Die Beichte - Roland Benito-Krimi 4. Inger Gammelgaard Madsen

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Die Beichte - Roland Benito-Krimi 4 - Inger Gammelgaard Madsen Rolando Benito

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Es war ein alter schwarzer Volvo, so wie der, den der Rechtsmediziner Henry Leander fuhr, der aber konnte es nicht sein. Sie versuchte das Nummernschild zu erkennen, das gelang ihr aber nicht; der Regen verschleierte die Sicht. Die Scheibenwischer sollten jetzt angehen. Das Auto sollte anspringen! Der erste Seufzer des Motors übertrug sich auf ihre Nackenhaare. Rolando sprach immer von Ameisen, die in seinem Nacken krabbelten, wenn er angespannt war – fühlten die sich so an? Sie versuchte es erneut. Noch ein Seufzer, dann sprang der Motor kurz an und erstarb sofort wieder.

      »Verdammt!«

      Das Handy war immer noch aus. Es lag ganz oben in der Tasche auf dem Beifahrersitz und wirkte eher wie eine Bedrohung als ein Mittel zur Rettung. Sie starrte es lange an, bis sie es vorsichtig anschaltete, als könne Vorsicht verhindern, was auch immer jetzt passieren würde. Mit Pieptönen ging eine SMS nach der anderen ein, sie wollte schreien. Die Umgebung des Autos war ein einziges graues Durcheinander aus verschwommenen Umrissen. Das Wasser trommelte aufs Dach und lief in Strömen über die Frontscheibe. Sie fühlte sich wie eine panische Maus, gefangen in einer Dose, auf die gemeine Jungs mit Trommelstöcken schlugen. Aber diente diese Dose hier ihrem Schutz oder war vielleicht das Gegenteil der Fall? Draußen bewegte sich etwas – oder war das bloß das Wasser, das die Scheibe hinunterströmte? Gehirn und Finger wollten nicht zusammenarbeiten; es war reine Routine, dass sie Rolandos Nummer wählte. Er ging nicht ran, sie ließ es klingeln. Versuchte es wieder. Ließ es klingeln. Ihr Hals war wie zugeschnürt und ein Schluchzer nach dem anderen entrang sich ihrer Kehle. Saß in dem Auto da vorne immer noch jemand? Sie wünschte es sich – und wünschte es sich auch wieder nicht. Vielleicht könnte dieser Mensch helfen, ihren Motor in Gang zu bringen? Sie nahm den Regenschirm vom Rücksitz, legte die Hand auf den Türgriff und wollte schon öffnen, überlegte es sich aber anders. Sie holte tief Luft und versuchte sich zusammenzureißen. Erwachsen zu sein. Die Nummer des Rettungsdienstleisters Falck war glücklicherweise in der Kontaktliste des Handys gespeichert. Die Stimme der Frau, die den Anruf entgegennahm, erschien ihr wie vom Himmel gesandt – ein freundlicherer Himmel als der dort draußen. Sie versprach, den Pannendienst zu schicken, aber es könne eine ganze Weile dauern, weil der unerwartete Wolkenbruch für eine Menge Notfälle gesorgt habe. Irene erklärte außer Atem, dass es sehr dringend sei, sie müsse so schnell wie möglich nach Hause. »Das sagen alle«, lachte die Frau und wünschte ihr einen guten Abend. Sie sah es nun deutlich durch den Regen. Jemand war auf dem Weg zu ihr. Einer, der aus dem schwarzen Volvo gestiegen war. Ein dunkler Schatten, der immer mehr die Form eines Menschen annahm, je näher er kam.

      Der Puls hämmerte ihr im Hals, dann drehte sie fieberhaft den Autoschlüssel, versuchte es wieder und wieder. Erst der Seufzer, dann ein schleifendes Geräusch … Aber dann kam der Motor. Trotz des Risikos, ihn abzuwürgen, trat sie sofort aufs Gaspedal, das Auto machte einen Satz nach vorn, der dunkle Schatten schaffte es gerade noch wegzuspringen; oder hatte sie ihn gar erwischt? Viel zu schnell fuhr sie zur Parkplatzausfahrt, endlich bekam sie die Scheibenwischer an und konnte sich orientieren. Jemand hupte aggressiv, als sie auf die Straße abbog, ohne sich zuerst zu vergewissern, ob frei war. Draußen zwischen den anderen Autofahrern wurde ihr Atem ruhiger und sie traute sich, in den Rückspiegel zu sehen. Glücklicherweise war nicht viel Verkehr, die meisten blieben bei dem Unwetter zu Hause, sonst wäre ihr gewagtes Manöver wohl nicht ohne Blechschaden ausgegangen.

