Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 211
Uncas genoß diesen Sieg, begnügte sich aber, seinen Triumph durch ein ruhiges Lächeln auszudrücken – ein Zeichen der Verachtung, das allen Zeiten und Völkern eigen ist. Magua gewahrte diesen Ausdruck, erhob seinen Arm und schüttelte ihn gegen den Gefangenen, so daß die leichten Silberzierrathen an seinen Armbändern von der zitternden Bewegung des Gliedes rasselten, während er in rachedrohendem Tone auf Englisch ausrief:
»Mohikaner, du stirbst!«
»Die heilenden Wasser bringen die todten Huronen nie mehr an’s Leben,« erwiederte Uncas in der wohlklingenden Sprache der Delawaren; »die rollenden Wogen bespülen ihre Gebeine: ihre Männer sind Weiber, ihre Weiber Eulen. Geh – ruf die Hunde von Huronen zusammen auf, daß sie einen Krieger schauen mögen. Meine Nase ist beleidigt, sie riecht das Blut eines Feigen.«
Die letzte Anspielung schlug tief und die Wunde brannte. Manche unter den Huronen verstanden die fremde Sprache, in welcher der Gefangene redete: so auch Magua. Der schlaue Wilde nahm seinen Vortheil wahr und eilte ihn zu benützen. Sein leichtes Fell von der Schulter werfend, reckte er seinen Arm aus und ließ seiner arglistigen, verderblichen Beredtsamkeit freien Lauf. Wie sehr auch sein Einfluß durch die unheilvolle Schwäche, der er sich zu Zeiten hingab, und durch seinen Abfall von dem Stamme gelitten haben mochte – sein Muth und sein Ruf als Redner war unbestritten geblieben. Er sprach nie ohne Zuhörer, und selten, ohne daß er Anhänger für seine Meinung gewann. Im gegenwärtigen Falle wurde sein natürliches Talent noch durch den Durst nach Rache gestachelt.
Er erzählte von Neuem die Ereignisse bei dem Angriff auf der Glenn-Insel, den Tod seiner Genossen und das Entkommen ihrer furchtbarsten Feinde. Dann beschrieb er die Natur und die Umgebung des Erdhügels, wohin er die Gefangenen geführt hatte, die in seine Hände gefallen waren. Seiner eigenen blutdürstigen Absichten gegen die Mädchen und seiner vereitelten Bosheit gedachte er mit keinem Wort, sondern ging rasch zu dem Ueberfall durch la longue Carabine mit seinen Genossen und dessen unglücklichem Ausgang über. Hier machte er eine Pause, und schaute um sich, Ehrfurcht für das Andenken der Gefallenen heuchelnd, in Wahrheit aber, um den Eindruck seiner beginnenden Rede zu beobachten. Wie gewöhnlich waren Aller Augen auf sein Antlitz geheftet, die düstern Gestalten schienen belebte Bildsäulen, so regungslos war ihre Stellung, so gespannt die Aufmerksamkeit jedes Einzelnen.
Jetzt ließ Magua seine Stimme, die bisher hell, stark, erhoben gewesen war, sinken, und berührte die Verdienste der Gefallenen. Keine Eigenschaft, die auf das Mitgefühl des Indianer Einfluß üben konnte, blieb ungerühmt. Der Eine war als nimmer fehlender Jäger bekannt; ein Anderer war unermüdlich gewesen, die Fährte des Feindes zu verfolgen. Dieser war tapfer, Jener edelmüthig. Kurz, er wußte seine Anspielungen so gut anzubringen, daß es ihm bei einem Volksstamme, der aus so wenigen Familien bestand, gelingen mußte, jede Saite anzuschlagen, die in irgend einer Brust wiederklingen konnte.
