Ein Kerl wie Samt und Seide. Will Berthold

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Ein Kerl wie Samt und Seide - Will Berthold

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erwischen. Die sind schließlich mein Privateigentum und gehen die Öffentlichkeit einen Dreck an. Und halten Sie sich bitte an meine linke Gesichtshälfte, wenn’s geht.«

      Er beobachtete, wie die War-Korrespondentin ihr Stativ verkürzte und ein Weitwinkel-Objektiv in ihre Kamera einsetzte.

      Captain Wallner starrte die junge Frau in der Uniform unentwegt an. Seinem Gesichtsausdruck nach war er – im Gegensatz zu Major Silversmith von der ›Special Investigation Section‹ – mit ganz anderen Vorstellungen befaßt als der Tücke der Russen. Neben ihm saß der schweigsame Major Tajana, Peaboddys rechte Hand; er gab sich penibel, fast pedantisch, konnte aber als früherer OSS-Officer spontan und unkonventionell handeln, im Gegensatz zu Captain Spoonwood, dessen Uniform an ihm herumschlotterte, als hätte er sie sich ausgeliehen und ohne Probe mitgenommen. Dave Spoonwood war fraglos der häßlichste, jedoch sicher auch einer der intelligentesten Offiziere des Military Government.

      »Aber unsere Politik beruht doch nun mal auf der Verständigung zwischen den Russen und uns«, sagte Captain Wallner, dessen Augen sich von Judy Tyler endlich freigemacht hatten, halblaut zu Colonel Peaboddy. »Diese Allianz ist schließlich das Herzstück unserer Diplomatie.«

      Der General hörte die Worte und griff sie auf: »Indeed, Captain«, erwiderte er süffisant: »Wenn aber diese Allianz nicht klappt, muß die Politik geändert werden. Wie nennt man einen Mann, der sein Herzstück verhätschelt und sich von ihm ständig hintergehen läßt?«

      »Einen Waschlappen«, erwiderte Colonel Rigby.

      »Richtig, Craig«, versetzte Patton, »ich denke, wir haben uns lange genug von den Sowjets Hörner aufsetzen lassen.« Er hatte das richtige Reizwort gefunden. Die Stimmung war angeheizt, trotzdem riskierte Major Silversmith eine Attacke auf seinen Befehlshaber:

      »Sie haben natürlich in vielen Dingen recht, Sir«, begann er vorsichtig – er unterstand direkt OMGUS, dem US-Oberkommando –, »aber ich denke doch, daß die Dinge nicht ganz so einfach liegen.« Trotz der allgemeinen Feindseligkeit, die der Major spürte, fuhr er fort: »Wenn wir mit den Russen brechen, arbeiten wir den deutschen Nazis direkt in die Hände.« Er wich den Augen des Generals nicht aus. »Schließlich versuchen die ja ständig, uns und die Sowjets auseinanderzudividieren.«

      »Baloney«, schimpfte Freetown, einem Ausbruch Pattons zuvorkommend. »Bosh. Ist Winston Churchill ein deutscher Nazi?«

      »Natürlich nicht, Marc.«

      »Wissen Sie, was der britische Premier gestern öffentlich festgestellt hat?« fragte er: »Die Russen werden wie Heuschrecken über ganz Europa herfallen.«

      Der geschmeidige Theater-Offizier hatte einen Nagel auf den Kopf getroffen und den meisten Anwesenden aus dem Herzen gesprochen. Er war ein mittelgroßer, gut aussehender Mann mit einem knappen Gesicht und einem offenen Blick, der gute Mensch von nebenan, der noch dazu Grips hatte. Grips und Witz.

      »Ich nehme nicht an, Gentlemen«, beendete der General das Hickhack zwischen seinen Offizieren, »daß unter Ihnen einer ist, der mich für einen Nazi hält.« Er wartete, bis sich das Gelächter gelegt hatte. »Das möchte ich vorausschicken, um nicht mißverstanden zu werden. Ich sehe mich gezwungen, festzustellen, daß die Anstrengungen, die wir unter dem Stichwort ›Denazification‹ betreiben, einem Narrentreiben gleichen. Und dieser Nonsens wird uns, wenn wir ihn nicht rechtzeitig abstellen, wie ein Bumerang an den Kopf fliegen. Genau darauf warten unsere Ex-Waffenbrüder schließlich.«

      Fast alle aus der Umgebung des Drei-Sterne-Generals standen mit ihren Ansichten hinter Patton, was nichts daran änderte, daß der eine oder andere ihn lieber auf dem Sockel eines Kriegerdenkmals gesehen hätte, denn als allgegenwärtigen Befehlshaber der 3. Armee.

