Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Der Sleigh war eines jener geräumigen, bequemen, altmodischen Fuhrwerke, die eine ganze Familie in ihrem Bauch aufnehmen können, obgleich er in dem gegenwärtigen Augenblick außer dem vorerwähnten Schwarzen nur zwei Personen enthielt. Die Farbe war außen bescheiden grün, innen feurig rot; letzteres vielleicht, um in dem kalten Klima doch wenigstens dem Auge eine Glut vorzuführen. Große Büffelhäute, an den Rändern mit girlandenartig geschnittenem rotem Tuch verziert, lagen in dem Sleigh und umhüllten die Füße der Reisenden – eines Mannes in den mittleren Jahren und eines Mädchens in der ersten Blüte der weiblichen Reife. Der erstere war von breiter Statur, soweit die Vorkehrungen, die er zur Abwehr der Kälte getroffen hatte, überhaupt etwas von seiner Persönlichkeit sichtbar werden ließen. Ein verschwenderisch mit Pelzwerk verbrämter Überrock umschloß seinen ganzen Körper mit Ausnahme des Kopfes, der durch eine Marderfellmütze, mit Maroquin ausgekleidet und so geformt, daß sich die Seitenklappen über die Ohren herunterschlagen und durch ein schwarzes Band unter dem Kinn zusammenknüpfen ließen, geschützt wurde. Der obere Teil der Mütze war mit einer Art Quaste verziert, die aus dem Schwanz des Tieres, welches das übrige Material geliefert hatte, bestand und nicht unzierlich hinten einige Zoll über den Nacken hinunterhing. Unter dieser Vermummung sah man teilweise ein schönes Männergesicht, zumal ein Paar ausdrucksvoller, großer, blauer Augen, die einen hellen Verstand, gemütliche Heiterkeit und einen wohlwollenden Sinn verkündeten. Die Gestalt seiner Begleiterin war buchstäblich in den Kleidern, die sie trug, begraben. Aus einem dicht mit Flanell wattierten, großen Kamelottmantel, der dem Schnitt und der Weite nach offenbar für einen männlichen Körper bestimmt war, sah ein mit Pelz ausgelegter seidener Überrock hervor. Eine ungeheuere, mit Daunen gefütterte, schwarzseidene Kapuze verbarg Kopf und Gesicht bis auf eine kleine Öffnung, durch die man Atem holen konnte, obgleich hin und wieder auch ein Paar lebhafter, pechschwarzer Augen hervorfunkelten.
Aber Vater und Tochter (denn in dieser Verwandtschaftsbeziehung standen die beiden Reisenden) waren zu sehr mit ihren Betrachtungen beschäftigt, um durch den Ton ihrer Stimme die Stille zu unterbrechen, die durch das leichte Dahingleiten des Sleighs selten oder nie gestört wurde. Der erstere dachte an die Frau, welche sein Kind – das einzige – zum letzten Male an ihre Brust gedrückt hatte, als sie vier Jahre früher mit widerstrebendem Herzen ihre Zustimmung geben mußte, der Gesellschaft ihrer Tochter zu entsagen, damit diese sich jener Vorteile der Erziehung erfreuen möchte, welche damals nur die Stadt Neuyork zu geben imstande war. Wenige Monate nachher hatte ihn der Tod dieser treuen Genossin seiner Einsamkeit beraubt. Er liebte jedoch sein Kind zu aufrichtig, um sie in das noch recht wilde Land, in dem er wohnte, zurückzuholen, ehe die Zeit, welche zu ihrer völligen Ausbildung für nötig erachtet wurde, abgelaufen war. Die Gedanken der Tochter waren weniger düster, da der Wechsel und die immer neuen Reize der Landschaft, die sich bei jeder Wendung der Straße vor ihr auftaten, ihren Empfindungen ein frohes Staunen beimischten.
Der Berg, auf dem sie eben hinfuhren, war mit ungeheuren Rottannen bedeckt, die erst in einer Höhe von siebzig bis achtzig Fuß ihre Zweige ausbreiteten und bis zum Wipfel oft das Doppelte dieser Höhe maßen. Das Auge konnte sich daher durch die zahllosen Öffnungen einer weiten Aussicht erfreuen, wenn diese nicht durch ein fernes Hügelland oder durch einen Berggipfel jenseits des Tales, dem sie zueilten, begrenzt wurde. Die dunklen Baumstämme erhoben sich aus dem weißen Schneegrund wie regelmäßig gebaute Säulenschäfte, bis hoch oben die Zweige mit ihren immergrünen Nadeln eine Decke formten, die einen schwermütigen Kontrast zu der erstarrten Erde bildete. Die Reisenden fühlten keinen Wind, aber die Baumwipfel wiegten sich majestätisch und entsandten einen dumpfen, klagenden Ton, der ganz im Einklang mit der Ruhe der melancholischen Szenerie stand.
