Der Fluch der Welt. Robert Heymann

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Der Fluch der Welt - Robert Heymann

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Beide. Mit dem neuen Tage fuhren sie weiter. Ein Morgen brach an, hingehaucht von den Sendboten des Frühlings. Der Atem der Freude wehte durch die Wagenfenster. Der Erdgeruch keimender Lust schwellte jede Menschenbrust. Auf den Telegraphendrähten wiegten sich die Stare Ein blauer Mauersegler begleitete flüchtig den Zug. Buchloe flog vorüber, Kempten nahte, und mit der lieblichen Illerstadt stieg des Allgäus dämonische Gebirgswelt, die Lieblichkeit ihrer Täler trutzig bergend, aus dem Dunstkreis des frischen Morgens. Schon der Stoffelberg rechts ist respektabel; doch wie der mächtige Grünten sich hinter dem Rottachberge hob und die Oberstdorfer Gipfel immer näher traten, da stieg das Auge Violets in staunendem Schweigen zur Daumengruppe empor. Feierlich klar lag das Rubihorn, gekrönt von den Schneehauben der Krottenköpfe. Und nun trat majestätisch, im Hermelin von Eis und Schnee, das glitzernde Diadem blaugrüner Gletscher tragend, die Mädelegabel in den Gesichtskreis. Der Wilde Mann wollte dem Zug den Eintritt wehren, das Hohe Licht gab ihm die Weihe der Hochwelt. Das Zwölferhorn wies ins Ostrachtal, das lieblich sich öffnet. Immenstadt, das schamhaft sich ans Immenstädter Horn schmiegt, blieb links zurück. Der Grünten wandte sich nach allen Seiten und deckte sich schliesslich drohend durch zwei mächtige Hörner. Die schlängelnde Lokalbahn brachte die Reisenden mit Glockengeläute, das neugierige Kühe von dem Gleise schreckte, Oberstdorf entgegen. Fischen grüsste mit stolzem Kirchturm. Und nun breitete sich das romantische Geisalptal mit Nebelhorn und Entschenkopf — der Himmelschrofen schob den Fuss vor, Halt gebietend.

      In Oberstdorf stiegen Frau Scholz und Violet aus.

      Eingebettet in grüne Triften, überragt von eisgekrönten Firnen, lag blitzblank das schmucke Dorf. Vom Hochwald schwang sich ozongetränkte Luft ins Tal. Die Kirchenglocken läuteten zum Mittagsgebet.

      Die Bauern im Sonntagsstaat, der schon die Frische des Frühlings zeigte, sammelten sich am oberm Marktplatz. Die Frauen mit kräftig, manchmal fast herb geschnittenen Gesichtern, verloren sich, die Röcke über schneeige Linnen gebauscht, mit kurzen Schritten durch die Gassen. Die sehnige Kraftfigur des Bürgermeisters fiel auf. Die Potsdamer Wachtparade des alten Fritz hatte keine mächtigeren Gestalten. Der freundliche Marksekretär freute sich, dem kleinen Rathaus gegenüber mit dem Pferderelief den Rücken kehren zu können. Die grüne Uniform des Grenzjägeroffiziers leuchtete die Strasse herauf; der martialische Reiter strebte dem „Mohren“ zu, wo mählig sich der Stammtisch belebte.

      Die Vorfrühlingssonne lag glitzernd auf den sauberen Dielen, und man hörte, wenn es für Sekunden still war, eine Schwarzdrosselpfeife. Eine heitere Gemütlichkeit lag über dem Dorf. Die Menschen tauten auf, die Strassen auch. Das letztere hatte seine schlimmen Seiten; doch die Sonne liess den Morast vergessen. Eine Schar froher Kinder begegnete den Frauen. Es waren „Stadtkinder,“ die bäuerische Herzlichkeit in Pflege nahm.

      Am Rande des Dörfchens, wo ein kleines Kapellchen, von dem Münchner Künstler Schraudolpf bereichert, die Strasse nach Wasach schmückt, klang das Glöckchen und jubilierend stieg eine Lerche zum sonnenklaren Firmament empor. Dort war der Rätin und Violets neue Heimat.

      Eine freundliche Bäuerin, blitzsauber, begrüsste sie. Der Mann war im Feld. Und an der geschnitzten Türe stand das flammende Manifest des Krieges.

      Der neue Erlass des bayrischen Ministeriums.

      Während die Rätin eintrat in die niedre Bauernstube, las Violet:

      Bauern, Bäuerinnen!

      Ihr müsst jetzt den Krieg gewinnen helfen; an Euch liegt es jetzt, dass der Vernichtungsplan unserer Feinde zuschanden werde!

      Die Feinde wollten uns vernichten durch ihre Übermacht an Menschen: Von allen Enden der Welt führten sie ihre Hilfsvölker gegen uns heran: vergebens — von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, von Flandern bis zum Elsass steht die stählerne Mauer unserer Truppen.

