Windsbraut. Ursula Isbel-Dotzler

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Windsbraut - Ursula Isbel-Dotzler

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allerhand tragische Ereignisse zugetragen!«, rief mein Vater. »Die beiden Brüder zum Beispiel, die sich gegenseitig erschossen, weil sie die gleiche Frau liebten …«

      » … Lady Lukas hat uns sogar den Blutfleck gezeigt, der angeblich seitdem auf dem Dielenboden ist und sich nicht mehr entfernen lässt«, redete Mama dazwischen. »Außerdem gibt es da hinter der Vertäfelung eine verborgene Nische, von der aus ein Geheimgang in die Kellerräume führt. An dieser Stelle soll mehrmals ein Mann aufgetaucht sein, sogar mitten am Tag, der durchs Speisezimmer ging und durch die Wand in der Nische wieder verschwand.«

      »Hat ihn schon mal einer fotografiert?«, fragte Simon.

      »Nein«, sagte Vater. »Aber ich werde Lady Lukas fragen, ob ich mich in den nächstenTagen mal für ein paar Stunden in ihrem Speisezimmer aufhalten darf. Ich muss den Raum sowieso genau ausleuchten und von allen Blickwinkeln fotografieren …«

      »Und du denkst, dieser Typ taucht ausgerechnet dann auf, wenn du da herumtaperst?« Simon zwinkerte mir zu.

      »Man kann nie wissen. Es ist immerhin eine Chance.«

      Mama fuhr fort: »Viel interessanter ist meiner Meinung nach dieses Schlafzimmer, das Lady Lukas selbst als junges Mädchen bewohnt hat. Eines Nachts wachte sie durch das Zuschlagen einer Tür auf; sie war damals etwa so alt wie du, Bella. Die Vorhänge waren nicht zugezogen und im Mondlicht sah sie einen Mann zum Fenster stürmen. Er machte einen furchtbar wütenden Eindruck. Seine Schritte waren auf den Dielen deutlich zu hören. Sie erinnert sich auch an seine lauten, keuchenden Atemzüge.«

      »Lady Lukas war natürlich wie gelähmt vor Schreck. Sie konnte sich nicht bewegen, schwört aber, dass sie bei vollem Bewusstsein war. Der Mann stand kurz am Fenster, kehrte dann um und ging in die Mitte des Zimmers zurück. Sie begriff, dass er sie nicht sah oder nicht sehen konnte. Sekunden später war er verschwunden«, erzählte Vater weiter.

      »Aber was mich am meisten beeindruckt hat«, fügte Mama hinzu, »war ihre Bemerkung über den Boden und die Tür. Sie sagte, sie hätte deutlich erkannt, dass die Erscheinung über einen ›anderen‹ Boden ging. Sie hörte die Schritte des Mannes auf den Dielen eines Holzbodens, während der Raum, in dem sie schlief, mit Teppichen ausgelegt war. Und auch die Tür, die der Mann zugeschlagen hatte, gab es längst nicht mehr. Der Raum war im Lauf der Zeit mehrfach verändert worden; man hatte etwa ein Drittel davon durch eine Trennwand abgeteilt, um einen zusätzlichen Flur zu schaffen. Es war jetzt nur noch eine Glastür im Zimmer. Der Mann aber hatte eine schwere Eichentür zugeschlagen. In dieser Nacht, als die Gestalt erschien, war Lady Lukas der Raum auch bedeutend größer vorgekommen als für gewöhnlich.«

      Vater unterbrach sie wieder. »Was ja bedeuten würde, dass Lady Lukas damals in eine frühere Zeit zurückversetzt war – in die Zeit nämlich, als dieser Mann lebte und der Raum noch anders aussah und anders eingerichtet war.«

      Mir wurde immer unheimlicher. Ich wäre am liebsten aufgestanden und aus dem Haus gegangen, hinaus in den Sonnenschein, um nichts mehr hören zu müssen. Fast gegen meinen Willen blieb ich sitzen und Simon, den nicht so leicht etwas erschrecken konnte, fragte: »Das ist aber doch sicher schon mehr als zwanzig Jahre her. Schläft denn heute noch einer in diesem Zimmer?«

      Mama schüttelte den Kopf. »Nein, es wird nicht mehr benutzt. Lady Lukas sagt, es sei nicht bewohnbar. Bedienstete behaupten, sie hätten manchmal auch das Schluchzen eines Kindes aus diesem Raum gehört.«

      »Ich habe gefragt, ob die Möglichkeit besteht, dass ich mal eine Nacht da verbringe, aber das wollte sie nicht«, fügte mein Vater hinzu.

