Ein Kerl wie Samt und Seide. Will Berthold

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Ein Kerl wie Samt und Seide - Will Berthold

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ihnen Patton zu.

      »Würden Sie bitte den Helm abnehmen, Sir«, bat die Reporterin.

      »Muß das sein?«

      Als Judy Tyler nickte, trennte sich der General vorübergehend von seinem goldenen Prunkstück. Da er eine Stirnglatze hatte, zog er automatisch den Kopf in den Nacken, um möglichst viel Grauhaar ins Bild zu bringen. Die Reporterin lächelte; Patton war eitel wie ein Pfau, aber ein Mann mit seinen Meriten konnte sich das Radschlagen leisten.

      Das Thema der Besprechung war den Teilnehmern nicht eröffnet worden, aber Captain Freetown, der mittelgroße Theater-Offizier – er galt als Menschenfreund schlechthin – stellte fest, daß alle Befohlenen fließend deutsch sprachen und mittelbar oder unmittelbar oder auch nur am Rande mit der politischen Säuberung befaßt waren, wenn auch nicht so übereifrig wie Captain Wallner vom ›Denazification Policy Board‹. Der Offizier schnitt ein trauriges Dackelgesicht mit tiefen Falten, das sich, als er die Reporterin sah, sofort spannte wie ein Regenschirm, prall und rund vor Erwartung. Er galt als Ladykiller, der bei der Schürzenjagd freilich mehr Eifer aufwies als Erfolg. Aber in Germany fand sich wohl für jeden Officer der Besatzungsmacht ein aufgeschlagenes Bett.

      »Diese Reporterin kenn’ ich doch«, meinte Major Zielinsky, Chef der Münchener ›Criminal Investigation Division‹ (CID). »Sie ist ebenso reizvoll wie unnahbar. Ein Pflänzchen ›Rühr mich nicht an‹. Viel Kraft. Und noch mehr Ehrgeiz.«

      »Dann lebt der General jetzt wohl gefährlich, Jim«, erwiderte der Theater-Offizier lachend.

      »Sie ist seriös, Marc«, entgegnete der Major, der für die Bekämpfung der Kriminalität zuständig war. »Nicht bloß beruflich. Sie ist verheiratet, lebt – hörte ich – aber getrennt. Wohl ziemlich schiefgegangen, die Ehe. Und jetzt müssen alle Männer dafür büßen, daß es einer bei ihr geschafft hatte.«

      »Gentlemen«, begann der General, »ich hoffe, daß es Sie nicht verwirrt, wenn Mrs. Tyler während unserer Besprechung weiter an mir herumhantiert.«

      Seine Offiziere sahen, daß ihn die Gegenwart einer Journalistin bei einer internen Besprechung nicht störte. Es war leichtfertig, aber ein Mann wie er hielt sich einfach für unangreifbar und schlug alle Warnungen in den Wind.

      Die Ressortchefs der Militär-Regierung erwarteten, daß sie einen der gefürchteten Patton-Ausbrüche erleben würden.

      Der Dolmetscher erwartete Maletta schon am Postentor; er wurde in das Wachbuch eingetragen und erhielt einen Passierschein, auf dem Betreten und Verlassen des Alabama-Depots mit Minutenangabe registriert werden mußten. Die polnischen Blauhelme wollten ihn filzen, aber der Mann mit der Aufschrift interpreter pfiff sie zurück und geleitete den ungebetenen Gast zu Lieutenant-Colonel Williams ins Storage-Office.

      »Beim Verlassen des Geländes kann ich Ihnen die Leibesvisitation leider nicht ersparen«, sagte er. »Wir haben hier verdammt strenge Vorschriften.«

      Der Weg ins Hauptgebäude war nicht weit, aber sie liefen Slalom um Berge von Vorrat. Tag und Nacht rollte Zug um Zug in das Nachschub-Camp mit dem eigenen Bahnanschluß. Unvorstellbare Mengen von Gefrierfleich, Mais, Reis, Zucker, Trockenei und Trockenmilch, von gesalzener Butter, von K-Rations, Zigaretten, Seife, Kosmetikas, Nylonstrümpfen, Unterwäsche, Wolldecken und Bettzeug, Uniformen, Schuhen, Pullovern und Mänteln, Haushaltsartikeln, Schokolade, Coca-Cola und Kaugummi, bis hin zu Autoersatzteilen, Werkzeugen, Kraftstoff und Marketenderwaren, wie Feuerzeuge, Füllfederhalter, Zigaretten-Etuis, Armbanduhren, waren hier auf dem Gelände des früheren Heereszeugamts gehortet. Der Überschuß drohte zu bersten. Die Schuppen und Lagerhäuser reichten längst nicht mehr aus. Die Güter mußten zwischen Gebäuden im Freien aufgetürmt werden, oft nur durch Zeltplanen gegen den Regen geschützt, Verderb und Diebstahl preisgegeben.

