Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Nach einem kurzen Stillschweigen erhob sich ein anderer Krieger, als wollte er seine Gedanken vorher ordnen, um auf die eben gegebene Erklärung des Gastes gebührenden Bescheid zu ertheilen, und schickte sich zum Sprechen an. Schon bewegten sich seine Lippen, da erschollen dumpfe, aber schreckhafte Laute aus dem Walde, denen unmittelbar ein helltönendes, schrilles Geschrei, von solcher Dauer folgte, daß es dem kläglichen langen Geheul eines Wolfes glich. Diese plötzliche und furchtbare Unterbrechung schreckte Duncan von seinem Sitze auf und ließ ihn über dem Eindrucke dieser gräßlichen Töne alles Uebrige vergessen. In demselben Augenblick verließen alle Krieger zumal die Hütte, und die Luft außerhalb erfüllten laute Ausbrüche von Geschrei, die jene schrecklichen, immer noch aus den Blätterhallen des Waldes schallenden Laute beinahe übertönten. Unfähig, sich länger zu halten, eilte auch der Jüngling aus der Hütte und fand sich plötzlich mitten unter einem unordentlichen Haufen, der beinahe Alles, was in den Gränzen des Lagers Leben hatte, in sich schloß. Männer, Weiber und Kinder; Alte, Gebrechliche, Rüstige, Starke – Alles war auf den Beinen: die Einen riefen laut, Andere schlugen wie verrückt vor Freude die Hände zusammen, und Alle drückten ihr wildes Frohlocken über ein unerwartetes Ereigniß aus. Obgleich anfangs wie betäubt von dem Aufruhr, fand Heyward bald in der folgenden Scene alles erklärt.
Der Himmel gab noch hinreichendes Licht, um die helleren Oeffnungen zwischen den Gipfeln der Bäume bemerken zu lassen, wo verschiedene Pfade aus der Lichtung in die Tiefen der Wildniß führten. Auf einem derselben kam eine Reihe von Kriegern aus dem Walde hervor und näherten sich langsam den Wohnungen. Einer der Vordersten trug eine kurze Stange, an welcher, wie man nachher sah, mehrere menschliche Skalpe aufgehängt waren. Die erschütternden Töne, welche Duncan gehört, waren das, was die Weißen nicht ungeeignet das Todesgeschrei nennen, und jede Wiederholung derselben sollte dem Stamme das Schicksal eines Feindes verkünden.
So weit konnte Heyward von seiner Erfahrung Aufschluß erhalten: und da er jetzt wußte, daß die unerwartete Rückkehr aus einem glücklichen Kriegszuge Ursache der Unterbrechung gewesen war, so verschwand jede Besorgniß und er wünschte sich innerlich Glück zu einer so willkommenen Erleichterung, die viele Aufmerksamkeit von ihm abziehen mußte.
Etwa hundert Schritte von den Hütten machten die neu angekommenen Krieger Halt. Ihr klägliches und erschreckendes Geheul, bald das Wehklagen der Sterbenden, bald den Triumph der Sieger darzustellen bestimmt, hatte gänzlich aufgehört. Einer von ihnen rief jetzt laut in Worten, welche ferne davon, die Ohren der Zuhörer zu erschrecken, ihnen doch kaum verständlicher waren, als das eben verstummte ausdrucksvolle Geheul. Es würde schwer seyn, einen Begriff von der wilden Verzückung zu geben, mit welcher die so mitgetheilte Kunde aufgenommen wurde. Das ganze Lager bildete in einem Augenblicke den Schauplatz der wildesten, geräuschvollsten Bewegung. Die Krieger zogen ihre Messer und bildeten, sie emporschwingend, zwei Reihen zu einer Gasse, welche von dem Siegerhaufen bis zu den Hütten fühlte. Die Squaws ergriffen Keulen, Aexte oder die erste beste Angriffswaffe, die sich ihren Händen darbot, und stürzten herbei, um in dem grausamen Spiele, das nun beginnen sollte, ihre Rollen zu übernehmen. Selbst die Kinder wollten nicht ausgeschlossen seyn: Knaben, schwer vermögend Waffen zu handhaben, rissen ihren Vätern die Tomahawks aus dem Gürtel, schlichen sich in die Reihen und ahmten geschickt die wilden Bewegungen ihrer Aeltern nach. Große Haufen Gestrüpp lagen in der Lichtung zerstreut umher, und eine erfahrene, alte Squaw war beschäftigt, deren so viele anzuzünden, als zur Beleuchtung der kommenden Scene erforderlich war. Die Flamme schlug empor, sie war mächtiger als der scheidende Tag, und ließ die Gegenstände zwar deutlich, aber nur um so gräßlicher erscheinen. Die ganze Scene bot das fesselndste Gemälde, dessen Rahmen der dunkle Saum der hohen Fichten bildete. Die neu angekommenen Krieger waren am weitesten entfernt, im Vordergrunde aber standen zwei Männer, aus der Zahl der Uebrigen auserwählt, um in dem nun beginnenden Schauspiele die Hauptrollen zu spielen. Das Licht war nicht stark genug ihre Gesichtszüge deutlich erkennen zu lassen, aber man sah wohl, daß sie von sehr verschiedenen Gefühlen bewegt wurden. Während der