»Sind die Gebeine – so schloß er – meiner jungen Krieger auf dem Begräbnißplatze der Huronen? Ihr wißt es, nein. Ihre Geister sind nach der untergehenden Sonne gegangen und ziehen bereits über die großen Wasser nach den glücklichen Jagdgründen. Aber sie sind hingegangen ohne Nahrung, ohne Büchsen oder Messer, ohne Moccasins, nackt und arm, wie sie geboren wurden. Soll das so seyn? Sollen ihre Seelen in das Land der Gerechten treten, gleich hungrigen Irokesen oder unmännlichen Delawaren – oder sollen sie ihren Freunden begegnen, Waffen in der Hand und Mäntel auf dem Rücken? Was, werden unsre Väter denken, ist aus den Stämmen der Wyandots geworden? Mit finstrem Blicke werden sie auf ihre Kinder schauen und sprechen: geht! Ein Chippewa ist unter dem Namen eines Huronen hieher gekommen. Brüder, wir dürfen der Todten nicht vergessen; einer Rothhaut Gedächtniß ist immer frisch. Wir wollen den Rücken dieses Mohikaners beladen, bis er unter unseren Gaben zu Boden sinkt, und ihn den jungen Kriegern nachsenden. Sie rufen uns um Hülfe an; aber unsere Ohren sind nicht offen; sie sprechen: vergeßt uns nicht. Wenn sie den Geist dieses Mohikaners unter seiner Bürde ihnen nachkeuchen sehen, werden sie erkennen, daß wir noch der gleichen Gesinnung sind. Dann werden sie glücklich ihres Weges ziehen, und unsere Kinder werden sagen: dieß thaten unsere Väter für ihre Freunde, wir müssen ein Gleiches für sie thun. Was ist ein Yengee? Wir haben Viele erschlagen; aber die Erde ist noch blaß. Ein Flecken auf dem Namen eines Huronen kann nur durch Blut getilgt werden, das aus den Adern eines Indianers strömt. So sterbe denn dieser Delaware!«
Die Wirkung einer solchen Rede, die in der nervigten Sprache und mit dem hinreißenden Vortrage eines Huronischen Redners gesprochen ward, war nicht zu mißkennen. Magua hatte die natürlichen Gefühle und den religiösen Aberglauben seiner Zuhörer auf eine so schlaue Weise zu vermengen gewußt, daß ihre Gemüther, schon durch Gewohnheit darauf vorbereitet, den Manen ihrer Landsleute blutige Opfer zu bringen, jede Spur von Menschlichkeit in dem Wunsche nach Rache verloren. Ein Krieger insbesondere, ein Mann von wilder, unbändiger Miene, hatte sich durch die Aufmerksamkeit ausgezeichnet, welche er den Worten des Sprechers geschenkt hatte. Sein Ausdruck wechselte unter jeder vorübergehenden Bewegung, bis er sich in einen Blick tödtlicher Bosheit festsetzte. Er sprang auf, als Magua kaum geendet hatte, und schwang, ein dämonisches Geheul erhebend, eine kleine hellgeschliffene Streitaxt, die im Fackellicht erglänzte, über sein Haupt. Die Bewegung und das Geschrei erfolgte zu plötzlich, als daß Worte die blutige Absicht hätten abwenden können. Es war, als ob ein blitzender Strahl seiner Hand entschöße, in demselben Augenblick mächtig durchkreuzt von einem dunklen Streifen. Die schnelle, entschlossene Bewegung des Häuptlings kam nicht ganz zu spät. Die kühne Waffe durchschnitt die Kriegsfeder auf dem Skalpirschopf des jungen Mohikaners und fuhr durch die schwache Wandung der Hütte, als wäre sie von einer furchtbaren Maschine geschleudert worden.
Duncan war Zeuge der drohenden Handlung gewesen und sprang schnell auf seine Füße, während sein Herzblut stockte und die edelmüthigsten Entschlüsse zu Gunsten seines Freundes in ihm erwachten. Ein Blick sagte ihm, daß der Streich gefehlt hatte und sein Schrecken ging in Bewunderung über, Uncas stand ruhig da, seinem Feinde mit einer Miene, die über jede Aufregung erhaben war, fest in’s Auge blickend, Marmor konnte nicht kälter, unbeweglicher, starrer seyn, als der Ausdruck, womit er diesem plötzlichen, rachsüchtigen Angriff begegnete. Dann aber lächelte er, den Mangel an Geschick, der ihn gerettet hatte, gleichsam bemitleidend und murmelte einige Worte der Verachtung in seiner Muttersprache.
»Nein,« sprach Magua, nachdem er sich beruhigt hatte, daß der Gefangene unbeschädigt war, »die Sonne muß seine Schande beleuchten. Die Squaws sollen sehen, wie sein Fleisch zittern wird, oder unsre Rache ist nur ein Knabenspiel. Geht, bringt ihn an einen Ort, wo Schweigen herrscht. Wir wollen sehen, ob ein Delawarer in der Nacht schlafen kann, und am andern Morgen sterben.«
Die jungen Krieger, welche den Gefangenen zu bewachen hatten, wanden alsbald ihre Bastriemen um seine Arme und führten ihn unter tiefer unheimlicher Stille aus der Hütte. Nur unter der Oeffnung des Eintritts zögerte Uncas’ fester Tritt: er wandte sich und warf einen eilenden, stolzen Blick auf seine Feinde umher. In diesem las Duncan gerne den Ausdruck eines Muthes, der immer noch nicht alle Hoffnung aufgab.
Magua