      »Vielleicht, weil es ja überhaupt nicht echt spukt«, meinte Simon. »Womöglich hat Ihre Gnaden Angst, man könnte nachweisen, dass die ganzen Schauergeschichten frei erfunden sind. Sie lebt schließlich davon.«

      Mama zündete sich eine Zigarette an. »Nein, du, das glaube ich nicht. Erstens ist es sowieso fast unmöglich zu beweisen, dass es einen Spuk nicht gibt. Und zweitens ist an der Sache wirklich etwas dran, ich spür’s in meinen Knochen. Übrigens soll Darkwood Hall auf den Resten eines keltischen Heiligtums erbaut worden sein. Die Kelten nannten ihre heiligen Plätze ›Grenze‹. Es waren gefährliche Orte, wo man unversehens von der Wirklichkeit in eine übernatürliche Welt stolpern konnte, wenn man nicht aufpasste.«

      Vater machte ein nachdenkliches Gesicht. »Der Herrensitz scheint ja tatsächlich eine Art Spukzentrum zu sein – es gibt da eine Menge von verschiedenartigen Erscheinungen, die offenbar nichts miteinander zu tun haben, sondern auf ganz unterschiedliche Begebenheiten aus mehreren Jahrhunderten zurückgehen. Zum Beispiel dieser Geist in Reitkleidung, der ab und zu durch eine Wand in der Bibliothek tritt, hinter der sich eine längst zugemauerte Treppe befindet.«

      Während er Luft holte, fügte Mama rasch hinzu: »Unten in der Cafeteria, die Lady Lukas für Besucher eingerichtet hat, ist auch schon mehrmals das wilde Getrappel von Pferdehufen gehört worden.«

      »Pferdehufe?«, wiederholte ich. Meine Stimme klang dünn.

      Meine Eltern sahen mich an. Ihre Blicke waren plötzlich höchst interessiert, so als hätten sie eine ganz neue, überraschende Seite an mir entdeckt.

      »Ja, das ist in der Tat recht merkwürdig«, äußerte mein Vater. »Du hast ja auch nachts dieses Hufgetrappel gehört …«

      Wenn ich jetzt gesagt hätte, dass ich mich unbehaglich fühlte, wäre das gewaltig untertrieben gewesen. Simon merkte es als Einziger.

      »Seht sie nicht an wie eine Henne, die goldene Eier legt!«, sagte er. »Und überhaupt, für heute reicht’s mit dem Horrorszenario. Komm, Bella, wir gehen ins Dorf, Eis essen.«

      Unterwegs trafen wir Rebecca. Das heißt, wir trafen sie nicht, sie tauchte vielmehr hinter dem Gartentor auf, als wir vorbeigingen, und wir luden sie zum Eis ein.

      Sie kam mit, wie sie war, in ihrer Reithose und in eine Wolke von Stallgeruch gehüllt. Klar, dass wir schon nach zehn Minuten über Darkwood Hall redeten. Rebecca kannte natürlich alle Gerüchte, die in St. Mary in the Woods über den Spuk im Herrenhaus verbreitet wurden.

      »Die Lady ist selbst nicht ganz richtig im Kopf«, sagte sie und tippte sich dabei an die Stirn. »Meschugge, durchgedreht. Ihr Mann ist ihr schon vor Jahren weggelaufen, weil er in diesem Bunker nicht mehr leben wollte. Eins ihrer Kinder ist als Baby plötzlich in einem dieser komischen Zimmer gestorben. Und ihr Sohn ist nach Kanada abgedüst. Aber sie ist einfach nicht bereit, Darkwood Hall aufzugeben.«

      »Vielleicht kriegt sie’s ja nicht los«, meinte Simon. »Und ich nehme an, sie lebt davon.«

      »Klar würde sie die Hall loskriegen. Es waren schon allerhand Leute da, die ihr jede Menge Geld dafür geboten haben. Eine Filmfirma und irgend so ein stinkreicher Japaner …«

      Ich feilte an einem Satz. Endlich brachte ich ihn heraus.

      »Vielleicht gehören das Haus und der Spuk ja für sie zu ihrem Leben und ihrem Schicksal«, sagte ich.

      Rebecca musterte mich überrascht. Vermutlich wunderte sie sich, dass ich überhaupt mehrere zusammenhängende Worte sprechen konnte, noch dazu in verständlichem Englisch. Dann schüttelte sie den Kopf.

      »Wie kann man mit Gespenstern leben wollen?«, fragte sie.

      »Die Menschen sind verschieden«, sagte Simon. »Glauben denn die Leute im Ort, dass an den Spukgeschichten etwas Wahres ist?«

      »Sicher. Es gibt ja ein paar, die selbst schon

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