen ehrlichen alten Kerl in dieser neumodischen Weise an den Fersen zu halten? Müßt Ihr auch noch an dem armen Teufel so hart vorbeisegeln, als ob Ihr ihn vor seinen Ankern in den Grund bohren wolltet? Aber ich habe manche schöne Rechnung gegen Euren Namen ins Logbuch eingetragen, Meister, und nun ist die Zeit gekommen, die Sache auf einmal mit Euch ins reine zu bringen. Braßt Euch also, Ihr Schlingel, braßt Euch, und wir wollen sehen, wer über den andern Herr wird!«
»Jotham!« schrie die erschreckte Magistratsperson, »Jotham! ruft die Konstabler herbei Herr Penguillum, ich gebiete Frieden – ich befehle Euch, den Frieden zu halten.«
»Es hat schon längst mehr Frieden als Liebe zwischen uns obgewaltet, Meister«, rief der Majordomo, indem er etliche sehr unzweideutige, feindselige Demonstrationen machte. »Nehmt Euch zusammen, braßt Euch! Wie schmeckt dieses bißchen von einem Schmiedehammer?«
»Legt Hand an mich, wenn Ihr das Herz habt!« rief Hiram, so gut es ihm unter dem Griff, womit der Hausmeister seine Kehle umfaßte, möglich war, »legt Hand an mich, wenn Ihr das Herz habt!«
»Wenn das kein Handanlegen ist, Meister, so weiß ich nicht, was Ihr darunter versteht«, brüllte Benjamin.
Wir sehen uns in die unangenehme Notwendigkeit versetzt zu berichten, daß die Handlungen des Majordomo jetzt sehr gewalttätig wurden; denn er ließ seinen Schmiedehammer mächtig auf dem Amboß von Herrn Doolittles Gesicht arbeiten, und der Platz wurde im Augenblick ein Schauspiel des Schreckens und der Verwirrung. Die Menge schloß einen engen Kreis um den Stock, während einige nach dem Gerichtssaal eilten, um Lärm zu schlagen, und einige der Jüngern einen Wettlauf begannen, um zu sehen, wer so glücklich sein würde, der Gattin des unglücklichen Friedensrichters zuerst die kritische Lage ihres Mannes mitzuteilen.
Benjamin arbeitete emsig und mit großer Geschicklichkeit fort, indem er die eine Hand dazu benutzte, seinen Gegner aufrechtzuerhalten, während er mit der andern forthämmerte; denn er hätte es für unter seiner Würde gehalten, nach einem gefallenen Feind einen Schlag zu führen. Infolge dieser bedächtigen Vorkehrung hatte er Mittel gefunden, Hirams Gesicht ganz aus seiner Form zu klopfen als es endlich Richard gelang, sich durch das Gedränge einen Weg nach dem Kampfplatz zu bahnen. Der Sheriff erklärte nachher, das ihm, abgesehen von der Kränkung, die ihm, als dem Bewahrer des Friedens, durch eine solche Handlung in der Grafschaft widerfahren, in seinem Leben nie etwas so weh getan habe, als daß er Zeuge dieses Einigkeitsbruchs zwischen seinen Günstlingen sein mußte. Hiram war gewissermaßen seiner Eitelkeit notwendig geworden und den Hausmeister, so sonderbar es auch scheinen mag, liebte er wirklich. Diese Zuneigung äußerte sich in den ersten Worten,