Ein Lord wie kein anderer. Inka Loreen Minden

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Ein Lord wie kein anderer - Inka Loreen Minden

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erregen und zu verraten, wer sie wirklich war. Zum Glück war ihr Ehemann in London nicht allzu bekannt gewesen und seine wenigen »Freunde« hatten ihn »Edward« oder »Ed« gerufen.

      Der Butler trat zur Seite und bat sie mit einer Handbewegung ins Haus. »Bitte folgen Sie mir, Mrs Rowland.«

      Sie wartete, bis er die Tür geschlossen hatte, und schritt langsam hinter ihm her. Sie hatte jedoch kaum Blicke für den leicht gebückt laufenden Bediensteten übrig, denn die Einrichtung des Hauses erweckte ihr Interesse. Wie in den meisten noblen Anwesen war auch dieser Eingangsbereich schachbrettartig gefliest. Antike, vermutlich römische und griechische Statuen standen hier und da auf Säulen verteilt; fliederfarbene Tücher schmückten die Wände. Emily erkannte definitiv eine weibliche Note, aber auch Daniels Geschmack und sein Faible für alte Kulturen.

      Als der Butler sie in einen kleinen bordeauxfarbenen Salon brachte, stockte ihr Herzschlag und ihre Hoffnung auf eine Anstellung sank gen null. Bestimmt zehn weitere Frauen, junge wie alte, saßen auf den edlen Polstern, nippten schweigend an ihren Teetassen und starrten sich böse an, als ob das helfen würde, ihre Konkurrentinnen aus dem Spiel zu nehmen.

      Oh nein, sie war also nicht die Einzige, die sich eine gut bezahlte Arbeit bei Daniel … bei dem Earl of Hastings erhoffte. Wie hatte sie das auch nur glauben können?

      Meistens erhielten Kindermädchen nicht mehr als Kost und Logis. Aber in der Anzeige, die Emily gestern in der Zeitung »The Times« gefunden hatte, stand etwas von einer großzügigen, monatlichen Apanage, mit der sie sich schon nach wenigen Jahren in Daniels Diensten ein neues Leben aufbauen könnte. Denn erneut zu heiraten, kam für sie nicht in Frage.

      Sie setzte sich auf den letzten freien Platz des Sofas, woraufhin sie von einer fülligen Alten und einer biestig dreinschauenden Jüngeren eingerahmt wurde. Emily lächelte müde und nickte den Damen zu, danach ließ sie sich von einem anderen Diener, der hier bereitstand, Tee einschenken, den sie dankend entgegennahm.

      Vielleicht sollte sie lieber gleich wieder gehen …

      Die kleine Rebellin in ihr, die sie lange nicht mehr gehört hatte, beschwerte sich lautstark: Wie kannst du jetzt ans Aufgeben denken? Nun bist du schon einmal hier – was hast du zu verlieren?

      Das stimmte. Außerdem war Emily neugierig, wie Daniel jetzt aussah. Ob er sich stark verändert hatte?

      Möglichst unauffällig spähte sie über den Rand ihrer Tasse, um die anderen Frauen zu beobachten und vielleicht etwas über sie zu erfahren. Natürlich konnte sie in keine hineinsehen, und deren Kleidung verriet auch nicht viel über ihre Kompetenzen. Fast alle wirkten so, als wären sie der bevorstehenden Aufgabe gewachsen – bis auf ein Mädchen, das Emily auf keine fünfzehn Jahre schätzte. Nervös knabberte sie an ihren Fingernägeln und zog geräuschvoll ihre triefende Nase hoch, was ihr von den anderen Anwesenden empörte Blicke einbrachte.

      Emily wog ihre Optionen ab. Sie besaß Manieren und hatte eine gute Ausbildung genossen – beziehungsweise hatten ihre Eltern, Gott habe sie selig, keine Kosten bei ihren Hauslehrern gescheut. Zudem war sie die Tochter eines Baronets. Zwar ohne Titel – wenn sie ihre kleine Schwindelei durchzog –, aber sie stammte aus gutbürgerlichem Hause. Außerdem hatte sie bisher Claires Kindermädchen bei der Versorgung der Zwillinge unterstützt. Sie konnte Windeln wechseln, wusste, wie man ein Baby oder Kleinkind beruhigte und welche Tees bei Fieber oder Bauchschmerzen halfen. In den letzten drei Jahren hatte sie viel gelernt. Hoffentlich waren das gute Voraussetzungen, die Stelle zu bekommen. Ihre Trauerzeit war auch vorbei, weshalb sie keinen schwarzen Stoff mehr tragen musste und nicht länger aussah wie der Tod. Claire hatte ihr einige ihrer älteren Kleider geschenkt, und Emily hatte sie selbst etwas enger genäht. Ja, sie fand, sie wirkte darin sehr anständig und vertrauenerweckend, aber leider unterschied sie sich auch kaum von den meisten anderen Frauen. Daniel würde sie wahrscheinlich nicht einmal bemerken. Oder suchte er womöglich gar nicht persönlich das neue Kindermädchen aus? Schließlich war er ein Adliger – ein Peer.

