Ein Lord wie kein anderer. Inka Loreen Minden
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ein Lord wie kein anderer - Inka Loreen Minden страница 6
Anstatt die Flucht ergreifen zu wollen, dachte sie unentwegt daran, wie sich Daniels Lippen auf ihrem Mund anfühlen würden. Das, was sie gerade spürte, dieses Kribbeln in ihrem Magen und das sanfte Pochen zwischen ihren Schenkeln, hatte sie bisher bei keinem anderen Mann wahrgenommen. Ein Funken, der nie erloschen war, fraß sich durch ihren Körper und entzündete in rasanter Geschwindigkeit jede einzelne Zelle, bis ein Großbrand in ihr wütete. Sie hatte geglaubt, über Daniel und alle anderen Männer dieser Welt hinweg zu sein, schließlich war sie damals bloß ein kleines, verträumtes Mädchen gewesen! Aber die alten Gefühle flammten urplötzlich wieder auf und loderten höher denn je, als hätte nie ein halbes Leben zwischen ihnen gestanden.
Lauernd starrte er sie an wie eine Großkatze, die jede Sekunde über ihre Beute herfallen würde oder … wie ein Lüstling! Schlagartig blieb ihr die Luft weg und sie wurde sich bewusst, dass sie sich ganz allein mit einem großen, starken Mann in diesem Raum befand. Sie hätte nicht die geringste Chance gegen ihn! Nun raste ihr Herz aus Furcht so schnell und die warmen Gefühle in ihrem Magen wichen einem eisigen Stechen.
Allein …
Emily war jetzt keine Lady mehr, die eine Anstandsdame brauchte, sondern eine verwitwete, einfache Frau – eine Bedienstete! Es gab Herren, die nutzten ihre Stellung aus, um von ihrem Personal gewisse Gefälligkeiten zu fordern, oder sie würden denjenigen entlassen. Viele gingen auf diesen abartigen Handel ein, weil sie sonst auf der Straße landeten.
War Daniel vielleicht solch ein Mann? Einer, der seine Macht missbrauchte?
In ihrem Kopf drehte sich alles, als sie sich an die langen, einsamen Monate in Edwards Landhaus erinnerte. Ohne ihre Zofe Mary, ohne die Briefe an Claire und die Gartenarbeit wäre sie wohl durchgedreht. Emily war oft allein mit Edward und meist war keiner in der Nähe gewesen, der mitbekam, was er ihr antat … Hastig schüttelte sie die qualvollen Erinnerungen ab. Hier war sie nicht allein, Daniel besaß viele Angestellte.
Als er sich plötzlich straffte und hinter seinen Schreibtisch setzte, atmete sie auf. Nicht jeder Mann musste solch ein Widerling wie Edward sein. Daniel war ein Mann von Ehre!
Langsam kehrte sie zurück ins Hier und Jetzt. Was hatte sie sich zuvor bloß ausgemalt? Daniel würde weder über sie herfallen, noch sie jemals küssen. Außerdem durfte sie sich keine Chancen bei ihm ausrechnen, auch wenn sie beide verwitwet waren. Ihr Leben war nun einmal kein Märchen, sondern bittere Realität. Bestimmt hatte er nach dem Tod seiner Frau viele Verehrerinnen und sich bereits erneut verlobt, schließlich brauchte er einen männlichen Erben.
Er war ein Earl und sie ein Nichts, eine Frau ohne Rang und Namen, die ihm niemals ein Kind schenken konnte.
Emily, woher kommen denn plötzlich diese Gedanken?, schalt sie sich. Sie wollte nie wieder von einem Mann abhängig sein! Leider konnte sie ihre Gefühle für Daniel nicht abstellen.
Himmel, sie sollte gehen. Bräuchte sie das Geld nicht dringend, würde sie sofort umdrehen und davonlaufen, um ihr Herz, das bereits genug gelitten hatte, zu schonen. Denn wie sollte sie es nur ertragen, mit dem attraktivsten Lord von ganz London unter einem Dach zu leben, wenn sie niemals mit ihm zusammen sein konnte?
Kapitel 3 – Lady Rowland
Daniel glaubte, der Frau schon einmal begegnet zu sein, und er war tief in Gedanken versunken gewesen, während er sie gemustert hatte, anstatt sie nach ihren Reverenzen zu fragen. Doch dann hatte sie verängstigt zu ihm aufgeblickt, woraufhin er sofort auf Abstand gegangen war.
Verdammt, was hatte er sich nur dabei gedacht, sie dermaßen zu bedrängen? Er verhielt sich ihr gegenüber, als würden sie sich bereits ewig kennen! Zumindest ihm kam es so vor. Sie wirkte vertraut auf ihn, aber vielleicht hatten das Kindermädchen einfach an sich. Mrs Rowland, hingegen, schien sich plötzlich unwohl zu fühlen.
