Die Beichte - Roland Benito-Krimi 4. Inger Gammelgaard Madsen
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Er kam bereits am späten Nachmittag mit dem Flugzeug aus Rom und traf kurz vor der Vesper im Kloster ein. Vom Kräutergarten aus konnten sie ihn schon von weitem sehen, als er vor dem Klostertor aus dem Taxi stieg.
»Wer ist das?«, fragte Schwester Laura und strich sich mit einer schmutzigen Hand den blauen Arbeitsschleier aus dem Gesicht. Es war ein warmer Tag, aber eine leichte Brise ließ ihnen die Schleier um die Ohren wehen.
Schwester Margaretha sah nur kurz zu dem Neuankömmling hinüber und konzentrierte sich dann wieder aufs Jäten. Schwester Laura fiel es auch bei der Arbeit reichlich schwer zu schweigen. Doch sollte die Arbeitszeit in Schweigsamkeit verbracht werden, damit auch sie für stille Gespräche mit Gott genutzt werden konnte. Wenn sie alleine arbeitete, konnte sie seine Gegenwart spüren, aber Lauras Gerede störte. Daher versuchte sie der Postulantin möglichst aus dem Weg zu gehen. Auch sah sie sie immer wieder mit diesem Blick an, der ihr nicht gefiel, der irgendwie allzu tief in ihre Intimsphäre einzudringen schien. Auf eine Weise, die sie beunruhigte. Margaretha überlegte, ob sie nicht mit Mutter Helene darüber sprechen sollte. Ja, das war wohl das Beste. Sie richtete sich auf und sah die Äbtissin auf der Klostertreppe lächelnd den kleinen alten Mann in Empfang nehmen. Er hatte einen krumm gebeugten Gang, war schwarz gekleidet und kahlköpfig. Vielleicht sollte sie das Gespräch mit Mutter Helene möglichst bald suchen, damit diese die Sache ihrem Gast gegenüber erwähnen konnte, dann könnte er die Angelegenheit professionell beurteilen.
»Das ist Pater Francesco.«
»Ein neuer Lehrer?«
»Nein, Pater Francesco ist einer der besten Exorzisten des Vatikans.«
»Was? Ein …?«
»Ein Exorzist. Teufelsaustreiber.«
Laura schnürte sich sichtlich der Hals zu. Sie blickte Schwester Margaretha ängstlich an und fragte mit beklommener Stimme: »Ist denn unter uns jemand von Dämonen besessen?«
»Pater Josef hat Mutter Helene geraten, Pater Francesco die Verhältnisse im Kloster untersuchen zu lassen, weil so viele von uns von einer bösen Erscheinung beeinflusst werden.«
»Also das Gebäude! Das Kloster ist besessen!« Schwester Lauras Augen wurden so kugelrund wie in der Nacht, als sie in Schwester Margarethas Zimmer gekommen war. Eine Nacht, an die sie besser nicht zu denken versuchte.
»Genau das ist es, was Pater Francesco als Erstes herausfinden soll.«
»Und wenn es wirklich besessen ist, kann er die Dämonen dann austreiben?«
»Er ist einer der Besten«, antwortete Margaretha und wunderte sich über Schwester Lauras offenkundige Furcht vor dem Priester. Er war doch hier, um zu helfen. »Sehen wir jetzt zu, dass wir hier fertig werden.«
Schwester Laura rührte sich nicht, sie starrte wie hypnotisiert auf den Turm im Ostflügel. Ihre Pupillen waren trotz des hellen Lichts geweitet. »Weißt du, was da drin ist?«
Schwester Margaretha stützte sich auf ihre Jäthacke und sah zum Turm hinauf. Die Sonne schillerte auf dem von Grünspan überzogenen Dach. Die Fenster ähnelten dunklen leeren Augenhöhlen ohne ein Lebenszeichen. »Nichts ist da drin. Wieso fragst du?«
»Warum dürfen wir diesen Teil des Klosters denn nicht betreten? Bist du schon einmal dort drinnen gewesen.« In ihrer Stimme lag unverhohlene Neugier.
