Tod dem Management. Siegfried Kaltenecker
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Tod dem Management - Siegfried Kaltenecker страница 6
»13:23«, presste sie nach einem kurzen Fingerspiel hervor. »Zum Nachmittagskaffee sind wir am See.«
»Na, dann hoffen wir, dass sich der Verkehr ausnahmsweise mal an die Propheten hält«, kommentierte Nemecek und rückte langsam bis zur nächsten Haltelinie vor.
»Gönn dir, gönn dir a zwa Minuten Leichtigkeit, gönn dir, gönn dir die Zeit fia di alan«, tönte es aus dem Radio. Nemecek wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Mittlerweile standen sie bereits seit einer guten halben Stunde im Stau, eingeklemmt zwischen unzähligen anderen Fahrzeugen, die genauso wenig weiterkamen wie sie selbst. Pkws und Lkws so weit das Auge reichte. Ab und an quetschte sich ein Motorrad zwischen der Blechlawine hindurch. Ansonsten hatte sich die Autobahn wieder einmal in einen riesigen Parkplatz verwandelt. Weit und breit keine Spur von Alleinsein, geschweige denn von Leichtigkeit. Während Nemecek den ersten Gang einlegte, um das Auto ein paar Meter nach vorne zu bewegen, empfahl der Sänger unverdrossen ein wenig Gemütlichkeit.
»Der hat leicht singen!«, meinte Obermayr zerknirscht. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, im falschen Takt gegen die Fensterscheibe zu klopfen. Es wirkte, als hätte sie eine ganz andere Melodie im Kopf.
Dann wischte sie erneut über ihr Tablet. »Also, ich rekapituliere.«
»Ich bitte darum«, ermutigte Nemecek und konnte ein weiteres Stöhnen nicht zurückhalten. Wenn sich dieser vermaledeite Stau nicht bald auflöste, würde er noch einen Anfall bekommen. Er wunderte sich ohnehin seit Jahren, dass es im Straßenverkehr nicht mehr Amokläufer gab. Schließlich steckten zigtausende Leute jeden Tag zur selben Zeit an derselben Stelle im Stau fest. Südosttangente, Gürtel, Wienzeile, Altmannsdorfer Straße, ratterte er die neuralgischen Punkte der Bundeshauptstadt herunter. Wie man das bloß aushielt? Oder gewöhnte man sich im Lauf der Zeit daran? Gehörte das einfach dazu, dass man jeden Tag 15, 30, 45 oder noch mehr Minuten im alltäglichen Verkehrsgefängnis absaß? Genau wie die vielen Urlaubsreisenden, die auch jedes Jahr zur selben Zeit in den Sommerurlaub aufbrachen, um dann stundenlang vor dem Tauern- oder dem Karawankentunnel festzusitzen?
»Der Notruf ging am 13. August exakt um 9 Uhr 42 ein«, startete Obermayr nun endlich mit ihrem Bericht. »Anrufer war ein gewisser Harald Kometschnig, wohnhaft am Fischerweg 4 in Faak am See. Laut Protokoll meldete dieser Kometschnig den Fund eines männlichen Körpers, der am Steg neben dem Wiesenbad mit dem Gesicht nach unten zwischen den Booten trieb. Trotz der sofortigen Bergung, die Kometschnig zusammen mit seinem Nachbarn vornahm, kam für den Mann jede Hilfe zu spät.«
Nemecek legte die Stirn in Falten. So weit konnte er sich noch ganz gut daran erinnern, was ihnen Bialek bereits am Vortag berichtet hatte. Nachdem er ihnen das Protokoll der Kärntner Kollegen weitergeleitet hatte, ließ er es sich nämlich nicht nehmen, noch ein paar Spekulationen anzustellen. Sonderbarerweise beschäftigte ihn vor allem die Frage, warum dieser Kometschnig überhaupt zum Steg gekommen war. Doch welche Rolle spielte es, ob dieser nach möglichen Gewitterschäden an der Anlegestelle sehen, bloß sein eigenes Boot vertäuen oder einfach zum See spazieren wollte? Reflexartig schüttelte Nemecek den Kopf, um das schräge Gespräch mit Bialek aus seinem Gedächtnis zu vertreiben.
»Alles okay?«, fragte Obermayr ein wenig besorgt. »Kann ich fortfahren?«
»Apropos fortfahren«, erwiderte Nemecek, nachdem sich vor ihm wieder eine Lücke von ein paar Metern aufgetan hatte. Kaum, dass er zu dem Pkw vor ihm aufgeschlossen hatte, fuhr dieser ein weiteres Stück nach vorne.