      Hätte Emily ein eigenes Kind und wäre reich, würde sie sehr wohl selbst bestimmen wollen, wer ihr Baby von nun an versorgen, in den Armen halten, streicheln würde … Sie schluckte hart bei dem Gedanken, nie ein eigenes Kind bekommen zu können, und versuchte sich lieber eine Strategie zurechtzulegen, um diesen Kampf zu gewinnen. Früher hätte sie auch nicht einfach aufgegeben. Doch als sich die Tür öffnete und der Butler die erste Bewerberin bat, mit ihm zu kommen, konnte sie sich kaum noch konzentrieren. Außerdem schien es Ewigkeiten zu dauern, bis er die nächste aus dem Salon führte, und bei jedem Mal dachte Emily, der Angestellte würde nun den Rest von ihnen nach Hause schicken, weil das perfekte Kindermädchen längst gefunden war. Sie hoffte, dass sich Daniel erst einmal alle der Reihe nach anschaute, bevor er sich entschied.

      Die Minuten zogen sich ins Endlose, und auch die Zeiger der alten Standuhr, die in einer Ecke lautstark vor sich hintickte, schienen immer langsamer zu wandern.

      Zwei Stunden später, als sie ganz allein auf dem Sofa saß und das Warten kaum noch aushielt, holte der alte Butler auch sie endlich. Sie folgte ihm die marmornen Stufen mit der bronzenen Balustrade nach oben in den ersten Stock. Weiche Teppiche dämpften ihre Schritte, als sie durch einen dunklen Flur schritten, in dem Portraits hingen. Emily erkannte die Gesichter von Daniels Eltern und auch ihn selbst als jungen Mann. Auf dem Bild wirkte er unglaublich ernst und beinahe ein wenig gelangweilt. Sein dunkles Haar war akkurat gekämmt und seine Kleidung saß perfekt.

      Sie verkniff sich ein Grinsen, denn ganz bestimmt hatte er sich gelangweilt, als er so viele Stunden lang vor dem Maler stillsitzen musste. Während der Butler an eine Tür klopfte und sie ankündigte, verging ihr das Lächeln jedoch sofort wieder, als ein Mann von innen rief: »Nur herein, Smithers!« Nun wurde es ernst.

      Ihre Knie zitterten, während sie eintrat, und sie krallte die Finger in den kleinen Stoffbeutel, in dem sich etwas Geld, das sie sich mit Nähen verdient hatte, die alte Uhr ihres Vaters und ein Taschentuch befanden. Die Sonne schien durch zwei hohe Fenster und Staub glitzerte in dem goldenen Licht. Kurz kniff Emily die Lider zusammen, weil sie ein Lichtstrahl im Gesicht traf, weshalb sie für einen Moment bloß völlige Schwärze wahrnahm. Das Arbeitszimmer war allerdings auch recht düster eingerichtet worden und die mahagonibraunen Möbel stammten gewiss noch von Daniels Vater. Es roch nach Tinte, Papier und Leder; in einem großen Regal an der Wand reihten sich viele dicke Bücher aneinander.

      Emily ließ den Blick schweifen, und ihr stockte der Atem, als sie erkannte, wer hinter dem wuchtigen Schreibtisch saß. Daniel! Beinahe hätte sie seinen Namen ausgesprochen und wäre auf ihn zugelaufen, um ihn zu umarmen. Plötzlich wollte sie ihrem Freund aus Kindertagen erzählen, was sich in den letzten Jahren zugetragen hatte, aber sie besann sich gerade noch rechtzeitig. Bestimmt war er nicht länger der leicht rebellische Junge von damals. Er war jetzt fünfunddreißig Jahre alt – ein ernster und gewissenhafter Earl. Außerdem schien ihr gesamter Körper schlagartig gelähmt zu sein, bis auf ihr Herz, das donnerte wild in ihrer Brust.

      Kurz sah er von seinen Papieren auf, in die er stirnrunzelnd vertieft war, und sagte: »Bitte setzen Sie sich, Mrs …« Er blickte erneut auf einen Zettel. »Rowland.«

      Im Grunde dürfte sie sich »Viscountess« schimpfen oder »Lady Rowland«. Aber sie wollte weder mit ihrem verstorbenen Gatten noch mit seinem Titel etwas zu tun haben und die Vergangenheit nur noch hinter sich lassen, um ein neues Leben zu beginnen. Da sie bis zum Tod ihres Mannes einige Jahre auf dem Land gelebt hatte, hoffte Emily, dass Daniel der Name »Rowland« nicht geläufig sein würde.

      Der Butler brachte sie noch bis zu dem gepolsterten Stuhl, der gut einen Meter vor dem Schreibtisch stand, sodass sie Daniel direkt gegenübersitzen würde.

      »Einen schönen guten Tag, Lord Hastings«, murmelte sie, während sie Platz nahm, und konnte den Blick einfach

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