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»Haha«, gab Cam ironisch zurück und stemmte sich mit Watson auf dem Arm ebenfalls von den Stufen hoch. »Danke fürs Unter-die-Nase-reiben!«
»Nichts zu danken. Gern geschehen.« Gabriel bedachte ihn mit einem genauso ironischen Grinsen. »Sherlock! Holmes!«, rief er dann in Richtung Rhododendron. »Ab ins Haus. Die Geister kommen!«
Der Busch schien zu explodieren, als Katzenjunge und Dackelwelpe gleichzeitig zwischen den Zweigen herausschossen. Wie zwei Raketen fegten sie an Gabriel und Cam vorbei die Stufen hinauf, quer über die Terrasse und hinein ins Haus, jeder mit seinem Ball in der Schnauze, um ihn vor den bösen Geistern in Sicherheit zu bringen – und drinnen damit weiterzuspielen. Zwischen den Sofakissen auf der Couch konnte man die nämlich genauso toll verstecken wie in den Gartensträuchern.
»Wow«, meinte Gabriel sichtlich beeindruckt. »Bei den meisten Kommandos hat man das Gefühl, die zwei sind stocktaub, aber wenn es um Geister geht, hören sie sofort.«
Cam strich Watson über den Kopf. Bei dem Wort Geister hatte sich der kleine Kater wieder dicht an ihn geschmiegt.
»Sie sind eben clever«, meinte Cam schulterzuckend. »Und sie haben Charakter.«
Kapitel 13
Schlaftrunken tappte Jules vom Bad zu seinem Zimmer zurück und gab sich Mühe, dabei nicht wacher zu werden als unbedingt nötig.
Er hasste es, wenn er nachts zum Klo musste.
Gähnend rieb er sich die Augen und wäre um ein Haar gegen die alte Kommode gelaufen, die Ella, Cam und er als Schuhschrank benutzten.
Der kleine Flur des Dachgeschosses war voller Schatten. Durch das Giebelfenster an der Straßenseite fiel kaum Licht, weil es in ihrer Straße trotz der direkten Lage am Hampstead Heath keine Laternen gab. Der Crescent Drive war bloß eine unbedeutende kleine Sackgasse. Für zehn Häuser ließ die Stadt keine teure Straßenbeleuchtung installieren.
Jules schlurfte an Ellas Tür vorbei und wollte einfach nur zurück ins Bett, als er plötzlich das Keuchen hörte.
Schlagartig war er hellwach.
Die Tür zu Cams Zimmer stand einen Spalt weit offen.
Jules seufzte.
Cam hasste geschlossene Räume.
Als Kinder hatten sie sich ein Zimmer geteilt und jahrelang musste ihre Tür sowohl tagsüber als auch nachts offen stehen, weil Cam sonst unruhig wurde oder schlimmstenfalls sogar Panik bekam. Mit der Zeit war es aber besser geworden und aus dem obligatorischen Offenstehen der Tür war ein immer kleinerer Spalt geworden, bis sie sie irgendwann sogar ganz hatten schließen können. Außer bei Vollmond oder in Unheiligen Nächten. Wenn die Geister unruhiger waren als üblich, war Cam es auch, und das Gefühl, eingesperrt zu sein, ließ die Unruhe dann noch schlimmer werden.
Als sie älter wurden, hatten ihre Eltern aus den ungenutzten Dienstbotenquartieren im Dachgeschoss ein eigenes Reich für Ella, Jules und Cam gemacht und jeder von ihnen bekam ein eigenes Zimmer. Cam hatte die Einsamkeit zuerst nicht gemocht und um ihm die Umgewöhnung zu erleichtern, hatten Jules und er ihre Türen erneut offen gelassen. Doch mittlerweile wohnten sie seit über sieben Jahren hier oben und jeder von ihnen hatte seine Privatsphäre schätzen gelernt.
Meistens jedenfalls.
