Windsbraut. Ursula Isbel-Dotzler

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Windsbraut - Ursula Isbel-Dotzler

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sie noch jung war und da oben sauber gemacht hat.«

      »Gibt es auf Darkwood Hall Pferde?«, fragte ich.

      »Jetzt nicht mehr. Früher hatten sie wohl mal einen großen Reitstall. Die Überreste kann man noch sehen. Es gab bestimmt Platz für zwanzig Pferde. Der Urgroßvater von Lady Lukas war ein leidenschaftlicher Reiter. Vielleicht ist das ja auch der Typ, der ab und zu mal in der Bibliothek auftaucht.«

      »Stimmt es, dass man in der Cafeteria gelegentlich Hufgetrappel hören kann?«, wollte Simon wissen.

      »Ja, klar, eine Freundin hat es selbst gehört, als sie letzten Sommer mit ihren Eltern zu Besuch hier war und die Hall besichtigt hat. Sie sagt, es klang total gruselig, so, als würde ein ganzes Heer von Reitern über den Schlosshof galoppieren. Aber als sie aus dem Fenster sahen, war da kein einziges Pferd, nur die parkenden Autos.«

      In der folgenden Nacht schlief ich kaum. Ich lag in dem zu kurzen Bett und wartete und lauschte. Das Licht ließ ich brennen.

      Stunde um Stunde verging, doch nichts geschah. Ich hörte die Geräusche der Nachttiere – die Rufe der Käuzchen, das Gebell der Füchse, den entsetzten Schrei eines Vogels, der von einem Raubtier getötet wurde. Aber kein Hufschlag erklang, weder um Mitternacht noch später, als die Zeiger meiner Armbanduhr auf zwei standen. Und als gegen fünf Uhr morgens der erste Hahn krähte, wusste ich, dass die Nacht um war, und schlief endlich ein.

      Beim Frühstück stand ich für kurze Zeit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

      »Hast du etwas gehört?«, fragte mein Vater, sobald ich noch ziemlich schlaftrunken auf die kleine Terrasse trat, wo Simon und meine Eltern in der Morgensonne saßen.

      Ich schüttelte den Kopf und gähnte.

      »Versprich, dass du uns sofort weckst, falls sich in den kommenden Nächten irgendetwas Außergewöhnliches tut!«, schärfte Mama mir ein und fügte, an meinen Vater gewandt, hinzu: »Vielleicht entwickelt Bella ja einen Draht für übersinnliche Dinge, jetzt, wo sie in der Pubertät ist.«

      »Besten Dank, darauf kann ich gern verzichten«, murmelte ich.

      Der Tee schmeckte scheußlich. Meine Mutter kann überhaupt nicht kochen, nicht einmal Tee oder Kaffee.

      »Wenn man zur Spökenkiekerei veranlagt ist, ist man es, ob man will oder nicht«, belehrte mich mein Vater und biss genüsslich in sein Toastbrot.

      Nachmittags ging Simon zu Rebecca, um auf ihrer Stute Lilybeth zu reiten. »Komm doch mit!«, sagte er, aber ich hatte keine Lust und fühlte mich auch nicht eingeladen. Ich nahm meinen Fotoapparat und wanderte los, wobei ich mich möglichst weit von Darkwood Hall entfernte. Doch als ich auf einen kleinen Hügel stieg, um die weiten, geschwungenen Wiesen, die sanften Anhöhen und die Schafweiden zwischen den Hecken zu fotografieren, sah ich das Herrenhaus unter mir aufragen.

      Die Bäume bildeten eine Art kreisförmigen Schutzwall um die grafitgrauen Steinmauern. Das Haupthaus war sehr hoch; mit seinen zwei klobigen Türmen wirkte es wie eine Wehrkirche oder ein Kloster. Die niedrigeren Seitengebäude zur Rechten und Linken waren wohl erst später angebaut worden.

      Der Widerschein des Sonnenlichts ließ einige der Fenster geheimnisvoll aufblitzen. Efeu überrankte die Türme. Ich sah Raubvögel darüber kreisen und irgendwo zwischen dem Gewirr von Erkern und Dachvorsprüngen verschwinden; vielleicht waren es Turmfalken, die dort ihre Nester hatten.

      Ich versuchte in die andere Richtung zu schauen und das Flüsschen zu fotografieren, das sich friedlich zwischen Wiesen und Baumgruppen schlängelte, doch es gelang mir nicht. Immer wieder kehrte mein Blick zu Darkwood Hall zurück und schließlich fing ich an, drei oder vier Fotos davon zu machen, fast ohne es zu wollen, so als hätte jemand meine Hand geführt.

