Gesammelte Beiträge von Max Weber. Max Weber
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Allen Poleis gemeinsam ist die Phyleneinteilung – später eine rein administrativ-militärische Gliederung des Staates, wobei die Phylen oft als Phratrienverbände erscheinen. Sie gehört einer noch jüngeren, eben der Polisstufe an, und ist normalerweise Begleiterscheinung des »Synoikismos«. Sie dient ursprünglich wesentlich dem administrativ-militärischen Zweck: eine Schichtenablösung und Umlegung der Lasten des, nunmehr als »Staat« zusammengeschlossenen, Kriegerstandes zu ermöglichen, ist also durchaus sekundär. Szanto's Formulierung, daß die drei dorischen Phylen auf dem örtlichen Zusammenhang der Grundstücke beruhten, könnte einen agrarpolitischen (Bodenteilungs-)Zweck verstehen lassen, der sich nicht nachweisen läßt. Es kommt natürlich vor, daß ein Heer von Eroberern, welches sich beim Auszug nach Phylen gegliedert hatte, nun auch erobertes Land nach Phylen verteilt und diesen die Weiterrepartition überläßt (so wohl: Rhodos); ebenso kommt vor, daß bei einem Synoikismos mehrerer annähernd gleich großer Gaue zu einer »Polis« die nunmehr gebildeten Phylen einfach jener Ortsherkunft entsprechend abgeteilt werden. Aber keines von beiden muß der Fall sein. Die dorischen Polisbildungen sind so spezifische Militärstaaten, daß sie überall die gleichen drei Phylen durchgeführt haben. Anderwärts herrscht bunte Mannigfaltigkeit. Immer aber bedeutet Phyleneinteilung im technischen Sinne des Wortes: daß eine Völkerschaft sich als eine im chronischen Kriegszustand (s.u.) befindliche Polis konstituiert hat. (Der Name φυλή mag vielfach älter sein, aber der technische Name für die »Stämme« nicht städtisch gegliederter Gemeinschaften war, wie die Terminologie der Amphiktyonen in Delphoi zeigt): »ἔθνος«.
Von dem politischen und Sozialleben der »freien« Gemeinde in der Frühzeit wissen wir Näheres nicht. Nach den Analogien anderer Völker darf angenommen werden, daß die Stellung des »Herrschers« (ἄναξ) in einer durch Viehbesitz ausgezeichneten Familie, welche durch Erfolge im Kampf und durch gerechte Urteile in Streitfällen sich als den Göttern nahestehend legitimiert hat, erblich wird. Größerer Beuteanteil, Gelegenheitsgeschenke, Geschenke der Parteien bei Schiedssprüchen bilden die Einkünfte des Fürsten. Da die Tradition alleinige Quelle der »Rechts«-Erkenntnis ist, ist für ihn der Beistand eines Rats von »Aeltesten« unentbehrlich, der naturgemäß ebenfalls bald von besitzenden und im Kampf hervorgetretenen Geschlechtern gestellt wird. Seine eigene Autorität wechselt je nach Bedarf, und dieser richtet sich vor allem nach dem Maß äußerer kriegerischer Bedrohung. – Diese den Göttern nahestehenden, daher vor allem für die Kulthandlungen unentbehrlichen, lokalen Fürsten- und Ratsgeschlechter sind auch hier der Kern der Adelsbildung. In ihren Kreisen entsteht, hier wie überall, die Idee von der Bedeutung des Blutbandes als solchen, von einer durch das Blut der Ahnen übertragenen Qualifikation: – das durch dieses Blut verbundene Geschlecht (γένος) ist die erweiterte Sippe des adeligen Mannes, die ökonomisch sich, wie schon erwähnt, in dem Zusammenhalt des Besitzes im οἶκος (ein Ausdruck, der oft mit γἶνος synonym gebraucht wird) äußert: – beides Institutionen, die ihn vom gemeinen Mann scheiden. (Die Meinung, daß von Anfang an alle Volksgenossen den Geschlechtern – als Aktiv- und Passivmitglieder – zugezählt worden seien, ist heute wohl überwiegend als Uebertragung späterer, zu Verwaltungszwecken künstlich geschaffener, Zustände anerkannt.) Ob die Geschlechter schon ursprünglich bestimmte Beziehungen zu den Phratrien hatten, wenn ja, ob sie dann innerhalb derselben mit oder ohne Kampf mit anderen, nicht ritterlichen, Phratriengenossen bestimmte Vorrechte, und welche, errungen haben, darüber scheint eine generelle Ansicht heute noch nicht erreicht, vielleicht nicht erreichbar, – und jedenfalls darf darüber nur der archäologisch geschulte Fachmann sich ein Urteil erlauben.
