Dublin. James Joyce

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Dublin - James Joyce

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Wort leuchtete. Ich konnte keinen Eingang für Sixpenny finden, und da ich fürchtete, der Bazar könnte geschlossen werden, ging ich schnell durch ein Drehkreuz und gab einem müde aussehenden Mann einen Shilling. Ich befand mich in einer großen Halle, durch die in halber Höhe eine Galerie lief. Fast alle Stände waren geschlossen, und der größere Teil der Halle lag im Dunkeln. Das Schweigen erinnerte mich an das Schweigen in der Kirche nach dem Gottesdienst. Schüchtern ging ich bis in die Mitte des Bazars. Ein paar Leute standen vor den Ständen, die noch offen waren. Vor einem Vorhang, über dem mit bunten Lichtern die Worte Café chantant standen, zählten zwei Männer Geld auf ein Servierbrett. Ich. lauschte auf den Klang der fallenden Münzen.

      Mich nur schwer erinnernd, warum ich gekommen war, ging ich hinüber an einen der Stände, betrachtete prüfend Porzellanvasen und geblümte Teeservices. An der Tür des Standes plauderte und lachte eine junge Dame mit zwei jungen Herren. Ich bemerkte ihren englischen Akzent und hörte halb hin auf ihre Unterhaltung.

      »Nein, so was habe ich nie gesagt!«

      »Aber ganz gewiß!«

      »Nein, ganz gewiß nicht!«

      »Hat sie das nicht gesagt?«

      »Ja. Ich hab’s gehört.«

      »O, so ein . . . Flunkerkasten.«

      Als die junge Dame mich sah, kam sie herüber zu mir und fragte, ob ich was kaufen wollte. Der Ton ihrer Stimme war nicht ermutigend; sie schien mich nur aus Pflichtgefühl angesprochen zu haben. Demütig sah ich auf die großen Krüge, die wie östliche Schildwachen zu beiden Seiten des dunklen Eingangs standen, und murmelte:

      »Nein, danke.«

      Die junge Dame änderte die Stellung einer der Vasen und ging dann wieder hin zu den beiden jungen Herren. Sie sprachen über dasselbe Thema weiter. Ein- oder zweimal sah die junge Dame über die Schulter zu mir herüber.

      Ich blieb vor ihrem Stande stehen, obgleich ich wußte, daß mein Bleiben zwecklos war, nur um mein Interesse an ihren Waren wahrscheinlicher erscheinen zu lassen. Dann wandte ich mich langsam fort und ging die Mitte des Bazars hinunter. In meiner Tasche ließ ich die zwei Penny gegen das Sixpencestück klimpern. Von dem einen Ende der Galerie hörte ich eine Stimme rufen, daß das Licht ausgemacht würde. Der obere Teil der Halle war jetzt vollkommen dunkel. Während ich in die Dunkelheit hinaufstarrte, kam ich mir vor wie ein Wesen, das die Eitelkeit trieb und lächerlich machte; und meine Augen brannten vor Qual und Wut.

      EVELINE

      Sie saß am Fenster, beobachtete, wie der Abend auf die Straße herabsank. Ihr Kopf lehnte gegen die Fenstervorhänge, und sie roch den Duft des staubigen Kreton. Sie war müde.

      Wenige Leute gingen vorbei. Der Mann aus dem letzten Hause kam auf dem Heimweg vorüber; sie hörte seine Schritte auf dem harten Pflaster hallen und dann auf dem Aschenpfad vor den neuen, roten Häusern knirschen. Früher war da mal ein Feld gewesen, auf dem sie jeden Abend mit den Kindern anderer Leute spielten. Dann kaufte ein Mann aus Belfast das Feld und baute Häuser darauf – die waren nicht wie ihre kleinen, braunen Häuser, sondern helle Backsteinhäuser mit glänzenden Dächern. Die Kinder der Straße spielten zusammen auf diesem Felde – die Devines, die. Waters, die Dunns, der kleine Krüppel Keogh, sie und ihre Brüder und Schwestern. Ernst aber spielte nie mit, er war schon zu groß. Oft jagte der Vater mit seinem Schwarzdornstock hinter ihnen her, jagte sie von dem Felde; aber gewöhnlich stand der kleine Keogh Schmiere und rief, wenn er ihren Vater kommen sah. Aber damals waren sie doch ziemlich glücklich. Der Vater war zu jener Zeit noch nicht so schlimm; und außerdem lebte die Mutter noch. Das war lange her; sie und ihre Brüder und Schwestern waren jetzt alle erwachsen; ihre Mutter war tot. Tizzie Dunn war auch schon tot, und die Waters waren wieder nach England zurückgekehrt.

      Alles ändert sich. Jetzt wollte auch sie fort wie die andern, wollte ihr Heim verlassen.