      Abends kamen unsere Eltern sehr zufrieden von Darkwood Hall zurück. Vater hatte mehrere Filme verknipst und Mama suchte nach einem hellen Fensterplatz, um ihre Reiseschreibmaschine aufzustellen und ihren Schreibkram auszubreiten.

      Simon roch nach Pferd und beklagte sich darüber, dass Vater die Hälfte des Badezimmers zu einer Dunkelkammer umfunktioniert hatte, sodass er die Badewanne nicht benutzen konnte.

      »Spätestens heute Nacht kriege ich einen teuflischen Muskelkater«, sagte er. »Ich bin mindestens vier Wochen nicht mehr geritten.«

      »War’s denn schön?«, fragte ich.

      »Lilybeth ist ein gutes Reitpferd, aber ziemlich schreckhaft. Beinahe wäre sie über die High Street gebrettert, nur weil uns auf dem Weg zu Rebeccas Haus ein Huhn begegnet ist.«

      Weil keiner von uns Lust hatte zu kochen, gingen wir in die Dorfkneipe und aßen Fisch und Pommes mit viel fetter Majonäse. Ein paar ältere Männer, die an einem Tisch beisammensaßen, musterten uns verstohlen. Meine Eltern überlegten, wie sie ihre Story vom Spuk von Darkwood Hall am besten aufziehen sollten.

      »Ich bin für den keltischen Aufhänger«, sagte Mama. »Das gibt dem Artikel einen ganz besonderen, ungewöhnlichen Touch.«

      »Dass Darkwood Hall an einem Ort steht, der den Kelten heilig war, meinst du?« Vater nickte nachdenklich. »Ja, das ist keine üble Idee. Heutzutage, wo die Leute so auf Mystik und Esoterisches abfahren …«

      »Über die Pferde von Darkwood Hall gibt es eine alte Geschichte«, sagte Simon auf dem Heimweg, als wir den dunklen Pfad zwischen Brombeerhecken und Haselnusssträuchern entlanggingen. »Rebecca hat sie von ihrer Granny erfahren. Sie haben wohl gestern Abend noch darüber geredet, dass ihr hier seid, um diesen Artikel zu schreiben.«

      »Davon hat Lady Lukas uns noch nichts erzählt. Was ist das für eine Geschichte?«, fragte Mama sofort.

      Zwischen den Türmen von Darkwood Hall hing der Mond als bleiche Sichel. Es sah aus wie auf einem Gemälde, düster und verlassen, vor allem aber unwirklich.

      »Zur Zeit des Bürgerkriegs, um 1650 herum, muss sich hier im Herrenhaus ein kleiner Trupp königstreuer Offiziere versteckt gehalten haben. Offenbar wurde ihr Aufenthaltsort verraten und eine Schar parlamentarischer Soldaten drang in Darkwood Hall ein. Die Royalisten flohen durch einen Geheimgang hinunter in den Stall, schwangen sich auf ihre Pferde und ritten davon, aber die Soldaten verfolgten sie. In einem Waldstück, nicht weit von der Hall entfernt, soll es dann ein wildes Gemetzel gegeben haben, bei dem alle königstreuen Offiziere erschossen und erstochen wurden. Auch ihre Pferde kamen im Kugelhagel um«, berichtete Simon.

      »Vielleicht ist das ja die Erklärung für Bellas Hufgetrappel.« Das kam von meinem Vater.

      Ich stolperte über eine Wurzel, fiel hin und schlug mir das Knie auf. Simon zog mich hoch und hakte sich bei mir unter.

      »Nur keine Panik«, sagte er. »Falls du wirklich etwas von dem Spuk mitgekriegt hast, dann bist du nicht die Einzige. Offenbar haben schon jede Menge Leute das Getrappel gehört und noch keinem ist was passiert.«

      Das beruhigte mich. Erst als ich in meinem Zimmer war, bekam ich es wieder mit der Angst zu tun. Ich schloss das Fenster, ließ die Nachttischlampe brennen und bereitete mich auf eine weitere schlaflose Nacht vor.

      Simon hatte gesagt, ich sollte an die Wand klopfen, wenn sich etwas tat; aber ich wusste, wenn er einmal schlief, war er nicht so leicht wieder wach zu kriegen.

      Und dann war ich selbst so müde, dass ich eindöste. Im Traum irrte ich durch ein Labyrinth unterirdischer Räume und floh schließlich vor einem

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