Einführung in die Systemtheorie. Niklas Luhmann
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Inhalt
I.Soziologie und Systemtheorie
1.Funktionalismus der Systemerhaltung
2.System als Differenz (Formanalyse)
4.Selbstorganisation, Autopoiesis
V.Psychische und soziale Systeme
1.Probleme der »Handlungstheorie«
2.Zwei Operationsweisen der Autopoiesis
VI.Kommunikation als selbstbeobachtende Operation
VII.Doppelte Kontingenz, Struktur, Konflikt
Vorwort
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die Transkription der im Wintersemester 1991/92 an der Universität Bielefeld von Niklas Luhmann gehaltenen Vorlesung Einführung in die Systemtheorie. Luhmann hielt seine Vorlesungen frei, nur unterstützt von einigen knappen Gliederungspunkten. Das vorliegende Buch wahrt so weit wie möglich den mündlichen Charakter des Textes. Luhmann pflegte weitgehend druckreif vorzutragen, dennoch war der eine oder andere Satz leicht umzuformulieren.
Der noch weitgehend mündliche Charakter des Textes unterstreicht den Arbeitscharakter dieser Vorlesung wie jeder von Luhmann gehaltenen Vorlesung. Für die Thematik dieser Vorlesung gab es zwar mit dem Buch Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie aus dem Jahr 1984 eine Druckvorlage, auf deren Erläuterung Luhmann sich hätte beschränken können. Doch zum einen hatte Luhmann in den sechs Jahren seit der Publikation dieses Buches, das er als sein erstes »Hauptwerk« bezeichnete, bereits wieder Akzentverschiebungen vorgenommen, die ihn auch dazu gebracht hätten, das Buch etwas anders zu schreiben, als er es geschrieben hatte. Und zum anderen legte er in der Vorlesung wesentlich stärkeren Wert auf den Einführungscharakter seiner Darstellung. Das bedeutet, dass er mit Hörern rechnete, die zum ersten Mal mit der Materie konfrontiert wurden, selbst wenn er voraussetzte, dass die Soziologiestudenten, an die seine Vorlesungen primär gerichtet waren, mit den Grundlagen der Soziologie schon einmal in Berührung gekommen waren.
Eine Einführungsvorlesung zu halten bedeutete für Luhmann, wesentlich stärker als in seinem Buch den Umstand zu unterstreichen, dass eine Theorie eine Konstruktionsleistung ist, die an vielen Stellen auf begriffliche Entscheidungen zurückzuführen ist, für die keine eindeutige, weder aus der Sache noch aus der Theorie abzuleitende, das heißt weder empirische noch deduktive Maßgabe existiert. In der Vorlesung ging es Luhmann daher darum, an vielen Stellen, an denen er sich im Buch auf bestimmte Weise entschieden hatte, anders mögliche Entscheidungen zumindest offen zu halten, wenn nicht sogar nahe zu legen. Das Buch ist seine Version einer allgemeinen Theorie sozialer Systeme, selbst wenn es auch im Buch die Einladung an jeden Leser gibt, die Theoriearchitektur umzustellen und mit anderen Möglichkeiten zu experimentieren. Die Vorlesung unterstreicht diese Einladung noch wesentlich deutlicher. In jeder Formulierung experimentiert Luhmann, selbst wenn man sehr schnell merkt, wie sehr diese Experimente nicht nur auf Variationen im Detail, sondern auch auf Stimmigkeit innerhalb der Theoriearchitektur, also auf das Ganze, zielen.
Die Akzentverschiebungen, die Luhmann in dieser Einführungsvorlesung gegenüber der Darstellung in seinem Buch vornimmt, sind daher sowohl sachlich als auch methodisch, aber auch situativ begründet. In der Vorlesung bekommt der Beobachter eine wesentlich prominentere Rolle zugeschrieben. Das hat im Theorieaufbau Auswirkungen, die auf eine allmähliche Verschiebung des Akzents vom Autopoiesisbegriff Humberto R. Maturanas auf George Spencer-Browns Unterscheidungskalkül hinweisen. Und es ermöglicht, Luhmann selbst als Beobachter einer Theorie, die nicht zuletzt auch seine eigene ist, vorzuführen, der andere Beobachter, sein Publikum, dazu einlädt, sich ebenfalls als Beobachter mit ihren Unterscheidungen ins Spiel zu bringen.
Gleichzeitig ist Luhmann Soziologe genug, um diesen Umgang mit offenen Fragen der Theoriearchitektur nicht in einem leeren Spiel mit Begrifflichkeiten enden zu lassen. Die eigene Situation, in der die Arbeit an der Theorie stattfindet, der Vorlesungssaal, die Universität, die Soziologie als Fachdisziplin, der Kontext einer westlichen Zivilisation sowie die im weitesten Sinne des Wortes ökologische Selbstgefährdung der Weltgesellschaft bestimmen seine Überlegungen ebenso wie die kontinuierlichen Versuche, die Differenz anderer Beobachterperspektiven als Differenz mitzuführen. Jeder Begriff muss nicht zuletzt empirisch überzeugen. Darauf besteht der Soziologe auch dann, wenn er sich von der Vorstellung verabschiedet hat, dass ein Begriff, den man bildet, deswegen, weil man ihn bildet, auch schon eine Sache bezeichnet, die tatsächlich vorliegt. Der »fallacy of misplaced concreteness«, wie Alfred North Whitehead das Missverständnis genannt hat, aus abstrakten Begriffen