Windsbraut. Ursula Isbel-Dotzler

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Windsbraut - Ursula Isbel-Dotzler

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unter Wasser war. Die Bäume wuchsen auf dem Grund eines tiefen Sees und mitten im Wald war ein Kreis riesiger Steine aufgerichtet, durch die Licht in silbernen Bündeln flutete.

      Als ich zum Frühstück kam, saßen nur Mama und Simon am Tisch. Mein Vater war schon unterwegs.

      »Er hat sich vorgenommen, den Stein im Park von Darkwood Hall zu jeder Tageszeit zu fotografieren«, erklärte Mama.

      »Welchen Stein?«, fragte ich.

      »Ach, da gibt es einen riesigen, behauenen Felsbrocken, der noch aus keltischer Zeit stammen soll. Er ist mit rätselhaften Mustern versehen, eingeritzten Sonnenrädern oder Augensymbolen. Lady Lukas meint, er hätte einmal zu einem magischen Steinkreis gehört«, sagte Mama, ehe sie sich an ihre Schreibmaschine setzte.

      Ich musste sofort an meinen Traum denken, erwähnte aber nichts davon. Simon machte sich wieder auf den Weg zu Rebecca und Lilybeth. Diesmal, sagte er, hätte sie uns ausdrücklich beide eingeladen.

      »Sehr gnädig und huldvoll«, murmelte ich. »Aber ich sehe mich lieber ein bisschen in der Gegend um.«

      »Willst du nach Darkwood Hall?«, fragte Simon.

      Ich schüttelte den Kopf. Obwohl ich es nie zugegeben hätte, ärgerte es mich, dass mein Bruder seine Zeit nicht mit mir verbrachte, wie er es sonst bei gemeinsamen Ferienreisen immer getan hatte. Ich fand Rebecca weder besonders hübsch noch interessant. Aber vielleicht ging es Simon ja wirklich nur um Lilybeth und die Gelegenheit zum Reiten.

      Ziemlich verbissen marschierte ich in Richtung Dorf und schlug dann eine Abzweigung nach rechts über einen Feldweg ein. Eine Brücke führte über das Flüsschen, wo ein halb verfallenes Mühlengebäude mit eingesunkenem Dach stand. Zwischen lose aufgeschichteten Steinmäuerchen, überschattet von mächtigen Eichen, kam ich schließlich zu einer Buckelwiese, auf der Schafe weideten.

      Ein leichter, linder Wind säuselte in den Baumwipfeln. Als ich am Zaun der Schafweide vorüberkam, trat plötzlich ein steinalter Mann aus dem Gebüsch, begleitet von zwei zottigen Hunden, einem braunen und einem schwarzen.

      Die Hunde gaben keinen Laut von sich, beobachteten mich nur aufmerksam mit ihren bernsteinfarbenen Augen. Der alte Mann nickte mir zu und ich sagte »Hallo«, worauf er stehen blieb und mich ebenso eindringlich musterte wie seine Hunde. Er trug einen grauen Umhang und hatte verfilzte graue Locken. Haare wuchsen in seinen Ohren. Ein durchdringender Schafsgeruch ging von ihm aus.

      Ich dachte, dass Menschen, die in der Natur leben, anders aussehen als Städter. Nicht nur wegen des unterschiedlichen Outfits. Ihre Gesichter, ihre Bewegungen, ihre ganze Ausstrahlung, einfach alles ist anders. Und noch während mir das durch den Kopf ging, begann der Schäfer mit mir zu reden. Das heißt, es war eher ein Selbstgespräch, denn ich verstand ihn nicht. Er hatte fast keine Zähne mehr und sprach noch dazu einen Dialekt, den man auf keiner deutschen Schule lernt. Das einzige Wort, das mir bekannt vorkam und das ich zu verstehen glaubte, war »beware«.

      Zuletzt deutete er mit seiner braunen, schwieligen Hand in nördliche Richtung. Eine Warnung war in seinem Blick – oder bildete ich mir das nur ein?

      Vermutlich machte er sich Sorgen um seine Schafe und wollte mir zu verstehen geben, dass ich keines der Gatter offen lassen durfte, die auf meinem Weg lagen. Damals reimte ich mir das so zusammen, aber heute glaube ich es nicht mehr. Heute bin ich sicher, dass er mich wirklich vor etwas warnen wollte. Und wenn ich ihn verstanden hätte, wäre ich wohl keinen Schritt weitergegangen.

      Ich erinnere mich noch, dass ich wenig später an einen Zauntritt kam, über den ich klettern musste. Dabei schaute ich mich um und da stand er noch mit seinen Hunden und sah mir nach.