»Nein, das Gebäude ist sehr alt. Die Treppen könnten einstürzen und wegen des modrigen alten Schimmels die ist Luft ziemlich ungesund.«
Schwester Laura wandte ihr den Blick zu. Er war so starr, dass es wirkte, als würde sie trotz ihrer offenen Augen nichts sehen. »Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, glaube ich, dass der Schrei von dort gekommen ist.«
»Vom Turm?«
Die Augen des Mädchens füllten sich wieder mit Leben, voller Angst starrten sie Margaretha an. »Das weiß ich nicht, aber auf jeden Fall aus diesem Teil des Gebäudes. Wenn man nur wüsste …«
»Das kann nicht sein, Schwester Laura, dieser Teil steht leer, und außerdem hätten Mutter Helene und die älteren Schwestern den Schrei dann auch gehört. Da war kein Schrei. Nur in uns selbst. Das war der Teufel, der uns Angst machen wollte.«
Schwester Laura nahm wieder ihr Jätgerät zur Hand und fing langsam an, zwischen den Schnittlauchbüscheln zu hacken, während sie wortlos den Kopf schüttelte, als versuche sie sich davon zu überzeugen, dass sie sich irrte.
Das Ave Regina Coelorum verstummte. Die hellen Frauenstimmen verklangen in der Dunkelheit der Kirche. Was folgte, war eine göttliche Stille, wie man sie nur in einer Kirche findet. Das abendliche Stundengebet, die Komplet, war das Gebet, das sie am meisten genoss, gerade weil es mit einem an die Gottesmutter gerichteten Gesang, einer marianischen Antiphon, abschloss, und außerdem war die Komplet das letzte Gebet des Tages. Sie hatte alle vier marianischen Hymnen auf Latein auswendig gelernt und der Klang der Worte im hohen Kirchenraum war unvergleichlich. Die große Statue der heiligen Jungfrau Maria war von einer Wachskerze erleuchtet, deren flackerndes Licht ihrem milden Gesicht einen geradezu lebendigen Ausdruck verlieh; fast fühlte Schwester Margaretha die heilige Jungfrau in Fleisch und Blut vor sich stehen. Sie war nicht nur die Mutter des Jesuskindes, sondern ihrer aller Mutter. Hier gab es keine Dämonen.
Pater Francesco saß ganz hinten in der Kirche mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen. Schwester Margaretha hatte gesehen, wie er mit einem Kreuz in der einen Hand den Flur zwischen den Zimmern der Schwestern mit Weihwasser besprengt hatte. Später hatte sie sich dann mit Mutter Helene getroffen. Sie hatte ruhig auf all ihre Fragen geantwortet und nicht so betroffen über den Vorfall gewirkt, wie sie erwartet hätte. Alle könnten beruhigt auf Pater Francesco vertrauen, so hatte sie versichert, er folge Jesu Beispiel und treibe das Böse aus. Vor einigen Jahren habe er Stigmata bekommen, die ihm, so Mutter Helene, eine ganz einzigartige Verbindung zu Gott verliehen hatten. Mehrere Wochen lang hatte er blutende Nagellöcher in Händen und Füßen gehabt, Spuren der Dornenkrone auf dem Kopf und ein Wunde in der Seite, wie Christus nach dem Lanzenstich. Kein Arzt habe diese Wunden zu erklären vermocht. Pater Francesco sei Mitglied der Internationalen Vereinigung der Exorzisten, die 1990 vom bedeutendsten Exorzisten Italiens, Pater Gabriele Amorth, gegründet worden sei, hatte Mutter Helene erklärt – ohne dabei ihren Stolz darüber verbergen zu können, diesen Mann zu kennen, der selbst den Vergleich mit dem heiligen Franz von Assisi nicht zu scheuen brauche.
Als Schwester Margaretha dann hatte wissen wollen, was Pater Francesco denn genau tue, um das Böse aus dem Kloster zu vertreiben, hatte Mutter Helene einen Moment gezögert. »Er ist am liebsten ganz allein, wenn er sich den Dämonen entgegenstellt, aber er hat mir erzählt, dass dabei, neben Weihwasser und natürlich dem Kreuz, ein besonderer liturgischer Ritus Verwendung findet, mit einem Gebet an den Erzengel Michael, der ja in der Offenbarung des Johannes an der Spitze der Schlacht gegen den Bösen steht.«
»Er meint also, dass es hier wirklich etwas Böses gibt, das ausgetrieben werden muss?« Ihre Stimme hatte bei diesen Worten unbeherrscht gezittert.
»Wie ich bereits gesagt habe, ja. Die Schreie, die wir gehört haben, sind Satans Werk.« Mutter Helene berührte das Kreuz, das um ihre Brust hing, als wolle sie um Vergebung dafür bitten, diesen Namen des Leibhaftigen in den Mund genommen zu haben.
Nach der Komplet begann das große