Die Siedelung ist ursprünglich eine dorfweise; die Orte sind unbefestigt; Mauerringe auf den Höhen bieten eventuell Schutz für Menschen und Vieh. Die Auffassung des Bodenbesitzes als Unterlage und Zubehör des, auf Zugehörigkeit zur Kriegergemeinschaft beruhenden, Genossenrechts äußert sich in der späteren Zeit, außer in der Mitwirkung der Phratrie bei der Anerkennung als suus heres (s.o.), noch in der Gestaltung der Eigentumsklage des klassischen Rechts. So wenig wie der frührömische Eigentumsprozeß kennt das klassische griechische Recht die einseitige petitorische Klage auf Grundeigentum und Erbschaften. Ueber diese ebenso wie über die publizistischen Rechte und Pflichten des Einzelnen – soweit diese möglicher Gegenstand eines Prozesses waren (Leiturgien, Namenrechte, Zugehörigkeit zur Phratrie) – wurde vielmehr im Wege des auf Kontravindikation beruhenden Diadikasien-Prozesses präjudiziell nach relativ besserem Recht entschieden (und aus ganz dem gleichen Grunde bei allen). Die einseitige Exmissionsklage (δίκη ἐξούλης, dem römischen Interdikt juristisch ungleichartig, aber in der Funktion nahe verwandt) steht nur bestimmten zur Eigenmacht befugten Berechtigten zu, deren Recht durch Urteil, staatliche Assignation, anerkannte Suität (s.o.) und Pfandbesitzerqualität (vgl. das römische precarium) evident und liquide gestellt war, und ist ebenfalls keine absolute, sondern eine Klage aus relativ besserem Rechte. (Meines Erachtens sehr zutreffend findet G. Leist den Grund des Fehlens der absoluten Eigentumsklage im griechischen Recht in dem Fehlen der römischen Usucapion.)
So wenig wie die alte römische darf man sich die ursprüngliche griechische Flurverfassung der germanischen Hufenverfassung ähnlich denken. Ob bei der Feldbestellung je flurgemeinschaftliche Elemente mitspielten, ist uns durchaus unbekannt. Die Appropriation des Bodens kann allerdings ursprünglich keine unbedingt definitive gewesen sein. Denn daß die politische Gemeinde der homerischen Zeiten über die jeweilige Ackerzuweisung an die Einzelnen ziemlich autokratisch verfügte, lehren manche Nachrichten, – so allein schon die mehrfach erwähnte Ausscheidung von »Königsland« (τέμενος) aus der Feldflur bei Erhebung eines Geschlechts zur Königswürde. Die attischen Dorfgemeinden (δῆμοι) haben noch im 4. Jahrhundert sehr bedeutende, damals durch Pachtung genutzte Ländereien inne, die sie sicherlich von jeher besessen haben. Im 4. Jahrhundert wurden sie – ursprünglich jedenfalls Allmendweiden – vielfach als Felder und Gärten angebaut. Dagegen die für Feldgemeinschaften mit Flurzwang nach Art der deutschen Dörfer angeführten angeblichen Zeugnisse (Ridge way) sind in keiner Weise beweiskräftig. Die Wahrscheinlichkeit ist, nach orientalischen Analogien, nach der Art des Pflügens bei den Südeuropäern überhaupt, und bei dem – soviel bekannt – fast völligen Fehlen der Servituten entschieden dagegen. Der Ausdruck κλῆρος mag auf »Verlosung« der Feldanteile bei Neusiedelungen zurückgehen, – eine periodische Neuumteilung erweist er keinesfalls. Bei Homer tritt er in der Doppelbedeutung: 1. Land, welches der Fürst seinen Hausgenossen zuweist (Eumaios) und 2. Landanteil des Kriegers als solchen, auf. – Die Bedeutung der ewigen Weide tritt bei Homer hervor. Da eigener Flachsanbau erst für Thukydides' Zeit, Hanf erst zu Plinius' Zeit in Kleinasien sicher