Die Beichte - Roland Benito-Krimi 4. Inger Gammelgaard Madsen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Beichte - Roland Benito-Krimi 4 - Inger Gammelgaard Madsen страница 17
Schwester Lauras Kälte wanderte in Margarethas Körper. Sie konnte eine Gefahr in der Dunkelheit spüren. Eine andere Präsenz. Etwas Erschreckendes und Lähmendes. War das Gottes Zorn darüber, dass sie einen anderen Menschen in ihrem Bett liegen ließ, jetzt, wo sie ihm doch bald geweiht werden sollte? Aber seine Liebe war doch nicht fleischlich. Sie roch Schwester Lauras Haar und spürte ihre rechte Brust an ihrem Arm. Oder war es wegen der verbotenen Wärme und des pochenden Gefühls, das sich plötzlich in ihrem Schoß ausbreitete?
Sie versuchte, ihre Gedanken auf den vergangenen und den kommenden Tag zu lenken. Es passierte immer eine Menge, wenn Pater Josef zu Besuch war. Er umarmte die jungen Mädchen in seiner Güte, und es war wohl in Ordnung, dass er das tat. Mutter Helene sah lächelnd zu, und sie war doch sonst immer voller Ermahnungen schon bei den kleinsten Anzeichen unschicklichen Verhaltens. Wie konnte Pater Josef nur so leben? Wie konnten das alle Priester? Männer haben ein Verlangen, sie hatte das so oft gehört, ehe sie ins Kloster gekommen war. Einen Trieb, den sie nicht steuern konnten. Es musste Gottes Kraft sein, die verhinderte, dass auch Priester diesen Trieb hatten. Damit sie nicht darunter leiden mussten. Gott gab sie ihnen, diese Kraft, als Belohnung für ihre Gelübde, für ihre ewige Treue zu ihm. Sie musste wohl einfach nur fest genug glauben, dann würde er endlich auch sie auf die gleiche Weise belohnen.
Schwester Laura drehte sich mit einem kleinen Seufzer im Bett. Sie spürte ihren warmen Atem an ihrem Hals, der Atem war ruhig und rhythmisch. Ohne die Postulantin zu wecken, streckte sie ihren Arm zum Nachttisch aus und tastete im Dunkeln, bis sie den Rosenkranz gefunden hatte. Sie umklammerte ihn so fest, dass sich das Kreuz in ihre Handfläche bohrte und ihr einen neuen, anderen Schmerz zufügte.
Alle Schwestern sahen müde aus, als sie sich zum ersten Stundengebet, der Matutin, in der Kirche versammelten. Wüsste man es nicht besser, hätte man glauben können, sie hätten die ganze Nacht durchgefeiert. Kaum eine von ihnen hatte ein Auge zugemacht. Es gab auch keine Probleme mit dem Schweigen beim Frühstück. Die meisten waren in ihre eigenen düsteren Gedanken versunken und einige wirkten sogar verängstigt. Mutter Helene griff es beim Novizinnenunterricht auf.
»Eine Schwester hat mir erzählt, dass in eurem Flügel heute Nacht ein Schrei gehört wurde. Ich wollte euch bisher nichts davon sagen, aus Sorge, euch zu verängstigen.«
Niemand sprach ein Wort. Es war fast, als striche ein kalter Luftzug durch den Raum. Ein bisschen wie der, den Margaretha heute Nacht gefühlt hatte.
»Ich habe diese Schreie ebenfalls gehört und auch mich haben sie erschreckt, bis ich begriffen habe, dass es sie gar nicht gibt – nur in uns selbst.«
»Ja, aber da war ein Schrei. Wir haben ihn alle gehört«, protestierte Schwester Bodil.
Mutter Helene sah sie scharf an. »Schwester Clara nicht und Schwester Lucia auch nicht.«
Zur Bestätigung der Worte der Äbtissin schüttelten die beiden Schwestern den Kopf.
»Schwester Clara und Schwester Lucia haben ihre Gebete gesprochen. Gott war mit ihnen und hat sie vorm Teufel beschützt. Denn das ist er gewesen. Habt ihr nicht seine Gegenwart gespürt? Er kann neben deinem Bett stehen und machen, dass es dich friert und du dich wie gelähmt fühlst, sodass du keine Luft mehr bekommst.«
Margarethas Hals schnürte sich zusammen. Alle Schwestern nickten und blickten eingeschüchtert auf den Tisch herab, selbst Schwester Clara und Schwester Lucia.
»Wie oft ist das jetzt schon passiert?«, fragte Mutter Helene.