»Siehst du, sogar der Verkehr kommt jetzt wieder ins Fließen. So mögen das auch die Informationen tun!«
»Dein Wort in Hermes’ Ohr«, gab Nemecek in Anspielung auf den griechischen Gott zurück, der ja nicht nur göttliche Botschaften überbrachte, sondern auch alle Reisenden beschützte.
»Um 10 Uhr 14 sind jedenfalls die Kollegen am Fundort eingetroffen«, setzte Obermayr ihren Bericht fort. Stichwortartig fasste sie die vorliegenden Fakten zusammen: dass der aus dem See geborgene Körper in schwer ramponiertem Zustand gewesen sei; dass er sich aufgrund des starken Windes zwischen den Booten verfangen habe; dass sein Neoprenanzug in Fetzen hing; dass die Gliedmaßen an mehreren Stellen unnatürlich verformt und die Gesichtszüge kaum zu erkennen waren. Nemecek war froh, dass Obermayr den beigefügten Ordner mit den Tatortfotos vorerst beiseite ließ. So ein paar Horrorbilder hätten ihm jetzt gerade noch gefehlt!
»War sicher kein schöner Anblick, wenn du mich fragst.« Während seine Kollegin ihr Gesicht verzog, schaltete Nemecek zum ersten Mal seit Langem wieder in den dritten Gang hoch.
»Und wie hat man ihn schließlich identifiziert?«
»Das war kein großes Kunststück«, berichtete Obermayr mit neuem Schwung. Auch ihr war die Erleichterung über das Ende der Stauzone deutlich anzumerken.
»Marina Joschak hatte ihren Mann Marco bereits am Vorabend als vermisst gemeldet.«
»Bereits am Vorabend?«
»Ja, mit seiner Frau hatte das Unfallopfer nämlich vereinbart, dass er sich nach seinem Triathlontraining bei ihr melden würde.«
»Hat er aber nicht.« Obermayr nickte.
»Nachdem sie ihn den ganzen Abend über nicht erreichen konnte, rief sie jedenfalls die Polizei in Faak an. Ich bin sicher, dass sie die Kollegen wie üblich zu beruhigen versucht haben – von wegen: vielleicht einen Freund getroffen, noch etwas trinken gegangen oder einfach noch ein wenig Zeit für sich selbst gebraucht. Du kennst ja die übliche Taktik.«
»Wahrscheinlich sind die Kollegen von einer heimlichen Affäre ausgegangen.«
Obermayr nickte. »Gut möglich.«
»Und die Todesursache?«
»Marco Joschak ist ertrunken – das wurde vor Ort bereits vom Amtsarzt konstatiert und zwei Tage später durch die Obduktion bestätigt. Das Opfer hatte offenbar fast zwei Liter Wasser in der Lunge!«
Während Nemecek endlich wieder die auf der Autobahn erlaubte Höchstgeschwindigkeit erreichte, kamen die Erinnerungen zurück: an Bialeks überheblichen Ton, an seinen reichlich schulmeisterlichen Verweis, dass doch jedes Jahr über 30 Menschen in den österreichischen Seen ertrinken würden, dass Marco Joschak trotz Sturmwarnung ins Wasser gegangen sei; dass er immer aussichtsloser gegen die Wellen zu kämpfen hatte, irgendwann keine Kraft mehr gehabt und dann das erste Wasser zu schlucken begonnen hatte. Noch viel stärker erinnerte er sich allerdings an seine Verwunderung darüber, dass all das einem Spitzensportler passiert sein soll, der noch dazu in Faak am See aufgewachsen war!
»Die Botschaft hört ich wohl. Allein mir fehlt der Glaube«, griff Obermayr wieder einmal ins klassische Fach. »Joschak gehörte anscheinend seit vielen Jahren zu den besten Triathleten Österreichs. Beim letzten Iron Man war er in seiner Altersklasse sogar dritter! Und als jemand, der keine zehn Kilometer entfernt aufgewachsen war, kannte er den See sicher wie seine Westentasche.«
»Ja«, bestätigte Nemecek, »schon sehr seltsam, dass ein solcher Modellathlet einfach so verunglückt?«
Obermayr grinste. »Du kennst ja das Sprichwort.«
»Welches Sprichwort?«
»Sport ist Mord!«, äffte Obermayr Bialeks höhnischen Kommentar nach, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Während sie dem Unfallchef gestern fast an die Gurgel gegangen war, konnte sie heute schon wieder Witze