Herzstücke Ostfriesland. Sönke Dwenger
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ROLLMOPS MIT MÖWENGESCHREI
Länger als 35 Jahre? Nie hätte sie gedacht, dass sie ihrer Fischbude am Helgolandkai so viele Jahre treu bleiben würde. Heidi kam der Liebe wegen von Köln an die Küste. Dafür lieben sie ihre Gäste. Fast 50 Stammkunden-Becher stehen aufgereiht hinter ihr auf dem Regal.
Manche Kunden kommen jeden Tag für ein Fischbrötchen auf die Hand oder ihren persönlichen Fischteller und den eigenen Pott Kaffee dazu – den mit dem Bild der Kaiser-Wilhelm-Brücke, nicht weit von hier hinter dem Deich, oder mit dem Fahrgastschiff »Etta von Dangast«. So weit vorne am Wind wie Heidi richtet niemand sonst hier seine Fangfrischen an. Beim flotten Zubereiten stehen die Gäste dabei, kein Fischbrötchen liegt vorgefertigt hinter der Tresenscheibe. Die Auswahl ist breit: den Bismarck bekommen Sie pur, gerollt, gebraten. Matjes pur und als Salat. Makrelen, Krabben, Scholle, Fischfrikadellen, Fischspieß, Räucherlachs. Nach Karte oder nach speziellem Wunsch, mit Beilagen oder ohne, mit Remoulade oder hauseigenem Knoblauchdip – für Landratten gibt es alternativ Schnitzel, Currywurst & Co.
Bewundern Sie Plattfische, Seehunde und andere Nordseebewohner zum Greifen nah im Aquarium am Deich, auch Haie und Pinguine können Sie dort sehen.
Wenn Sie bestellen, kaufen Sie die salzige Luft, Möwengeschrei am Kai und eine steife Brise gleich mit. Dazu Ausblick auf Boote von Zoll, Wasserschutz, Seenotrettern sowie die imposante »Rüstersiel« vom Wasser- und Schifffahrtsamt am Anleger. Wenn ein Sturm die Gischt herüberpeitscht, kommen die Gäste besonders gern, sagt Heidi. Doch wenn es zu sehr pustet und das Wasser steigt, müssen sie und Kollegin Dagmar Hüls den Platz schon mal für ein, zwei Tage räumen und ihren Imbiss-Anhänger ein paar Meter weiter ins Trockene ziehen. Von Oktober bis vor Ostern wird das Deichvorland geräumt: Winterpause. Dann kümmert sich Heidi um Haus und Familie. Beide kommen während der Sieben-Tage-Woche in der Saison zu kurz.
Heidis Grill- und Fisch-Imbiss am Helgolandkai Gründonnerstag bis 3. Okt. tägl. 10–18 Uhr · 26382 Wilhelmshaven Aquarium · tägl. 10–18 Uhr, außer 24. Dez. · Südstrand 123 · www.aquarium-wilhelmshaven.de
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STRANDCAFÉ AM U-BOOT-HAFEN
Ein gestohlenes Auto hat es in Wilhelmshaven zu spätem Ruhm gebracht: Sieben Jahre rostete der Smart im Hafenbecken vor sich hin. Bei der Versteigerung im Internet brachte der Muschel-Smart 1131,11 Euro ein. Im Strandcafé erinnert man sich gern daran.
»FAZ«, »Fokus«, »Bild«, »Welt«, »Hamburger Abendblatt«: Quasi über Nacht ist der gestohlene Smart, von einer dicken Schicht Muscheln bewachsen, berühmt. Und mit ihm sein Verkäufer, Andreas Jäger, Besitzer des Strandcafés Fährhaus am Banter See. Der romantische See war einst Hafenbecken der Kriegsmarine mit U-Boot- und Torpedo-Werft. Seit 1948 trennt ihn der Grodenwall vom übrigen Hafen. Bunker und Kaianlagen wurden gesprengt und sind heute ein Ziel von Hobbytauchern. Durch Zufall entdecken Taucher Ende 2014 den Smart. Andreas Jäger, mit einem Faible für kuriose Autos und spontane Ideen, lässt sich den Fund nahe seinem Strandcafé nicht entgehen. Er greift zu und versteigert den Wagen für einen guten Zweck. An die erzielten 1131,11 Euro für die Wilhelmshavener Tafel und an die unerwartete bundesweite Begeisterung denkt er gern zurück.
