Entwicklung zum Fronstaat ablehnten) konzentrierte sich der nunmehr »jüdische« Staat als eigentliches Stadtkönigtum endgültig in Jerusalem, zeitweise von Aegypten abhängig, später Assyrien tributär, offenbar dabei zunehmend den Charakter des bureaukratischen Stadtstaates annehmend. Die sinkende internationale Macht des Königtums und die unter der Angst vor den barbarischen Raubkriegen der mesopotamischen Staaten wachsenden Macht der religiösen Stimmungen ermöglichten es dann der städtischen Priesterschaft in Jerusalem, unter König Josia im Jahre 622 die Herrschaft im Staat zu gewinnen und das »Gesetz Mose«, d.h. das Deuteronomium, zu oktroyieren. Der König wird in »Juda« ein »legitimer« Herrscher, d.h. er muß als Davidide gelten. Dafür aber wird ihm der Besitz eines »Hortes« und berittenen Gefolges verboten, auch seine Legitimität an die Befragung des Losorakels durch die jerusalemitische Priesterschaft geknüpft. Das Monopol des dortigen Tempels als Kultstätte wird festgelegt, die Landpriesterschaft »zur Ruhe gesetzt« und allmählich zur Dienerschaft der Stadtpriestergeschlechter deklassiert. Zugleich mit dieser gewaltigen politischen Machtverschiebung wurden nun die staatlichen und sozialen Verhältnisse neu geordnet. Diese Neuordnung zeigt, daß gegenüber der Zeit des alten Gesetzes eine weitgehende Aenderung der Zustände eingetreten war. Sie setzt, da die Zehnten – wegen der weiten Entfernung zur Tempelstadt – in Geld ablösbar sein mußten, weitgehende Geldwirtschaft voraus, und die Deklassierung der Lokalpriester zugunsten des Zentraltempels führte zur Schaffung weltlicher Richter in den Landorten: das Interesse der Tempelpriesterschaft kam also dem Interesse der Bauern entgegen und lief auch hierin dem der lokalen ländlichen Geschlechter entgegen: eine im Orient sicher oft typische Situation. Das gab – wie wahrscheinlich überall im Orient – den Anstoß zur Entstehung von Anfängen einer rechtsprechenden Bureaukratie: Bureaukratisierung und Theokratisierung gehen Hand in Hand, hier, wie (augenscheinlich) schon in den seinerzeit erwähnten Verwaltungsordnungen der Sumererkönige. Die »armenpolitische« Anlegung von lokalen Getreidemagazinen, in welche jede dritte Jahresrate des Zehnten deponiert werden soll, entspricht gleichfalls dem Typus des orientalischen theokratisch-bureaukrati schen Stadtkönigtums. Andererseits aber bricht überall die Abneigung gegen das »ägyptische Diensthaus«, d.h. gegen ein Königtum, welches, wie Salomo, seine Macht nach Art der Pharaonen durch eigenen Handelsbetrieb, Burgen- und Magazinbau (»Kornhäuser, Städte der Wagen und Städte der Reiter« 1. Kön. 9, 19) mittels Robot und Steuern der Untertanen stützt, hervor. (Wer die Realität der alten Tradition vom ägyptischen Aufenthalt Israels bezweifelt, der mag annehmen, daß – schon im alten Gesetz – »Aegypten« nur den Typus abgibt für den populären Protest gegen den Druck des orientalischen Leiturgie-königtums überhaupt, wie er ganz in diesem Gedankenzusammenhang z.B. Samuel – 1. Samuel. Kap. 8 und 12 – in den Mund gelegt wird, – ein Druck, aus welchem die Priester, ehemals durch den Aisymneten Mose, und jetzt wieder, das Volk errettet zu haben beanspruchen: – hier soll natürlich diese Aufstellung nicht vertreten werden.) – Das Deuteronomium sucht, wie schon das alte Gesetz und wie die theokratischen Gesetzgebungen überhaupt, die Garantien gegen den Gewaltmißbrauch der Besitzenden zu steigern: die Pfändungsbeschränkungen des alten Gesetzes werden (Deut. 24, 10) zu einem absoluten Verbot, das Haus des Schuldners zur Pfandnahme zu betreten, es wird die Pfändung der Hausmühlen verboten und die alte Haftung der Söhne für den Vater und umgekehrt in Kriminalsachen beseitigt, der Menschenraub (jetzt auch der von Frauen und Kindern) mit dem Tode bedroht, die Auszahlung des Lohnes am selben Tage geboten, die Schuldeintreibung im Sabbatjahr suspendiert (so deutet Merx die Stelle Deut. 15, 3 wohl mit Recht), die Befreiung aller durch Selbstverkauf in Knechtschaft Geratenen im siebenten Jahr eingeschärft, endlich und vor allem das Zinsnehmen auf den Verkehr mit Stammfremden beschränkt: die praktische Bedeutung könnte allenfalls eine zeitweise Beschränkung des aktiven Zinsdarlehengeschäftes auf die Metöken (und vielleicht, nach babylonischem Muster, den Tempel) gewesen sein (gerade weil Deut. 15, 6 als erwünschte Folge hervorhebt, daß der Jude Fremden borgen, von ihnen aber nicht borgen werde, ist dies wahrscheinlich). – Die familienrechtlichen Bestimmungen des Deuteronomiums zeigen die Wandlung, in welcher die Gliederung der Familie und auch die Gesichtspunkte, unter denen man sie betrachtete, begriffen waren. Die