      Es gab alles, mit Ausnahme von Schnaps. Alkoholika konnte man nur in der Post-Exchange, der PX, erwerben, gegen Dollars, auf Rationcards. Bei den GIs waren die Quellen schwarzen Schnapses ebenso gefragt wie die Adressen billiger Mädchen. Viele GIs tranken, bis ihnen schwarz vor den Augen wurde, mitunter für immer, wenn sie durch Methylalkohol erblindet waren. Einige hatten für den Fusel bereits mit dem Leben bezahlen müssen. Das aber konnte die Stiftenköpfe ebensowenig vom Trinken unsauberer Destillate abhalten, wie die ständige Warnung vor Geschlechtskrankheiten von ihren ›Quickies‹.

      »Mr. Williams hat ganz wenig Zeit«, sagte der Dolmetscher, als sie auf das Storage-Office zugingen. »Er wird in den nächsten Tagen von Colonel Rice das Kommando über das Depot übernehmen. Sie können sich ja vorstellen, wie es da bei uns zur Zeit zugeht.«

      Der Mann in der umgefärbten US-Windjacke nickte gleichgültig.

      »Viel Hoffnung kann ich Ihnen nicht machen. Der Herr Oberstleutnant hat eine miserable Laune. Na ja, versuchen Sie Ihr Glück.«

      Die Stimmungslage des zukünftigen Hausherrn war schon beim Betreten des häßlichen Hauptgebäudes zu hören. Der Hitze wegen standen alle Türen offen. Man konnte noch bis in den letzten Winkel vernehmen, wie gut neue Besen kehren.

      »What a mess, Captain Miller!« tobte Williams. »Ich weiß seit langem, daß hier alle klauen wie die Raben. Die Polen, die Deutschen und auch unsere Boys, aber daß zwei komplette Waggons auf dem Weg nach Italien spurlos verschwinden, ist eine grenzenlose Schweinerei.«

      »Die Waggons werden wieder auftauchen«, versuchte der für den Gütertransport zuständige Captain abzuwiegeln.

      »Leer natürlich«, schrie der Lieutenant-Colonel; seiner Stimme nach mußte sein Blutdruck gewaltig gestiegen sein. »Setzen Sie sich mit der CID in Verbindung. Versuchen Sie Major Zielinsky an die Strippe zu bekommen. Ich möchte mit ihm sprechen. Er muß sich etwas einfallen lassen, sonst stehlen uns die noch den Stuhl unterm Hintern weg.«

      Der Hüter und Verteiler des Armeeguts stand vor einem zweifachen Problem: Einerseits hatte er das US-Eigentum vor Langfingern zu schützen, andererseits wußte er nicht mehr, wo er den Strom der Anlieferungen noch verwahren sollte. Mit einem gewissen Schwund mußte man in einem Arsenal dieser Größe immer rechnen, aber in den letzten Wochen hatte dieser jedes erträgliche Maß überschritten. Täglich meldeten die Supervisors neue Verluste. Hunderte amerikanischer, polnischer, deutscher Bediensteter arbeiteten in einer fast indischen Kastenordnung nebeneinander. Die Parias waren die Internierten mit der anrüchigen Vergangenheit. Deutsche Lagerbeschäftigte konnten es schon zu Vorarbeitern bringen. Polnische DPs in ihren dunklen Uniformen waren ihnen übergeordnet; diese wurden von den Militär-Polizisten in den olivgrünen Uniformen beargwöhnt, denen wiederum ihre Offiziere nicht trauten. Die eine Kaste filzte die andere, und so waren sie mit der Zeit alle miteinander verfilzt.

      »Es besteht immer noch Aussicht, Sir, daß die beiden Waggons unversehrt aufgefunden werden«, versuchte Captain Miller den Zorn des neuen Chefs zu glätten. »Im letzten Monat stand einmal ein ganzer Güterzug sieben Tage lang auf einem Nebengleis und nichts war abhanden gekommen.«

      »Touch wood«, erwiderte Lieutenant-Colonel Williams und klopfte auf die Holzplatte seines Schreibtisches. »Ich hasse zwar diese Herumschnüffelei«, fuhr er fort, »aber wir müssen so rasch wie möglich ein paar getarnte CID-Agenten in unsere feine Belegschaft einschleusen.«

      Mr. Williams war mit der Tochter eines US-Senators verheiratet. Seine Laufbahn müßte steil nach oben führen. Noch in dieser Woche würde er zum Colonel befördert und dadurch den ›Chikken-Rang‹ erreichen, den man so nennt, weil das Rangabzeichen eines US-Obersten einem stilisierten Huhn gleicht. Schließlich mußte man erst Colonel werden, bevor man zum General befördert wurde; daß es Bud C. Williams vor allen anderen schaffen würde, bezweifelte niemand. Es war der Lohn für die

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