Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Edward Effinghams Familie war nicht nur sehr reich, sondern hatte auch einen nicht unbedeutenden Einfluß bei Hofe. Sie gehörte unter die wenigen in den Kolonien, welche eine Erniedrigung ihrer Glieder darin erblickten, wenn sie Handelsgeschäfte betrieben, und trat deshalb nur aus der Zurückgezogenheit ihres häuslichen Lebens hervor, wenn es galt, in den Kolonialversammlungen zu präsidieren oder in Kriegszeiten die Waffen zu führen. Letzteres war von Jugend auf das Gewerbe von Edwards Vater gewesen. Unter der Krone Großbritanniens und vor sechzig Jahren mußte militärischer Rang durch einen weit längeren und beschwerlicheren Dienst erkauft werden als heutzutage. Jahre wurden ohne Murren in den niedrigeren Graden hingebracht; dagegen glaubten aber auch die in den Kolonien stationierten Soldaten, wenn sie sich einmal bis zu dem Kommando einer Kompanie emporgeschwungen hatten, von den friedlichen Bewohnern der Scholle die tiefste Verehrung fordern zu dürfen. Jeder unserer Leser, der über den Niagara kommt, wird nicht nur die Wichtigkeit, die jeder, selbst der unbedeutendste Diener der Krone seiner Stellung beilegt, sondern auch die wirkliche Achtung gewahren, deren er sich allseitig – sogar in dieser Polargegend des königlichen Sonnenscheins – erfreut. Mit solcher Achtung wurde vor nicht gar zu langer Zeit auch der Krieger in einem Staatenverband behandelt, in dem jetzt glücklicherweise keine Spur von Krieg mehr zu sehen ist, wenn nicht die freie und furchtlose Stimme des Volkes sich für einen solchen entscheidet. Als daher der Vater von Marmadukes Freund sich nach vierzigjähriger Dienstzeit mit dem Rang eines Majors in den Privatstand zurückzog und ein verhältnismäßig glänzendes Haus führte, wurde er natürlich in seiner heimatlichen Kolonie Neuyork als ein Mann von hoher Bedeutung betrachtet. Er hatte mutig und treu gedient und war daher nach allgemeinem Brauch in den Provinzen mit einer Auszeichnung behandelt und mit Aufträgen beehrt worden, die weit über seine Stellung hinausgingen. Als er der Gebrechlichkeit des Alters weichen mußte, trat er mit Würde ab und wies sogar den üblichen halben Sold wie auch jede andere Belohnung für Dienste, die er nicht länger mehr versehen konnte, zurück.
Das Ministerium bot ihm mehrere Zivilämter an, die neben der Ehre auch materielle Vorteile eintrugen; er schlug sie jedoch mit dem ritterlichen Unabhängigkeitsgefühl, welches sein ganzes Leben hindurch seinen Charakter bezeichnet hatte, unter ehrfurchtsvollem Dank aus, und bald nach diesem Akt patriotischer Uneigennützigkeit übte er in seinem eigenen Hause eine Handlung der Großmut, welche, sowenig sie auch der Klugheit gemäß zu sein schien, doch in vollkommenem Einklang mit dem redlichen wohlwollenden Sinn des Veteranen stand.
Marmadukes Freund war sein einziges Kind, und bei Gelegenheit der Vermählung dieses Sohnes mit einer Dame, welcher der Vater besonders wohlwollte, trat ihm der Major sein ganzes Vermögen ab, das aus bedeutenden Kapitalien, einer Wohnung in der Stadt, einem Landhaus, einigen wertvollen Gütern in den alten Teilen der Kolonie und umfangreichen Besitz unbebauten Landes in den neuen bestand, – ein Schritt, der seinen künftigen Unterhalt ausschließlich von der kindlichen Liebe seines Sohnes abhängig machte. Schon als Major Effingham die freigebigen Anerbietungen des britischen Ministeriums ablehnte, meinten die Jäger nach Hofgunst, von denen es auch in diesen abgelegenen Teilen des weiten Reiches wimmelte, daß es mit seinem Verstande nicht ganz richtig sein müsse; als er sich aber gar freiwillig aller seiner großen Reichtümer begab, folgerte alles, daß der gute Mann kindisch geworden sei. Diesen Umständen war es zuzuschreiben, daß sein Ansehen rasch dahinschwand, und wenn er mit seinen Schritten ungestörte Zurückgezogenheit bezwecken wollte, so sah er bald seine Absicht erreicht.
Wie auch die Welt über die Handlungsweise des Majors urteilen mochte, den beiden Beteiligten erschien sie als nichts anderes denn das Abgeben gewisser Gerechtsame, die der Vater weder genießen noch erweitern konnte, an einen Sohn, der durch seine Erziehung sowohl als auch vermöge seines Charakters zu beidem paßte. Der jüngere Effingham hatte nichts gegen die Schenkung einzuwenden; denn er fühlte, daß er sich selbst nur von einer schweren Last befreite, wenn er den Vorbehalt seines Vaters, die moralische Leitung seiner Handlungen zu führen, anerkannte; wie denn überhaupt zwischen beiden ein so inniges Vertrauen herrschte, daß ihnen der so gehässig gedeutete Schritt nicht anders erschien, als wenn einer sein Geld aus einer Tasche in die andere steckt.