Kindespietätspflicht wird – nur unter Ausschluß eigenmächtiger Tötung – schroff betont. Aber der alte Patriarchalismus wird stark durchbrochen: In der Zeit des Gesetzes gehörte die mit dem Brautpreis (mohar) erworbene Frau – im Gegensatz zu der nicht bezahlten, daher (wie in allen alten Rechten) bei ihrer Sippe verbliebenen – einfach zum erkauften Mobiliarbesitztum des Mannes, die Tochter zu den Handelsobjekten des Vaters. Nur die Ehefrau war, als Israelitin, gegen die Behandlung als Verkehrsobjekt wie eine Kaufsklavin, und der Sohn gegen dauernde Versklavung durch Verkauf geschützt. Dagegen nahmen Bastarde und selbst »Hurenkinder«, wenn der Vater sie anerkannte, am Erbe teil und konnte der Vater sein Gut willkürlich unter die Kinder verteilen. Dies hat sich jetzt vielfach geändert. Zwar die Bestellung einer Mitgift als Regel ist (wie der babylonische Name für dos zeigt) erst nachexilisch, ebenso die Ausbildung fester Grundsätze für die Wittumsehe (Ketuba = Verschreibung seitens des Mannes). Und die Ausschließung der Töchter vom Erbe und ihre Beschränkung auf Ausstattungsansprüche hat ebenfalls noch lange – hier ebenso wie anderwärts solange wie die Wehrhaftigkeit des Volks – gedauert. Aber immerhin: die patriarchale Willkür des Vaters ist geschwunden. Er muß dem Erstgeborenen sein (doppeltes) Erbteil lassen. Er kann keinen »Mamser« (Bastard oder Sohn aus unerlaubter Mischehe) zum Erben machen. Die im ganzen Orient ursprüngliche Vererbung des väterlichen Harems auf den Sohn wird verboten, die Form der – materiell nach wie vor für den Mann willkürlichen – Scheidung geregelt. Die Fortschritte der Stellung der Frau, welche in diesen (und manchen anderen) Bestimmungen sich anbahnen, sind zweifellos hier wie überall durch die Macht der Frauensippe, welche die Tochter nicht mehr als bloßes Handelsobjekt behandelt, sondern sie als Witwe und ihre Kinder als Erben gegen die Willkür des Mannes gesichert sehen will, herbeigeführt. Sie hängen mit den Anschauungen der stadtsässigen (vgl. die Beschränkung der Strafbarkeit des Verlöbnisbruches auf städtisches Gebiet Deut. 22, 23) »Geschlechter«: ihrem steigenden Drängen auf Blutsreinheit, die Sicherung der Stellung der Kinder daneben auch mit militärischen Interessen zusammen. Die Polygamie blieb natürlich – wenn auch quantitativ begrenzt – bestehen, und der das physische Blutsband als solches nichtachtende Standpunkt aller ältesten Rechte dauert in der Zurechnung der Kinder der Mitgiftsklavin zu deren Herrin in den Patriarchenerzählungen fort. Aber – wie die Ismael-Legende zeigt – verlangt die Stimmung der maßgebenden Kreise Ausschluß des »Sohnes der Magd« aus dem Erbe in Israel. Dem Interesse an dem Fortbestande des im Heereskataster stehenden ökonomisch wehrfähigen Geschlechtes dient hier wie anderwärts das Erbtochterrecht und daneben die Leviratsehe: das Recht und die Pflicht des nächsten Geschlechtsgenossen, dem kinderlos Verstorbenen »Samen« aus dessen Witwe zu »erwecken«. –
Der Grundbesitz ist naturgemäß durch Retraktrechte (später: Vorkaufsrechte) der Agnaten gebunden, im übrigen ist er in historischer Zeit veräußerlich und verpfändbar; es entspricht dem allgemeinen Entwicklungsschema und dem militärischen Charakter des Volkes, daß die Veräußerung des ererbten Gutes als schimpflich oder sündlich galt (vgl. die Geschichte von Ahab und Naboth 1. Kön. 21). Die Auslösungspflicht des Agnaten für Stammgüter ist wohl nachexilisch entstanden. – Die stärkere Städteentwicklung in der Königszeit hat jedenfalls eine gewisse Entwicklung des Handwerks gefördert: Exod. 31, 1 f. wird als mit der Besorgung der feineren Tempelschmuckarbeiten eine ad hoc berufene Künstlerfamilie, offenbar erblich, betraut gedacht, und zum salomonischen Tempelbau beruft der König phönikische Bauhandwerker; – bei der Zerstörung Jerusalems gelten dagegen die militärisch wichtigen Schmiede und Zimmerleute als »Kriegsmänner«, d.h. als leiturgiepflichtig (wie die »fabri« in Rom) und werden mit fortgeführt. Die sonst sich findenden Handwerker (Bäcker in den Städten, Walker, Töpfer) sind an Zahl offenbar recht gering; erst nach dem Exil entwickelt sich das Gewerbe kräftiger. Ziemlich stark ist vermutlich die Entwicklung großen Grundbesitzes infolge der auch hier unvermeidlich immer wiederkehrenden Verschuldung der Bauern gegenüber den stadtsässigen Geschlechtern in der Königszeit gewesen, gegen welche die Propheten (Jes. 5, 8; Micha 2, 1 f.) in der bekannten Weise eifern. Der Grundsatz des talmudischen Rechts, daß Land und kanaanäische Sklaven primäres Objekt der Haftung für Chartalschulden sind (umgekehrt lasten später jüdische Handelsschulden bekanntlich nur auf dem Mobiliarvermögen)