      Die Schafe blökten, ich hörte den Wind in den Bäumen raunen und ein Raubvogel schrie, der über den Schafweiden kreiste. Doch als ich das Wäldchen erreichte, war unvermittelt alles reglos wie unter einer Glasglocke und seltsam dämmrig. Tau lag auf den Blättern und den silbernen Spinnwebfäden, die sich von Zweig zu Zweig spannten.

      Das Wäldchen bestand aus einem dicht ineinander verwobenen Gespinst von Brombeerranken, Wildrosensträuchern und mit Waldreben verhangenen, riesigen Bäumen. Wie ein Tunnel führte der Pfad in dieses grüne, kühle Gewölbe aus Laub und Zweigen.

      Obwohl ich gerade noch den Wind auf meiner Haut und in meinen Haaren gespürt hatte, war es hier vollkommen windstill. Kein Blatt bewegte sich, kein Vogel huschte im Geäst, keine Tiere raschelten im Laub, das den Waldboden bedeckte.

      Unwillkürlich hielt ich den Atem an. Ich wollte umkehren, doch etwas zog mich weiter, ein Drang, der nichts mit Neugier oder Abenteuerlust zu tun hatte. Dann, in all der Stille und Reglosigkeit, an diesem Ort, der wie das Innere eines Zauberbergs war, nahm ich plötzlich einen Geruch wahr, den ich kannte: den scharfen, aber angenehmen Geruch nach Pferden.

      Der Pfad führte jetzt steil bergab. Als ich um die nächste Wegkrümmung kam, sah ich in einer Senke, halb verborgen zwischen Eichen und Rotbuchen, eine Gruppe von Reitern mit ihren Pferden.

      Die Pferde standen dicht gedrängt, streckten die Köpfe vor, kauten am Gebiss, tänzelten unruhig. Seltsam aber waren die Reiter. Sie trugen Uniformen und an Stelle von Reithelmen wunderlich geformte Hüte. Doch was vor allem meine Aufmerksamkeit erregte, war die Anspannung, die von ihnen ausging.

      Stumm saßen sie auf ihren Pferden, sahen alle in eine Richtung, weg von mir, und schienen aufmerksam zu lauschen. Einer von ihnen hatte die Hand erhoben und deutete nach links. Mich nahmen sie offensichtlich nicht wahr.

      Die Art, wie sie sich da im Dämmerlicht des Dickichts zusammendrängten, sich zwischen den Bäumen verbargen, jagte mir eine ganze Serie von Schaudern über den Rücken. Ich spürte, dass sie Angst hatten – ja, eine schreckliche Furcht ging von ihnen aus, hing wie eine Wolke über ihnen und übertrug sich auch auf mich.

      Ich trat einen Schritt zurück, in den Schutz eines überhängenden Strauches. Mein Mund war plötzlich trocken, meine Hände zitterten. Eines der Pferde schnaubte.

      Wieder wollte ich umkehren und den Weg zurücklaufen, so schnell ich konnte, doch aus Angst, mich zu verraten, blieb ich und beobachtete, wie einer der Reiter etwas Merkwürdiges tat: Er schwang sich vom Pferd, trat zwischen den Baumstämmen hervor, kniete auf dem Pfad nieder und legte den Kopf seitlich auf den Boden.

      Ich dachte: Das gibt es nicht, das ist nur ein verrückter Traum! Und doch stand ich da, roch die Pferde, spürte die Zweige und taufeuchten Blätter in meinem Nacken. Und dann, während der Mann noch dort kauerte, hörte ich jäh das ferne Trappeln von Pferdehufen und begriff, was er da machte.

      In der nächsten Sekunde schon sprang er auf. Die Reiter – es waren ungefähr ein Dutzend – wechselten geflüsterte Worte. Ich hörte nicht, was sie sagten, sah nur, wie sich ihre Lippen bewegten.

      Dann hielten sie plötzlich Waffen in den Händen – lange, blitzende Degen oder Bajonette und auch ein paar altmodische silberbeschlagene Handfeuerwaffen, die wie eine Mischung zwischen Gewehr und Pistole wirkten.

      Das Hufgetrappel wurde lauter, schwoll bedrohlich an wie eine Woge, die übers Meer rollt und gegen Uferfelsen donnert. Ein Teil von mir wusste, dass das Geräusch Unheil und Tod bedeutete, so, als wäre ich einer der Reiter dort unten und teilte ihr Geheimnis. Und doch hatte ich keine Ahnung, worum es ging, konnte die Panik nicht erklären, die sich immer stärker in mir ausbreitete.

      Eines der Pferde wieherte schrill. Mich durchzuckte der Gedanke, dass es uns verraten hatte. Denn jetzt wussten sie, wo wir waren, und nichts konnte sie mehr aufhalten.

      Endlich

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