Der Fluch der Welt. Robert Heymann
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Siegurt lehnt schweigend und finster am Tisch. Es wurde still und es blieb still fast eine Stunde. Da erhob sich Johannes Rurk erschöpft von dem Paroxismus der Leidenschaft, holte aus seinem Rucksack Tinte und Briefpapier und schrieb an Violet von Königsmarck folgenden Brief:
„... man mag sagen, es sei töricht, unschicklich oder sinnlos, dass ich ... was ich Ihnen schreibe ... aber es entspricht meinem Wesen, Fräulein Violet, und ich glaube ... die tiefste Überzeugung meines Herzens sagt mir ... in uns ist viel Gemeinsames. So viel, dass unser Pulsschlag zusammenklopft und ... weshalb feige sein? ... Mein Leben pulsiert in dem Ihren, Violet ... und ich liebe Sie so sehr, dass ich unfähig bin, etwas anderes zu denken ... ich erfasse alles, Dinge und Erscheinungen, nur mit dem Gefühl ... mit diesem Gefühl, das flammender Lohe gleich über meinem Haupte steht ... ich weiss, Violet ... Sie bringen mir Ihre keusche, klare Seele entgegen. Ihre Seele ist so rein, dass ich sie leuchten sehe wie Bergkristall. Solch Liebe geht nicht unter, ich glaube, sie wird ein Stern unter tausenden und leuchtet am Himmel der Vorsehung den Sterblichen. Mir soll sie die Sonne und das Licht und die Ewigkeit sein ... aber Sie, Violet, bleiben für mich reine Sehnsucht, die Madonna mit dem Strahlenglanz der Liebe und des Schmerzes. Sie werden nicht fassen können ... nicht glauben wollen, was ich sage ... vertrauen Sie mir also ... ich gebe Ihre Seele frei und fliehe vor dem Zauber, der hätte Wahrheit werden können ... wenn nicht die dunkle Macht unerbittlich mir den Weg zur Seite weisen würde ... zur Einsamkeit ... das ist mein Los und wird es immer sein. Aber ich will Ihre Jugend anbeten, für und für, Sie aber nicht in den Grund der Armut ziehen ... verstehen Sie? ... Ich habe das Wort nun ausgesprochen. Hässliche Armut ... sagen Sie nichts von Opfern ... ich will, dass Ihre Jugend noch lange leuchtet ... Ihnen zur Lust und mir zur Anbetung. Sie haben ein Recht auf das Glück ... ich trage der Natur, die mir die Gabe hoheitsvoller Perspektiven verliehen, die Dankesschuld ab, indem ich im Schatten gehe ... ich könnte Ihnen so vieles sagen ... alles klarlegen ... aber das ist so kleinlich ... lassen wir es! Vergessen Sie mich! Die Hindernisse, die sich heute zwischen uns türmen, werden erst in vielen, vielen Jahren meinem Willen und meiner Kraft weichen. Dann sind wir vielleicht beide alt ... das Leben ist anders geworden und wir mit ihm. Die Tage rosig schimmernder Freude sind vorbei ... seien Sie mir Freundin ... ewig ... im ganzen Leben ... und ich schwöre Ihnen: ich will immer bei Ihnen sein ... mit der ganzen Seele ... mehr darf ich Ihnen nicht versprechen für das hohe Geschenk ihrer Liebe, ... leben Sie wohl ...
Johannes.“
Nachts noch verliess er Oberstdorf. Wanderte, da gerade kein Zug fällig war, bis Sonthofen. Von dort fuhr er in Sturm und Regen nach München.
Zivil mobil!
Monate vergingen. An der eisernen Mauer der verbündeten Mittelmächte zerschellten in Ost und West alle Anstrengungen der Gegner.
Auf dem Balkan boten die Verbündeten alles auf, Rumänien in den Krieg hineinzuziehen. Aber Rumänien stand, so schien es, eher auf Seite Deutschlands als auf der der Alliierten. Es blieb neutral.
Fürchtete es das Schicksal Serbiens? Spielte es ehrliches Spiel? Waren die Reden, die in Bukarest gehalten wurden, nur für das gutgläubige Ohr Deutschlands bestimmt? Vernahmen die hellhörigen Engländer mehr?
Gingen wirklich zwischen Italien und Rumänien geheime Sendboten? Niemand wusste es. Die österreichischen Späher am Roten Turm Pass blickten in ein Land des Friedens.
Franz Scholz, der Hauptmann, erhielt nach langen Kämpfen wieder Urlaub.