»Ein paar Nächte lang.« Schwester Bodils Stimme war leise.
»Und ihr habt gespürt, dass der Teufel wollte, dass ihr Dinge tut, von denen ihr wisst, dass sie verkehrt sind? So, als würde er die Kontrolle über euren Körper übernehmen und euch gegen Gott aufbringen wollen?«
Sie nickten. Margaretha rang ihre Hände unter dem Tisch und dachte an Lauras Brust an ihrem Arm, an ihren warmen Atem. War es Gott gewesen, der sie neben sie gelegt hatte, um sie auf die Probe zu stellen – oder der Teufel, um sie in Versuchung zu führen? War Schwester Laura vielleicht gar mit ihm im Bunde?
»Ich habe mit Pater Josef über die Sache gesprochen, er hat zugesagt, mit einem Priester zu reden, den er im Vatikan kennt. Pater Josef kommt wieder, sobald er weiß, was wir tun sollen, um das Böse aus unserem Kloster zu vertreiben. Bis dahin sollt ihr den Rosenkranz beten, so viel und so oft ihr könnt. Wir müssen nur im festen Glauben zusammenhalten, dann wird das Böse uns schon nicht versuchen können.«
Margaretha folgte dem Rest des Unterrichts mit höchster Aufmerksamkeit. Es war an der Zeit, Gott zu zeigen, dass sie ihm treu war.
14
Anne schloss auf und warf die Schlüssel auf den Küchentisch.
»Bist du das, Liebes?«, ertönte die heisere Zigarettenstimme aus dem Wohnzimmer. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie wünschte, es wäre Adomas’ Stimme und gleich würde er noch hinzufügen, er habe Mittagessen gemacht und sie solle sich einfach an den Tisch setzen. Doch so etwas käme Rose Teresa Larsen nie in den Sinn.
»Wer sonst, Mama?«, gab sie zurück und suchte im Kühlschrank nach Schwarzbrot. Als sie zur Arbeit gegangen war, hatte dort noch eine halbe Packung gelegen, jetzt war sie weg. Sie nahm eine Flasche Cola heraus und knallte die Tür zu.
»Hätte ja Adomas sein können, der wieder zu Besuch kommt.«
Hellhörig geworden stellte sich Anne in die Türöffnung zum Wohnzimmer. »Hast du mit ihm gesprochen? Ist er hier gewesen?«
Mit einem überraschten Blick schaute ihre Mutter aus ihrer liegenden Position auf dem Sofa über den Rand eines Klatschblattes zu ihr auf. »Du klingst aber ganz schön wissbegierig.« Sie richtete sich auf und legte die Illustrierte auf den Couchtisch, der von benutzten Tassen und Gläsern, einem übervollen Aschenbecher, zerknüllten Zigarettenschachteln und einem Feuerzeug überquoll: die notwendigsten Dinge, um den Tag zu überstehen. Zum Glück keine Bierflaschen mehr. Anne hoffte, dass sie bald eine Wohnung für sie fanden; so konnte es nicht weitergehen.
»Du hast also nicht mit ihm gesprochen?« Sie nahm einen großen Schluck aus der Colaflasche, um ihre Enttäuschung zu verbergen.
»Ich habe gedacht, du interessierst dich nicht für deinen Cousin. Und überhaupt für deine Familie.«
»Du wohnst doch hier.« Sie ließ sich in einen Sessel fallen, legte den Kopf an die Rückenlehne und streckte ihre bestrumpften Füße auf dem Couchtisch aus. »Mann, bin ich platt.«
Ihre Mutter klopfte eine neue Zigarette aus der Schachtel. »Glaub ich. Du bist ja auch in aller Herrgottsfrühe aufgestanden.«
»Ja, wir müssen schon morgens um vier da sein, aber dafür bin ich zur Abwechslung mal schon mittags wieder hier.«
»Ja, und müde wie ein Altersheim, sodass du nichts mehr auf die Reihe kriegst. Wo bleibt da der Spaß?«
Anne richtete sich auf. Der Rauch stach ihr in der Nase, als ihre Mutter sich die Zigarette ansteckte und einen so tiefen Zug nahm, als sei es ihr letzter für immer. »Spaß? Wer sagt, dass es immer lustig ist zu arbeiten? Aber irgendwer muss das ja tun und Steuern zahlen, damit Geld in die Staatskasse fließt, um Leute wie dich zu versorgen, die bloß auf dem Sofa rumhängen, Zigaretten rauchen und Klatschblätter lesen.« Sie bereute ihren Ausbruch sofort, wollte sich aber auch nicht für die Wahrheit entschuldigen.