Ein Kerl wie Samt und Seide. Will Berthold

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Ein Kerl wie Samt und Seide - Will Berthold

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in die Luft jagen konnte. Etwa zwanzig weiße GIs saßen auf der linken, ein Dutzend Farbige auf der rechten Seite des Gastraums, zu wenig Neger-Soldaten für die sich anbahnende Schlägerei um die sechs oder sieben deutschen Mädchen, und das waren zu wenig ›Fräuleins‹ für die Weißen wie für die Schwarzen. Vielleicht würden sie auch die Finger von ihren Girlfriends lassen und gemeinsam den Deutschen vertrimmen, der hier nichts zu suchen und wenig zu bieten hatte.

      Die rote Ria ließ den Ankömmling nicht aus den Augen, während der gedrungene Ami an ihrer Bluse herumfummelte. Offensichtlich gefielen ihr seine dunklen Augen, die halblangen, dunkelbraunen Haare, sein provozierendes Lächeln und diese Vorzeige-Zähne.

      »’n Deutscher«, stellte die fade Blondine neben ihr fest. »Den kannst du vergessen.«

      »Er schaut gut aus«, entgegnete die Freundin. »Der läßt bestimmt nichts anbrennen.«

      »Quatsch«, konterte eine Brünette, eine Art Busen-Königin: »Der ist längst abgebrannt; deutsche Männer haben jetzt den Arsch tief unten.«

      »Trotzdem schaut er gut aus«, versetzte die rote Ria hartnäckig und klopfte dem Ami neben ihr auf die Finger. »Schluß jetzt, Jimmy«, sagte sie.

      Nach den derzeitig gültigen ›Army-Regulations‹ hätte Jimmy wegen Übertretung des Fraternisation-Verbots mit Deutschen 65 Dollar Strafe bezahlen müssen. Überall im Kasernengebiet wurde auf Plakaten scharfes Durchgreifen angedroht, fällig bei jedem außerdienstlichen Gespräch mit einem der Besetzten, ob Frau, ob Mann, ob Kind, ob Greis. Die Deutschen waren für die Besetzer Aussätzige, aber die GIs pfiffen auf die Infektion.

      Jimmy raunte Ria etwas ins Ohr.

      Das Mädchen schüttelte den Kopf: »Nein, Jimmy«, sagte sie dann, »aus Liebe tut’s weh.«

      Der alte Nuttenspruch war dem Mann am Nebentisch nicht neu, auch Amerikaner kannte der Mitt-Dreißiger seit langem. In Vorkriegsqualität, er unterschätzte sie nicht. Es war müßig zu fragen, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er anno 1941 in Lima bei seiner US-Freundin geblieben wäre. Sie hatte ihn darum gebeten, hatte geweint, ihn angefleht, nicht wegzufahren, und Maletta hatte tatsächlich gezögert, den Weg angeblicher Vernunft zu beschreiten. Und diese Scheißvernunft hatte es ihm heimgezahlt, mit Wucherzinsen.

      »Wat willste denn nun haben?« fragte der Kellner.

      »Was hast du zu bieten?«

      »Alles, wat du willst. Hier geht’s nach dem Motto: Haste wat, kriegste wat, und nicht nur für den Ranzen und die Gurgel«, prahlte Charly.

      Im Pulverturm war alles zu haben, was es sonst nicht mehr gab: Schuhe, Stoffe und sogar Glühbirnen, die nach der jüngsten Anordnung der Stadtverwaltung, um sie vor Diebstahl zu schützen, allabendlich von den Beamten aus der Fassung geschraubt und im Schreibtisch verwahrt werden mußten; sie waren ein begehrter Schwarzmarkt-Artikel. Die Mangelware wurde mit einer Reichsmark pro Watt gehandelt.

      Maletta bestellte Coca mit Rum. »Habt ihr auch ein Telefon?« fragte er dann.

      »Ham wa, Junge, ham wa.«

      Der Gast stand auf, entschlossen Captain Freetown anzurufen, um eventuelle Schwierigkeiten im Alabama-Depot von vornherein auszuschalten. Doch dann setzte er sich wieder, er hatte es sich anders überlegt. Maletta haderte mit sich, weil er einen Gönner so hemmungslos ausnutzte: Er fuhr seinen Jeep, rauchte seine Zigaretten, trank seinen Whisky und saß privat mit an seinem Tisch, obwohl sich Deutsche und Alliierte in dieser Zeit nur dienstlich begegnen und nicht unter einem Dach wohnen durften. Deshalb hauste Maletta auch in der Chauffeur-Wohnung über der Garage der beschlagnahmten Villa in München-Bogenhausen. Damit es keine Schwierigkeiten gäbe, wurde er offiziell als Fahrer des Captains Freetown angestellt, was mitunter dazu führte, daß der Theater-Officer des Military Government of Bavaria zu Fuß ging, während sein Driver in eigener Sache spazierenfuhr.