      Schon ließ der Regen wieder nach, und als sie den Oddervej erreichte, war er vorbei, es klatschten lediglich schwere Tropfen von den frischen Blättern im Marselisborg-Wald. Sie war wieder ruhig. Wollte lachen. Prustete los. Wenn Rolando wüsste, wie dumm sich seine Polizistenfrau doch anstellte. Trotzdem japste sie erschrocken nach Luft, als das Handy auf dem Beifahrersitz neben ihr zu hopsen, zu tanzen, zu brummen anfing. Es war Rolando. Die Befreiung, die sie beim Klang seiner Stimme verspürte, verbannte endgültig alle Schrecken aus ihrem Körper. Vor Erleichterung hätte sie beinahe geweint.

      »Du hast angerufen. Entschuldigung, aber ich hab es jetzt erst gesehen, ich bin noch nicht dazu gekommen, dich …«

      »Das ist völlig okay, Rolando. Ich wollte nur anrufen, um zu sagen, dass ich ein bisschen später komme, aber jetzt bin ich gleich zu Hause.«

      »Dann bin ich ja einmal vor dir zu Hause. Ich brutzele uns schon mal was zu essen. Soll ich einen Wein aufmachen?«

      »Ja, tu das unbedingt, Schatz.«

      Ein tiefer Seufzer rückte alles wieder gerade. Die Normalität war wiedergewonnen, einmal abgesehen von der Tatsache, dass Rolando heute ausnahmsweise vor ihr zu Hause war. Sie brachte den Mut auf, die SMS-Nachrichten zu überfliegen, während das Auto fast von selbst den Weg nach Hause fand. In allen stand das Gleiche. Wieso gehst du nicht ran, Bitch?!!!

      Reflexartig schaute sie in den Rückspiegel und sah die Lichter dicht hinter sich. Es war der schwarze Volvo vom Parkplatz, aber nun konnte sie glücklicherweise den Giebel der Villa und den Wipfel der Blutbuche sehen. Sie beschleunigte, bis kurz bevor sie in die Einfahrt bog, fuhr eilig in die Garage und machte den Motor aus. Rolando schaute aus dem Küchenfenster. Gott sei Dank, er war zu Hause. Der schwarze Volvo glitt langsam auf der Straße vorbei und verschwand.

      13

      Es war exakt 00:00 Uhr, als sie von einem Geräusch geweckt wurde. In dem alten Kloster gab es viele Geräusche, aber an die meisten davon war sie gewöhnt. Als sie sich im Bett aufrichtete und lauschte, wusste sie nicht genau, was sie geweckt hatte, doch es schien ihr ein lauter, unmenschlicher Schrei gewesen zu sein. Sie legte sich auf das Kissen zurück und starrte hinaus in die Dunkelheit. Vielleicht ein Traum? Einer jener Träume, in denen es einem so vorkommt, als sei man wach. Nur das Trommeln des Regens gegen die Scheibe war zu hören. Aber war das nicht ein Klopfen an der Tür? Rasch setzte sie sich wieder auf und knipste das Licht an. Wieder klopfte es vorsichtig und kurz darauf steckte die Postulantin ihren Kopf herein. Als sie sah, dass sie Licht anhatte, lief sie zum Bett und machte Anstalten, sich unter der Decke zu verkriechen.

      »Was ist denn los, Schwester Laura?«

      »Hast du das denn nicht gehört? Der Schrei!«, japste das Mädchen mit kugelrunden Augen.

      »Ich weiß nicht, irgendwas hat mich geweckt. Ich habe gedacht, es sei nur ein Traum …«

      »Das war ein Schrei. Alle Schwestern haben ihn gehört, sie sind bei Schwester Anna versammelt.«

      »Mutter Helene auch?«

      »Nein, sie hat ihn wohl nicht gehört – da drüben.«

      Mutter Helenes Zimmer war das älteste und lag dort, wo der Ostflügel begann. Dort wohnten auch zwei der ältesten Nonnen, die meistens für sich waren und sich nicht viel unter die Jungen mischten. Man sah sie im Sommer im Park herumspazieren; ein Vorbild dafür, wie man wird, wenn man Gott ein Leben lang treu gedient hat. Aufrecht und majestätisch schritten sie in ihren Nonnentrachten einher, und ihre Gesichter strahlten so viel Ruhe und Lebensweisheit aus, dass Margaretha überzeugt war, selbst nie so weit zu kommen.

      »Das kann kein Schrei gewesen sein. Das war bestimmt nur der Wind.«

      »Aber das Unwetter ist doch vorbei.« Lauras Stimme klang zittrig, als friere sie.

      »Nicht ganz. Es ist draußen immer noch windig. Geh jetzt einfach wieder ins Bett.«

      »Darf ich nicht hierbleiben? Die anderen machen mir nur noch mehr Angst. Sie reden über Gespenster im alten Flügel und Schwes­ter Anne-Marie sagt, dass dort ein alter Mönch wiedergeht und dass einige ihn gesehen haben. Das eine Auge fehlt ihm und …«

      »Schwester Anne-Marie hat eine lebhafte Fantasie, natürlich spukt es dort nicht.« Sie hob die Decke an und Schwester Laura kroch zitternd darunter. Ihre Haut war kalt und Margaretha nahm sie instinktiv in den Arm, um sie zu wärmen. Es dauerte

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