Der Sleigh war eine Strecke weit ganz eben fortgeglitten, und der Blick des jungen Mädchens war spähend, vielleicht auch furchtsam in die Tiefen des Waldes gerichtet, als sich ein lautes und anhaltendes Geheul, ähnlich dem Bellen eines zahlreichen Rudels von Jagdhunden, vernehmen ließ, das durch die hohen Bogen des Waldgewölbes hertönte. Sobald diese Laute das Ohr des alten Herrn erreichten, rief er laut dem Schwarzen zu:
»Halt, Aggy, der alte Hektor ist dort; ich würde sein Bellen unter Zehntausenden herauskennen. Lederstrumpf hat an diesem schönen Tag seine Hunde herausgeführt, und gewiß sind sie jetzt hinter einem Wild her. Dort, einige Klafter vor uns, läuft eine frische Hirschspur; – und nun, Beß, wenn du dich vor dem Feuern nicht fürchtest, so verspreche ich dir eine herrliche Zugabe zu deiner Christfesttafel.«
Der Schwarze hielt an, und ein heiteres Grinsen überflog seine erstarrten Züge, während er zugleich die Arme übereinander zu schlagen begann, um wieder einige Zirkulation nach den Fingerspitzen hin herzustellen. Der alte Herr richtete sich inzwischen auf, warf seine Verhüllung ab und stieg aus dem Sleigh auf eine Schneebank, die seine Last trug, ohne zu weichen.
Nach einigen Augenblicken kam er damit zustande, aus einer Masse von Schachteln und Koffern eine doppelläufige Vogelflinte hervorzuholen, und nachdem er sich seiner dichten Fäustlinge, unter denen er ein Paar andere mit Pelz gefütterte Lederhandschuhe trug, entledigt und das Schloß seines Gewehrs untersucht hatte, schickte er sich an, vorwärts zu eilen, als sich das leichte Rauschen eines durch das Gehölz stürzenden Tieres vernehmen ließ und unmittelbar darauf nur wenige Schritte vor ihm ein schöner Bock die Straße kreuzte. Das Auftauchen des Wildes geschah rasch und seine Flucht mit der Eile des Windes; aber der Reisende schien ein zu geübter Jäger zu sein, um sich dadurch außer Fassung bringen zu lassen. Sobald er des Tieres ansichtig wurde, erhob er mit sicherem Auge und stetiger Hand seine Flinte und gab Feuer. Das Tier schoß jedoch nicht erschreckt und scheinbar unverletzt weiter. Ohne sein Gewehr sinken zu lassen, wandte der Schütze aufs neue die Mündung seinem Opfer zu und feuerte abermals. Aber auch dieser Schuß schien seine Wirkung verfehlt zu haben.
Der ganze Auftritt war mit einer Geschwindigkeit vor sich gegangen, welche das Mädchen in hohem Grade verwirrte, und sie freute sich bereits unwillkürlich über das glückliche Entkommen des Tieres, als es plötzlich wie ein Meteor wieder auftauchte und abermals über den Weg setzte, worauf ein scharfer, rascher Ton, ganz verschieden von dem runden, vollen aus der Waffe ihres Vaters, in dem sich aber der Knall eines Gewehrs ebenfalls nicht verkennen ließ, an ihr Ohr schlug. In demselben Augenblick machte der Bock einen Sprung in die Höhe, und als dem ersten Schuß rasch ein zweiter folgte, stürzte das Tier kopfüber zur Erde, wo es sich auf der Schneerinde einigemal überkugelte. Ein lautes Hallo erscholl aus dem Munde des unsichtbaren Schützen, und unmittelbar darauf traten zwei Männer aus einem Versteck hinter zwei Tannenstämmen hervor, wo sie augenscheinlich dem Zug des Hirsches aufgelauert hatten.
»Ha! Natty, wenn ich gewußt hätte, daß Ihr im Hinterhalt läget, so hätte ich meine Schüsse sparen können«, rief der Reisende, indem er sich nach der Stelle hinbewegte, wo das Tier lag, in dessen Nähe ihm auch der entzückte Schwarze mit dem Sleigh folgte, »aber das Bellen des alten Hektor war zu ermutigend, um ruhig zu bleiben. Und doch bin ich nicht überzeugt, ob nicht eine meiner Kugeln den Burschen niederwarf.«
»Nein – nein – Richter«, entgegnete der Jäger mit einem stillen Kichern und jenem frohlockenden Blick, der das Bewußtsein einer höheren Kunstfertigkeit verkündet. »Sie haben Ihr Pulver nur abgebrannt, um sich an diesem kalten Abend die Nase zu wärmen.