      Heim! Prüfend ließ sie die Blicke durch das Zimmer schweifen, sah noch einmal auf all seine vertrauten Gegenstände, die sie so viele Jahre hindurch einmal wöchentlich abgestaubt hatte, wobei sie sich immer wieder fragte, woher all der Staub käme. Vielleicht würde sie diese vertrauten Gegenstände nie wiedersehen, von denen sich einmal trennen zu müssen ihr nie in den Sinn gekommen war. Und doch hatte sie während all der Jahre nie den Namen des Priesters erfahren, dessen vergilbte Photographie an der Wand über dem zerbrochenen Harmonium neben dem farbigen Druck hing, der die Verheißungen an die gesegnete Maria Alacoque darstellte. Er war ein Schulfreund ihres Vaters gewesen. Jedesmal, wenn ihr Vater einem Besucher die Photographie zeigte, hatte er so beiläufig bemerkt: »Er ist jetzt in Melbourne.«

      Sie hatte sich bereit erklärt, fortzugehen, ihre Heimat zu verlassen. War das klug? Sie versuchte, die Frage nach jeder Seite zu ergründen. In ihrer Heimat hatte sie auf jeden Fall Schutz und Nahrung; sie hatte die Menschen, die sie ihr ganzes Leben lang um sich gehabt hatte. Natürlich mußte sie schwer arbeiten, sowohl zu Hause als auch im Geschäft. Was würde man über sie im Geschäft sagen, wenn man erfuhr, daß sie mit einem Mann fortgelaufen war? Vielleicht, daß sie nicht bei Sinnen wäre; dann eine Annonce, und ihre Stelle war neu besetzt. Fräulein Gavan würde sich freuen. Sie hatte sie immer auf dem Zug gehabt, besonders dann, wenn Kunden in der Nähe waren und zuhörten.

      »Fräulein Hill, sehen Sie denn nicht, daß die Damen warten?«

      »Machen Sie bitte ein freundliches Gesicht, Fräulein Hill.«

      Sie würde dem Geschäft keine Träne nachweinen. Aber in ihrer neuen Heimat, in einem fernen, unbekannten Lande, würde alles anders sein. Dann würde sie sich verheiraten – sie, Eveline. Die Leute würden ihr dann voller Achtung begegnen. Sie würde nicht behandelt werden, wie ihre Mutter behandelt worden war. Selbst jetzt noch, obwohl sie schon über neunzehn war, fühlte sie sich oft von den Gewalttätigkeiten ihres Vaters bedroht. Sie wußte, daß sie davon das Herzklopfen hatte. Als sie noch Kinder waren, war er nie zu ihr gewesen, wie er zu Harry oder Ernst zu sein pflegte, weil sie ein Mädchen war; aber seit einiger Zeit hatte er angefangen, sie zu bedrohen, und sagte, dächte er nicht an ihre tote Mutter, würde ihr dies und das passieren. Und jetzt hatte sie niemand, der sie schützte. Ernst war tot, und Harry, der Kirchenmaler war, war fast immer irgendwo anders im Lande. Außerdem waren ihr die ewigen Geldstreitigkeiten am Samstagabend unsäglich widerwärtig. Immer gab sie ihren ganzen Lohn – sieben Shilling – und Harry schickte immer, was er konnte, aber immer hielt es schwer, von ihrem Vater Geld zu bekommen. Er sagte, sie vertäte das Geld, sie wäre nicht bei Trost, er gäbe ihr doch nicht sein schwer verdientes Geld, daß sie es auf die Straße würfe, und so weiter, denn Samstag abends war er immer sehr schlechter Laune. Schließlich gab er ihr aber doch das Geld und fragte sie, ob sie das Sonntagessen einkaufen wolle. Dann mußte sie so schnell wie möglich aus dem Hause laufen und die Einkäufe besorgen; die schwarze Lederbörse hielt sie fest in der Hand, während sie sich mit dem Ellbogen ihren Weg durch die Menge bahnte; erst spät kehrte sie dann schwerbepackt nach Hause zurück. Sie mußte schwer arbeiten, wollte sie das Haus in Ordnung halten, mußte darauf achten, daß die beiden kleinen Kinder, für die sie zu sorgen hatte, regelmäßig zur Schule kamen und regelmäßig ihre Mahlzeiten bekamen. Es war nicht leicht – war ein schweres Leben – aber jetzt, wo sie es aufgeben wollte, fand sie es doch nicht so ganz unerträglich. Sie wollte ein anderes Leben mit Frank zusammen kennenlernen. Frank war sehr freundlich, männlich, offenherzig. Sie wollte mit dem Abendschiff mit ihm fortfahren, wollte sein Weib werden und mit ihm in Buenos Aires wohnen, wo er ein Haus hatte, das auf sie wartete. Wie gut sie sich erinnerte, wie sie ihn zum erstenmal gesehen hatte; er wohnte in einem Hause der Hauptstraße, in das sie öfters kam. Es schien erst ein paar Wochen her zu sein. Er stand am Gitter, die Mütze hatte er in den Nacken geschoben, und sein Haar fiel ihm in das bronzefarbene Gesicht. Dann hatten sie einander kennengelernt. Jeden Abend hatte er sie vor dem

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