Daniel räusperte sich, tat so, als würde er etwas notieren, und blickte schuldbewusst von seinen Papieren auf, weil die Frau keinen Laut mehr von sich gab – seinetwegen. Verflucht, er hatte sie bestimmt nicht einschüchtern wollen! Sie war für heute die letzte Kandidatin und er froh darüber, denn ihm brummte bereits der Schädel. Dieses Auswahlverfahren nervte ihn, und bisher hatte ihm noch keine Bewerberin wirklich zugesagt, bis auf Mrs Rowland. Sie machte von allen den besten Eindruck. Hoffentlich hatte er sie nicht vergrault.
Er wünschte, seine Frau würde noch leben. Imogen hatte das erste Kindermädchen für ihre Tochter ausgesucht, doch leider musste Lizzy Brooks ihn nun aus privaten Gründen verlassen. Daniel hätte nie gedacht, dass es so schwer werden würde, eine geeignete Person zu finden, der er Sophia anvertrauen würde.
Er beherrschte sich, die letzte Kandidatin nicht wieder ausgiebig zu betrachten, aber es fiel ihm schwer, den Blick von ihr abzuwenden. Mrs Rowland … Er musste zugeben, dass sie die schönste von allen war, die heute auf diesem Stuhl Platz genommen hatten.
Daniel bildete sich das nicht ein – sie kam ihm vertraut vor. Doch er wusste nicht woher! Erneut versuchte er, sie zu mustern, aber diesmal weniger direkt. Ihre Haut war nicht so bleich wie die vieler anderer Frauen. Bestimmt ging sie mit den Kindern oft vor die Tür. Winzige Sommersprossen verteilten sich um ihre Nase, ihre Lippen wirkten rosig und voll, und unter ihrer Haube lugte eine gekringelte, rote Locke hervor. Sie musste schrecklich aufgeregt sein, weil sie völlig vergessen hatte, den Hut abzunehmen. Am meisten fesselte ihn jedoch dieser tropfenförmige Leberfleck an ihrer Wange, der beinahe wie eine Träne aussah. Wo hatte er dieses Mal bloß schon einmal gesehen?
Kurz blitzte das Gesicht eines rothaarigen, blassen Mädchens vor seinem geistigen Auge auf. Jetzt wusste er, warum sie ihm so vertraut vorkam. Mrs Rowland erinnerte ihn an Emily Collins!
Daniel hielt für einen Moment die Luft an. Konnte es sein …
Seine Mutter hatte ihn vor ein paar Jahren gefragt, kurz bevor sie an einer Lungenentzündung gestorben war, ob er sich noch an das Nachbarsmädchen Emily erinnern könnte. Mutter war völlig aus dem Häuschen gewesen, weil sie einen Viscount geheiratet hatte! Daniel hatte damals so viele andere Dinge im Kopf gehabt, dass er danach gar nicht mehr an sie gedacht hatte. Doch wie hatte er sie bloß vergessen können, die kleine, viel zu dünne Em mit den Sommersprossen um ihre süße Stupsnase und der wilden feuerroten Mähne? Er fühlte sich gerade richtig schlecht. Daniel hatte ihre Gespräche genossen, denn sie hatten ihn von seinem Studium und den zukünftigen Verpflichtungen abgelenkt. Natürlich hatte er bemerkt, wie verliebt Em in ihn gewesen war, was er amüsant gefunden hatte. Doch damals war sie ein Kind gewesen und hatte nicht im Geringsten dasselbe Interesse in ihm geweckt. Jetzt saß eine erwachsene Frau vor ihm. Eine, die einen anderen Mann geheiratet hatte und vielleicht immer noch um ihn trauerte und … die Daniel bestimmt für einen Schwerenöter hielt. Er hatte sie angestarrt wie Casanova persönlich!
Er musste sichergehen, ob sie es wirklich war. Denn wenn es stimmte, was Mutter ihm über Emily Collins’ Heirat erzählt hatte, konnte die Frau vor ihm unmöglich dieselbe Person sein. Doch wie hoch waren die Chancen, dass hier jemand saß, der rote Haare, Sommersprossen und diesen ganz besonderen Leberfleck hatte? Dazu diese grünbraunen Augen, die ihn damals schon mit so viel Neugierde betrachtet hatten …
Als sie sich mit dem kleinen Finger schnell am Nasenrücken kratzte, stockte Daniel der Atem. Sie war Emily Collins! Genau dasselbe hatte sie immer gemacht, wenn er sie in Verlegenheit gebracht hatte! Bloß war sie nicht mehr das dünne Mädchen von damals, sondern eine wunderschöne Frau.
»Em«, flüsterte er