      »Wir können natürlich Regierungsräte zu Straßenkehrern machen, und wir tun es ja auch«, fuhr er fort, »wir können aber nicht Straßenkehrer zu Regierungsräten ernennen, aber das tun wir auch, und diesen Wahnsinn möchte ich unverzüglich abstellen. Ich werde künftig nicht mehr dulden, daß sie einen politisch integeren, aber fachlich unqualifizierten Mann auf einen Stuhl setzen, der für ihn einfach ein paar Nummern zu groß ist.«

      Judy Tyler, die Reporterin, ging jetzt mit der Handkamera dicht an den General heran, sein Gesicht schien sie mehr zu interessieren als seine Worte.

      »Sagen Sie mir, Judy, wenn Sie abdrücken, damit ich rechtzeitig meine Wampe einziehen kann«, sagte der General ungeniert und wandte sich wieder seinen Offizieren zu. »Ich denke, wir haben uns verstanden, Gentlemen?«

      »Indeed, Sir«, antwortete Captain Wallner. »Aber wo sollen wir die qualifizierten Leute hernehmen, Sir, wenn wir sie nicht haben?«

      »Sie müssen sich eben mehr anstrengen, Captain«, entgegnete der Hochkommissar.

      Es war eine etwas billige Feststellung, denn die Officers des Military Government waren ununterbrochen auf der Suche nach Deutschen, die Entnazifizierungslücken schließen könnten. Die Löcher in der deutschen Verwaltung gingen auf Bestimmungen des fernen Washington zurück, auf die noch der ›Morgenthau‹ gefallen war, aus Anordnungen, die vorsahen, alle Parteigenossen aus ihren Stellungen zu entfernen.

      Aber die Eisenbahnzüge mußten trotzdem rollen, die zerstörten Brücken wenigstens behelfsmäßig wieder aufgebaut werden. Die öffentlichen Gesundheitsdienste hatten den Ausbruch von Massenseuchen zu verhindern, und die Verwaltung mußte dafür sorgen, daß nicht die deutsche Bevölkerung, Schwarzhändler und Fräuleins ausgenommen, pauschal verhungerte. Die Not an geeigneten Männern war so groß, daß sich das Military Government vorübergehend sogar Beamte aus der Schweiz auslieh; die – noch dazu kostspieligen – Eidgenossen waren natürlich keine Dauerlösung.

      Daß Wasser, Strom und Gas jetzt wieder halbwegs funktionierten, war nur einigen örtlichen Befehlshabern – innerhalb der Militär-Regierung ›Landkreis-Könige‹ genannt – zu verdanken, die, stillschweigend die Vorschriften umgehend, PGs weiter beschäftigt hatten, bis ein ›Informer‹ diesen Vorgang höheren Ortes denunzierte, worauf der Mann ersatzlos wieder gefeuert werden mußte. Unter diesen Umständen war es für jede Stadtverwaltung ziemlich aussichtslos, genügend Kräfte zu finden, Männer, die einen sauberen Fragebogen vorweisen konnten und doch etwas von ihrem Fach verstanden.

      Es gab sie natürlich, aber diese Leute waren zu alt oder zu gewitzt, um sich in so unsicheren Zeiten auf vage Experimente einzulassen. In einigen Fällen hatten die Amerikaner den einen oder anderen dann doch mit der Androhung überredet, ansonsten einen DP zum Bürgermeister oder Landrat zu ernennen. Seltener gab es Patent-Lösungen wie in der fränkischen Stadt Ansbach, wo ein mit illegalen Ostzonen-Flüchtlingen überladener Lastwagen zusammengebrochen war. Die Militär-Polizei nahm sofort eine Personen-Kontrolle vor und stieß dabei auf einen hohen Ministerialbeamten aus Berlin, der nicht der Partei angehört hatte. Der Mann wurde auf der Stelle zum Bürgermeister befördert.

      »Ich denke, Sie haben mich verstanden, Captain Wallner«, sagte der General zu dem Offizier, der offensichtlich mit Pattons neuer Weisung nicht einverstanden war.

      »Sir«, entgegnete er, »Vernunft und Vorschriften sind zwei Paar Stiefel. Was Sie nunmehr anordnen – darauf muß ich leider aufmerksam machen – verstößt ganz entschieden gegen die Vorschriften.«

      »Vorschriften!« schnaubte der General. »Putzen Sie sich mit Ihren Vorschriften den Arsch ab, und lassen Sie mich in Ruhe mit diesem beschissenen Papiermist.« Er sah zu der Journalistin hin: »Sorry, Judy«, entschuldigte er sich.

      »It does’nt matter, General«, erwiderte sie. »Ich lebe lange genug unter Männern.«

      Der

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