Sein Strandcafé ist inzwischen gewachsen: um eine windgeschützte Terrasse mit Blick auf den See, um lauschige Bänke am Wasser und um einen Steg, von dem Tretboote starten. Im Café kommt von den Torten bis zum Sanddornlikör-Sekt nur Selbstgemachtes auf den Tisch. Unangefochten beliebt sind auch der selbst gebackene Apfelkuchen und die hausgemachten Frikadellen. Als Gast können Sie sich hier wie zu Hause und vielleicht auch ein bisschen wie an der Copacabana fühlen. Für das Feierabend-auf-der-Terrasse-Gefühl bringen Sie Ihr Bier vom Tresen selbst nach draußen. Im Jahr 2005 hat Jäger mit vier Tischen angefangen und dann den Strandsand im Schubkarren aufgefahren. Heute veranstaltet er Grill- und Tapas-Buffets, Beach- und Mottopartys, Livemusik, Privat- und Firmenfeiern – freut sich aber auch nach wie vor, wenn Sie einfach nur See, Sonne, Sand genießen wollen.
Strandcafé Fährhaus · Henschelstr. 15c · 26382 Wilhelmshaven Anf. Mai–Ende Sept. tägl. 12 Uhr bis Sonnenuntergang · Tel 04421/23611 und 0170/247 4812 www.strandcafe-fährhaus.de · Veranstaltungen: facebook/strandcafe fährhaus
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VON DANGAST ZUR DOCUMENTA
Für diesen Rhabarberkuchen reihen Sie sich sicher gern in die Schlange. Das Anstehen vor dem Kuchentresen im Alten Kurhaus ist Kult. Beim Plaudern hat sich hier sogar schon eine Ehe angebahnt. Ständig frisch nachgebacken, duften die Rhabarberplatten ganzjährig von der Frühstücks- bis zur Abendbrotzeit.
Durch die drei Meter hohen Fenster im Speisesaal und von der großen Terrasse aus geht der Blick über den Jadebusen, der bei Ebbe leer läuft, ans andere Ufer. Der Geestrücken, der unmittelbar davor endet, bietet einen natürlichen Schutz vor Hochwasser und beste Sicht. Zum Baden und Wattlaufen starten Sie direkt vor der Haustür, zehn Meter tiefer am privaten Strand. Hausherrin Maren Tapken pflegt ihn wie das Waldstück mit den stattlichen Bäumen, die ihr denkmalgeschütztes Haus von der Landseite umringen. Sie bewahrt das ehrwürdige Anwesen bereits in der fünften Generation.
Die Mutter dreier Kinder hat Kulturpädagogik mit dem Schwerpunkt Kunst studiert und dann noch das Hotelfach von der Pike auf gelernt. So fließen beide Traditionen des Ortes Dangast – die künstlerische und die des ältesten Nordseebades nach Norderney – im Alten Kurhaus zusammen. Maren Tapken veranstaltet Lesungen, Konzerte, Open-Air-Kino sowie, als Teil des Teams, das »Watt En Schlick Festival« am Kurhaus-Strand, das 2017 den Publikumspreis »Bestes Festival des Jahres« gewann.
Markante Bilder zieren die Wände des Speisesaals, wie der mehrere Meter breite Blickfang des Beuys-Schülers Anatol. Seinen Beitrag zur Kunstausstellung documenta 6 im Jahr 1977, »Traumschiff Tante Olga«, baute er in diesem Haus. Das großformatige Bild entstand danach, zur Einweihung des Kurhauses nach der Renovierung im Jahr 1980.
Die kulinarischen Klassiker hier sind die hausgebackenen Rhabarber-, Apfel-, Pflaumen-, Käse- und Marmorkuchen. Sie gibt es den ganzen Tag über mit Kaffee oder Tee, dazu eine Mittagskarte mit nordischer Hausmannskost und ein solides Frühstück zum Start in den Tag.
Altes Kurhaus Dangast · Fr–So 9–20 Uhr · An der Rennweide 46 · 26316 Varel Tel. (Do–So) 04451/44 09 · www.kurhausdangast.de