      Sie wollten uns vernichten durch ihre Überzahl von Geschossen: Jahrelang haben die Amerikaner Tag für Tag Millionen von Granaten über den Ozean geschickt — viele Tausende unserer tapferen Söhne und Brüder sind von den amerikanischen Granaten getötet worden, — aber es ist ihnen nicht gelungen, eine Lücke in die stählerne Mauer zu reissen. Und heute rauchen und dampfen alle Werkstätten Deutschlands Tag und Nacht. Hunderttausende von Mädchen und Frauen verrichten die schwerste Arbeit, um unseren Soldaten ebensoviel Munition hinauszuschicken, als die Feinde heranführen, um Eueren Männern, Söhnen und Brüdern im Hagel der feindlichen Geschosse das Standhalten zu erleichtern.

      Sie wollen uns vernichten durch ihre „silbernen Kugeln“. Mit ihrem Reichtum könne sich unsere Armut, so wähnten sie, niemals erfolgreich schlagen — auch das hat sich als ein Irrglaube erwiesen, den Feinden wird das Geld knapp und knapper, bei uns übertrifft der Erfolg jeder Kriegsanleihe die vorhergehende.

      Sie wollen uns vernichten durch den Hunger: sie haben uns abgeschnitten von aller Zufuhr aus anderen Ländern, aus denen wir früher unseren Nahrungsbedarf ergänzten. Nicht bloss die Waffe aus der Hand, sondern auch das Brot aus dem Munde reissen wollen sie uns, so erklärte erst in diesen Tagen ein französischer Minister in der Kammer. Dass der Hunger uns mürbe machen werde, das war ihre sicherste Hoffnung, und es wäre auch keine schlechte Rechnung gewesen, wenn wir es uns hätten auf die Länge gefallen lassen. Nun aber haben wir den Stiel umgekehrt und haben den Engländer, der uns erwürgen will, mit unseren Unterseebooten gepackt; wir schneiden ihm jetzt die Zufuhr ab, wir schicken seine Korn- und Fleischschiffe auf den Meeresgrund — und zum erstenmal seit Beginn des Krieges ist er unruhig geworden, er zittert vor unseren Unterseebooten, er zittert vor dem Hunger.

      Wie wird der Kampf nun enden? Wir sind voll starken Vertrauens auf unseren Hindenburg und unsere Unterseeboote, und wir wissen auch, dass wir den letzten Mann, dass wir die letzte Granate, dass wir die letzte Mark behalten werden, dass wir es da mit allen Feinden aufnehmen können.

      Wie aber steht es mit dem letzten Stück Brot? Werden wir auch das behalten?

      Der Kampf muss sich nach menschlichem Ermessen bald entscheiden.

      Länger als ein paar Monate hält der Engländer es nicht aus ohne amerikanisches Korn und Fleisch, denn sein eigener Acker trägt nur den fünften Teil dessen, was er das Jahr über braucht. Noch stehen unsere Unterseeboote erst am Anfang ihrer Arbeit, aber in einigen Monaten, so dürfen wir hoffen, werden sie ihre Arbeit beendet haben. Dann haben wir den Krieg gewonnen — aber nur, wenn wir dann selber noch Brot haben, wenn unser Brot länger reicht als das englische, wenn uns das letzte Stück Brot bleibt. Wie steht es nun damit?

      Bauern, Bäuerinnen! Tut alles, was Ihr könnt, gebt Euer letztes her, auf dass Deutschland den Sieg behalte und auf dass wir und unsere Kinder und Kindeskinder ferner in Frieden und Freiheit leben können!

      „Es ist Frühling!“ schrieb Violet dem Hauptmann an der Front in Flandern. „Die Mutter lebt auf. Die Natur gibt uns ihren Segen.

      Die blauen Veilchen am Bachrand, zwischen Farren versteckt, haben ihn schon geahnt. Die Sonne strahlt Juniwärme. Man hört den Schnee, wie er langsam und widerwillig aus den Wiesen weicht, leise knirschend doch rasch im Boden verdampfend.

      Die Erde reckt und dehnt sich nach dem Winterschlaf. Die Sonne spiegelt sich lächelnd im vergoldeten Christus am birnbaumgeschnitzten Holzkreuz. Zögernd nehmen zwei kraftvolle Burschen die runden Hüte ab. Ein Mägdlein, blond und schlank, hängt mit innigem Augenaufschlag ein wächsernes Kreuz unter den Heiland. Welke Blumen, die der Schnee gedeckt, rieseln zu Boden.

      „Dass er heimkehrt aus Frankreich ... und halt recht bald ...“ Ob er es hört? Warum die Burschen so zögernd ihren Heiland grüssen? Ich habe mir da ein kleines Geschichtchen erzählen lassen:

      „Voarm Dorf steht dös Krüz, wo d’Lüt am Voarbeigon a Paar Vat’runser beaten. Fruher

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