Doch Jules wusste, wie sehr Cam in letzter Zeit zu kämpfen hatte. Die erhöhte Aktivität der Seelenlosen im Unheiligen Jahr und die Aussicht, zur Schule gehen zu müssen, machten ihm schon seit Monaten zu schaffen. Dazu kam noch, dass sich Cams Gefühle für ihn geändert hatten. Als er Jules gestanden hatte, was er für ihn empfand, war das seltsam gewesen. Jules liebte alle seine Geschwister. Ob er mit ihnen blutsverwandt war oder nicht, machte für ihn dabei keinen Unterschied. Sky war seine leibliche Schwester, trotzdem fühlte sich die Verbindung zu ihr nicht anders an als die zu Gabriel oder Ella.
Cam dagegen war anders.
Er war nicht nur sein Bruder, sondern auch sein bester Freund und Seelenverwandter – auch wenn das immer irgendwie ein bisschen abgedroschen und kitschig klang. Aber es stimmte einfach.
Als Kinder waren sie unzertrennlich gewesen und heute mussten sie sich oft nur kurz ansehen, um zu wissen, was der andere dachte. Diese Verbundenheit war ein unglaubliches Gefühl, das Jules um nichts in der Welt missen wollte.
Außerdem war Cam irgendwie besonderer als andere Menschen. Er ließ Jules die Welt mit anderen Augen sehen, weil Cam sie mit anderen Augen sah. Mit Augen, die mehr wertschätzten und sich selbst für nicht so wichtig nahmen. Cam war einfach anders als andere.
Obwohl ihre Familie zusammenhielt wie Pech und Schwefel, hatte es bei ihnen genau wie in allen anderen Familien die üblichen Streitereien und Revierkämpfe unter den Geschwistern gegeben, als sie noch klein gewesen waren. Die Kleinen gegen die Großen, Mädchen gegen Jungs, manchmal jeder gegen jeden.
Wer durfte die neue Frühstücksflockenpackung öffnen und die Sticker haben, die dort drin versteckt waren?
Wer bekam das letzte Fischstäbchen?
Wer durfte als Erster einen Fußabdruck im frisch gefallenen Schnee hinterlassen?
Darum kämpfte man als Geschwister bis aufs Blut.
Metaphorisch gesprochen.
So wollte es das Gesetz.
Cam hatte bei diesen kleinen Machtkämpfen nie mitgemacht. Füllte man ihm bei den Mahlzeiten Essen auf oder gab es Süßigkeiten, hatte er sich über das gefreut, was er bekam. Er hatte niemals nach mehr gefragt, weil er nicht auf den Gedanken gekommen war, dass ihm mehr zustünde. Er erwartete einfach nicht mehr.
Er hatte sich auch nie beschwert, wenn man ihm etwas wegnahm. Wenn Granny Gummibärchen verteilt hatte, verlangte es das Geschwistergesetz, dass man versuchte, sich gegenseitig welche zu klauen. Cam hatte seine jedoch freiwillig hergegeben. Manchmal ohne überhaupt eins zu essen. Nicht, weil er sich vor seinen Geschwistern fürchtete, sondern weil er sie liebte. Und wenn ihnen die Gummibärchen so wichtig waren, dann gab er sie ihnen gerne.
Bei Fremden war es schwieriger gewesen. Wenn die anderen Kinder auf dem Spielplatz gemein zu ihm gewesen waren, wenn sie ihm Spielsachen weggenommen hatten oder ihn beschimpften, weil er ein Totenbändiger war, hatte Cam das zwar auch hingenommen und sich nie gewehrt, doch es hatte ihn wütend gemacht. Richtig wütend. Und die Wut musste irgendwo hin. Meistens landete sie in seinen Füßen und die hatten irgendwo gegentreten müssen. Gegen das Klettergerüst, eine Bank oder einen Mülleimer. Manchmal war die Wut auch in seinen Fäusten gelandet und er hatte sie im Sandkasten in die Burg geschlagen, die sie gebaut hatten.
Einmal war die Wut so schlimm gewesen, dass Cam seine Fäuste gegen einen Baum geschlagen hatte. Immer und immer wieder. Sie waren sieben oder acht Jahre alt gewesen und Jules wusste noch ganz genau, wie erschrocken und hilflos er sich gefühlte hatte, weil Cam nicht hatte aufhören wollen. Sie waren alleine auf dem Spielplatz und erst als Cams Hände voller Blut gewesen waren, hatte Jules es geschafft, ihn mit sich zu ziehen und nach Hause zu bringen.