      Eine Zeit-Arabeske wuchs sich zur Besatzungs-Burleske aus und es kotzte Maletta an, die Großzügigkeit dieses Offiziers so auszubeuten; aber wenn er an den Mann dachte, hinter dem er her war und den er finden und vernichten mußte, verloren sich alle Skrupel, und Maletta sagte sich, daß er keine andere Wahl hätte.

      Halblaute Musik wurde in den Raum gespült; sie wurde ausgestrahlt von Radio münchen, einem Sender der Militär-Regierung. Sie hatte es schwer, sich gegen den Lärm durchzusetzen. Zeitungen gab es – von Mitteilungsblättern der Militär-Regierung abgesehen – noch nicht.

      Die Musik brach ab. Ein Nachrichtensprecher machte nun schon zum dritten Mal darauf aufmerksam, daß Briefmarken mit dem Konterfei Hitlers künftig nicht mehr verwendet werden dürften; bislang hatten Postbenutzer zwangsläufig die Rückseite des Führers ablecken müssen.

      »Vorsicht, Pigskin!« rief die rote Ria, als der Master-Sergeant in der Tür stand. »Wieder voll wie eine Haubitze.«

      »Oversext and underfuckt«, gab die abgestandene Blondine lebendige Sprachschöpfung von sich.

      Charly flitzte dem Bullen entgegen; Schweineschwarte verlangte Schnaps. Der Kellner holte die Pulle aus dem Hosensack und goß ihm den Fusel ein, während der Mann mit dem Zwei-Zentnerzwanzig-Lebendgewicht die farbigen GIs wie ein Plantagenbesitzer seine Sklaven musterte und sich dann suchend und drohend nach einer Gelegenheit unter den ›Fräuleins‹ umsah. Die höfliche deutsche Standard-Anrede war bereits in der ersten Besatzungszeit, in der Mehrzahl gebraucht, zu einem Qualitätsbegriff für Lotter-Liebe geworden. Die Gunst ging nach Brot und nach Cigarettes, Chewinggum, Candies und Chocolates. Menschen in Millionenzahl, die Bertolt Brecht nicht gelesen hatten, überlebten das Überleben nach der Devise: »Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.«

      Der Master-Sergeant rollte wie eine Kugel an den Tisch mit den Mädchen. Er sah auf die Uhr, grinste, holte ein unangebrochenes Päckchen Chesterfields aus der Tasche, legte es auf den Tisch, packte noch ein Päckchen Kaugummi dazu und einen Riegel Schokolade. Mit einer Hand mußte sich der Master-Sergeant zwar an einer Stuhllehne festhalten, aber nach dem Ärger in Arsenal 9 hatte er eine Entspannung nötig.

      »That’s all for a quicky«, sagte er zu der Schwarzhaarigen mit der Zahnlücke.

      »Quicky?« fragte sie ihre prallbusige Begleiterin.

      »Ein Schnellfick, dumme Gans«, erklärte die GI-Kundige.

      »Let’s go«, sagte Schweineschwarte.

      »Der gibt dir noch mehr, wenn du auf Draht bist«, riet die Freundin.

      Die Zahnlücke stand auf, stapfte aus dem Raum und Pigskin wankte mit geschulterter MP hinter ihr her, auf die grüne Wiese zu, gleich hinter dem Haus, um hier die Waffe beiseite und seinen Einkauf aufs Kreuz zu legen.

      »Wo ein Wille, da ein Gebüsch«, blödelte ihnen die rote Ria nach.

      »Da staunste, Landsmann«, sagte Charly grinsend zu Maletta: »Wo gevögelt wird, da fallen Zähne.« Er lachte halblaut: »Biste wirklich aus Berlin, Junge?«

      Maletta nickte fahrig und stand auf, er hatte genug vom Fusel, von den Fräuleins und auch von Charly, er zahlte und ging nach draußen. Einen Moment blieb er stehen und sah auf die Wiese hinter dem Haus, auf der sie paarweise herumlagen und es miteinander trieben, offensichtlich so häufig, daß die Kinder längst nicht mehr kiebitzten, es sei denn, daß sie sich heranschlichen, um den Soldaten während ihrer ›Quickies‹ Zigaretten aus der Uniformjacke zu stibitzen.

      Die

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