Die Rätin und Violet kehrten nach Berlin zurück. Das Befinden der Frau Rätin hatte sich bedeutend gebessert. Sie hatte wieder frische Farben bekommen. Wie einen schönen Traum nahm sie die Erinnerungen an das Allgäu mir in das hastige, geschäftige Berlin.
Hans tat in der Schweiz seinen Dienst. Von Else kamen nur spärliche Nachrichten. Sie war mitten in Sibirien.
Martin Knesebeck, der Bursche des Hauptmanns, kam schwerbepackt auf dem Bahnhof an.
Der Hauptmann war schon vorausgefahren.
Martin Knesebeck packte seine Butter- und Schinkenpakete, die er aus Belgien mitbrachte, zusammen, hing sein Gewehr um und machte sich mit schweren Tritten auf den Weg ins Innere der Stadt.
Es war noch alles so, wie er es verlassen hatte. Die Elektrischen klingelten und ratterten vorbei, die Untergrundbahnen jagten durch den Bauch von Berlin, die Menschen hatten Eile, und wenn man so hinaussah auf dieses buntbewegte Leben, so schien tiefster Friede zu herrschen.
Der Krieg warf hier keine sichtbaren Schatten. Freilich, wenn man tiefer hinblickte ...
Doch das war weder Franz Knesebecks Sache noch Art. Einen kurzen Besuch bei Vatern und Muttern — und dann hinaus zu dem Buchbindermeister Ohnesorg, der ein Töchterchen hatte, das ...
„Martin!“ rief eine helle Mädchenstimme und jauchzte.
„Martin! bist du’s wirklich!“
Der feldgraue Soldat stellte bedächtig sein Gewehr in die Ecke der guten Stube, nahm das frische Mädel in den Arm und meinte mit einem frohem Lachen:
„Na, so verändert werde ich mich wohl nicht haben, dass man mich von dem Nächstbesten nicht mehr unterscheiden kann!
„Aber Martin!“ schmollte Elschen, das schlanke, fesche Ding, Tochter des Buchbindermeisters Ohnesorg, „aber Martin! Neun Monate im Felde und immer noch der alte Spötter. Aber nun erzähle! Oder nein, willst du eine Tasse Kaffee? Und ein Stück Torte vom Konditor Lehmann nebenan? Ich brächte dir ja gerne eine Portion Schinken oder sonst etwas Solides, aber!“ ...
„Ich weiss, ich weiss! Schweine sind kostbare Illusionen. Also eine gute Tasse Kaffee wird nicht verschmäht und dann setzt sich mein Mädel zunächst an meine Seite und lässt sich in die Augen schauen, ob sie auch ganz die geblieben ist, die ich verlassen habe!“
Elschen aber hatte nicht soviel Zeit, dem Verlangen des Heimgekehrten nachzukommen. Erst mal spitzte sie die roten Lippen zu einem herzhaften Kuss — und der dauerte eine Weile — dann, riss sie sich los und eilte davon, während Martin Knesebeck Tornister und Seitengewehr ablegte und es sich bequem machte. Er sah sich die alte, liebe Wohnung erstmal gründlich an — die vertrauten Bilder, das alte Sofa, die Wanduhr mit dem schweren dunklen Schlag — Elschen aber alarmierte das ganze Haus. Da kam Vater Ohnesorg und wischte sich die Hände an der blauen Schürze. Da kam Mutter, die eben mit Waschpulver die Wäsche wusch und einen Vortrag über die schöne Zeit der fettreichen Seifen hielt, da kamen Nachbarn und Freunde, und schnell war der Tisch festlich gedeckt, denn jeder wollte den Martin Knesebeck sehen und von ihm hören, wie es ihm draussen an der Front ergangen war, was die Russen machten, ob die Franzosen schon ihre Säuglinge zum Militärdienst einzögen, und ob die Unterseeboote den Engländern tüchtig einheizten ... Martin Knesebeck sass da, rauchte Ohnesorgs Extrazigarren und gab bedächtige Antworten. Als er aber von dem letzten Sturmangriff erzählte, bei dem eine Kugel ihm den Helm vom Kopfe genommen hatte, da hielten alle den Atem an und Elschen umklammerte seine Hand mit allen zehn Fingern, als könnte ihm jetzt noch etwas geschehen.
Elschen war mit Martin Knesebeck sozusagen schon verlobt. Freilich, die Aussichten auf eine baldige Heirat waren seit Kriegsbeginn immer mehr zusammengeschrumpft. Vater Ohnesorg wollte seinem Töchterchen in Herzenssachen keine Vorschriften machen, und es war doch mal eine heikle Sache mit der Zukunft. Mutter Ohnesorg war resoluter.
Gleich