Eine in fester Haltung aufrecht stand, bereit, seinem Schicksal als Held sich zu unterwerfen, senkte der Andere sein Haupt, als wäre er von Schrecken gelähmt oder von Scham darnieder gedrückt. Der edelmüthige Duncan fühlte sich mächtig angetrieben, dem Ersteren Bewunderung und Theilnahme zu zollen, obgleich sich keine Gelegenheit bot, seinen edeln Regungen Worte zu geben. Er bewachte mit unverwandtem Auge seine geringsten Bewegungen, und während er den leichten Umrissen eines wunderbar schön gebildeten und kräftigen Körpers folgte, suchte er sich zu überreden, daß wenn es in der Macht eines Menschen stehe, unterstützt durch Muth und Entschlossenheit die Probe so schwerer Gefahr glücklich zu bestehen, der junge Gefangene wohl auf Glück in dem ihm bevorstehenden gewagten Laufe hoffen dürfe. Unvermerkt näherte sich der junge Mann den dunkeln Reihen der Huronen, und athmete kaum, so gespannt war sein Interesse für das ganze Schauspiel. Jetzt ertönte das Signalgeschrei, und die augenblickliche Stille, welche vorangegangen war, wurde durch einen Ausbruch von Geheul unterbrochen, der seines Gleichen noch nicht gefunden hatte. Das eine so sehr niedergeschlagene Schlachtopfer blieb regungslos stehen, der Andere aber sprang bei dem Schrei mit der Geschwindigkeit und Gewandtheit eines Hirsches davon. Statt durch die feindlichen Linien, wie man erwartet hatte, zu stürzen, hatte der Gefangene kaum die gefährliche Enge erreicht, als er sich wandte und ehe ein Streich gegen ihn geführt werden konnte, über die Köpfe einer Reihe Kinder setzte und mit einem Mal die äußere, sicherere Seite der furchtbaren Kriegerreihe gewann. Dieser List folgten hundertstimmige Verwünschungen: die ganze, aufgeregte Menge stob auseinander und zerstreute sich in wilder Verwirrung über den Platz.
Ein Dutzend Haufen brennenden Gestrüppes ergossen ihr röthliches Licht über den Platz, der einer unheimlichen, geisterhaften Kampfstätte glich, wo böse Dämonen sich versammelt hatten, ein blutiges, ruchloses Werk zu beginnen. Die Gestalten im Hintergrunde glichen überirdischen Wesen, während sie vor dem Auge vorbeiglitten und die Lüfte mit tollen und sinnlosen Bewegungen durchschnitten: die wilden Leidenschaften solcher aber, die an der Flamme vorüber kamen, erschienen furchtbar deutlich in dem Lichte, das über ihre wuthsprühenden Züge lief.
Es läßt sich leicht denken, daß unter solch einem Getümmel rachedürstender Feinde der Flüchtling nicht zu Athem kommen konnte. Einen einzigen Augenblick schien es, als ob er den Wald erreichen würde; aber der ganze Schwarm der Sieger warf sich ihm entgegen und trieb ihn in die Mitte einer erbarmungslosen Verfolgung zurück. Sich umwendend, wie ein eingeholter Hirsch, schoß er pfeilschnell über ein hoch aufloderndes Feuer, durchdrang die ganze Menge ungefährdet und erschien wieder auf der entgegengesetzten Seite der Lichtung. Aber auch hier traf er auf einige der älteren und schlaueren Huronen, die ihn abermals zurücktrieben. Noch einmal warf er sich in das Gedränge, als ob er in der allgemeinen Verwirrung Sicherheit suchte, und dann vergingen einige Augenblicke, während welcher Duncan den gewandten und muthigen jungen Fremdling verloren glauben mußte. Man konnte nichts unterscheiden als eine dunkle Masse menschlicher Gestalten, welche sich in einem verworrenen Getümmel stießen und durch einander drängten. Arme, blitzende Messer und furchtbare Keulen ließen sich erkennen, aber die Streiche wurden augenscheinlich nur aufs Gerathewohl geführt. Der furchtbare Eindruck dieser Scene ward noch erhöht durch das durchdringende Geschrei der Weiber und das wilde Geheul der Krieger. Hier und da fiel ein flüchtiger Lichtschein auf eine leichte Gestalt, welche in verzweifeltem Sprunge durch die Luft schoß, und ließ Duncan mehr hoffen als glauben, der Gefangene sey immer noch Herr seiner bewundernswürdigen Stärke und Gewandtheit. Plötzlich warf sich die Menge zurück nach der Stelle, wo er selber stand: die schwerfällige Masse der Verfolger drängte die Weiber und Kinder im Vorgrunde und warf einige zu Boden. Der Fremde ward in der Verwirrung wieder sichtbar. Menschliche Kräfte aber mußten einer so fürchterlichen Probe erliegen. Dies schien der Gefangene zu fühlen: die augenblickliche Oeffnung benutzend, brach er aus der Mitte der Krieger hervor und machte einen verzweifelten und, wie es Duncan schien, letzten Versuch, den Wald zu gewinnen. Gleich als wüßte er, daß ihm von dem jungen Soldaten keine Gefahr drohe, berührte er ihn beinahe auf seiner