Sobald der junge Mann in den Besitz seines großen Vermögens gekommen war, gehörte es unter seine ersten Handlungen, seinen Jugendfreund aufzusuchen und ihm den Beistand anzubieten, den er jetzt zu leisten imstande war.
Der Tod von Marmadukes Vater und die daraus folgende Teilung seines kleinen Vermögens machten dieses Anerbieten für den jungen Pennsylvanier doppelt annehmbar. Er fühlte seine eigenen Kräfte, und sah nicht nur die schönen Eigenschaften, sondern auch die Mängel in dem Charakter seines Freundes. Effingham war eine weiche Natur, zutraulich, bisweilen aber auch ungestüm und unbesonnen, während Marmaduke mit einem ruhigen Gleichmut scharfen Verstand, Tätigkeit und Unternehmungsgeist verband. Ihm erschien daher der ihm angebotene Beistand, richtiger die Geschäftsgemeinschaft als vorteilhaft für beide Parteien, weshalb er mit Freuden darauf einging und auch leicht über die Bedingungen mit seinem Freunde eins wurde. Mit Effinghams Geld wurde ein Handlungshaus in der Hauptstadt von Pennsylvanien etabliert und die Leitung des Geschäftes Marmaduke übertragen, der öffentlich als der einzige Eigentümer genannt wurde, obgleich der andere insgeheim zur Hälfte an dem Gewinn des Unternehmens beteiligt war. Diese Verbindung sollte aus zwei Gründen nicht ruchbar werden, deren einen Effingham seinem Freund offen eingestand, während er den anderen tief in seinem Innern verbarg, da dieser auf nichts mehr und nichts weniger als auf dem Stolz beruhte. Der Abkömmling einer Reihe von Kriegern betrachtete nämlich sogar eine derartige mittelbare Beteiligung bei einem Handelsgeschäft als eine Herabwürdigung. Den Hauptgrund zur Geheimhaltung bildeten aber immer die Vorurteile des alten Majors.
Es wurde bereits mitgeteilt, daß Major Effingham ruhmvoll gedient hatte. Als er einmal an der Westgrenze von Pennsylvanien ein Kommando gegen die verbündeten Franzosen und Indianer hatte, wurde nicht nur sein Ruhm, sondern auch sein Leben und das seiner Truppe durch die friedliche Politik dieser Kolonie ungemein gefährdet, – allerdings ein Vergehen, das kein Soldat verzeiht. Er focht zu ihrem Schutz und wußte wohl, daß die milden Grundsätze dieses Völkchens praktischer Christen von den schlauen und arglistigen Feinden nicht berücksichtigt werden würden, weshalb er auch die Kränkung um so tiefer empfand; denn er sah, daß der Grund, den die Kolonisten für die Verweigerung ihres Beistandes geltend machten, nur dazu führen konnte, seine Mannschaft dem Untergang preiszugeben, ohne daß er den Frieden zu bewahren vermochte. Es gelang zwar dem Soldaten, sich mit einer Handvoll seiner Leute durch den mörderischen Feind zu schlagen, aber er vergab den Leuten, die ihn im Kampf nicht unterstützt und daher dieser Gefahr ausgesetzt hatten, nie wieder. Es half nichts, daß man ihm sagte, sie wären nicht schuld daran gewesen, daß er an die Grenze gesetzt wurde; denn er stand ja augenscheinlich nur zu ihrem Besten dort, und es war »ihre religiöse Pflicht« – so pflegte sich nämlich der Major auszudrücken – »es war ihre religiöse Pflicht, ihren Beschützern Beistand zu leisten«.
Der alte Soldat war nie ein Freund von Fox’ friedlichen Schülern. Ihre geordnete Lebensweise und ihre Gemütsruhe konnten nicht verfehlen, auch vorteilhaft auf ihre physischen Verhältnisse einzuwirken; wenn der Veteran den riesigen Körperbau der Kolonisten betrachtete, so konnte er sich nicht enthalten, in seinem Blick die tiefe Verachtung, welche er gegen ihre moralische Schwäche hegte, auszudrücken. Auch war er ein wenig der Meinung zugetan, daß eine so strenge Beobachtung von Förmlichkeiten unmöglich mit dem gesunden Kern wahrer Religiosität vereinbar sei. – Wir haben uns übrigens nicht zur Aufgabe gesetzt, hier das Wesen des Christentums zu erörtern, sondern führen nur einfach Major Effinghams Ansichten auf.
Da der Sohn die Ansichten seines Vaters über diese Leute kannte, so war es kein Wunder, daß er Anstand nahm, seine Verbindung mit einem Quäker und sein unbedingtes Vertrauen auf dessen Redlichkeit einzugestehen.
Man hat gesehen, daß Marmaduke von Zeitgenossen und Freunden Penns abstammte. Sein Vater hatte zwar, weil er eine nicht seiner Kirche angehörende Frau geheiratet hatte, einige Privilegien, die an seinem Stamme hafteten, verwirkt. Da jedoch der junge Marmaduke