Der Nachsommer. Adalbert Stifter
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Außer dem Schreibschreine erregten noch zwei Tische meine Aufmerksamkeit, die an Größe gleich waren und auch sonst gleiche Gestalt hatten, sich aber nur darin unterschieden, daß jeder auf seiner Platte eine andere Gestaltung trug. Sie hatten nämlich jeder ein Schild auf der Platte, wie es Ritter und adlige Geschlechter führten, nur waren die Schilde nicht gleich. Aber auf beiden Tischen waren sie umgeben und verschlungen mit Laubwerk, Blumen- und Pflanzenwerk, und nie habe ich die feinen Fäden der Halme, der Pflanzenbärte und der Getreideähren zarter gesehen als hier, und doch waren sie von Holz in Holz eingelegt. Die übrige Gerätschaft waren hochlehhige Sessel mit Schnitzwerk, Flechtwerk und eingelegter Arbeit, zwei geschnitzte Sitzbänke, die man im Mittelalter Gesiedel geheißen hatte, geschnitzte Fahnen mit Bildern und endlich zwei Schirme von gespanntem und gepreßtem Leder, auf welchem Blumen, Früchte, Tiere, Knaben und Engel aus gemaltem Silber angebracht waren, das wie farbiges Gold aussah. Der Fußboden des Zimmers war gleich den Geräten aus Flächen alter eingelegter Arbeit zusammengestellt. Wir hatten wahrscheinlich wegen der Schönheit dieses Bodens bei dem Eintritte in diese Stube die Filzschuhe an unsern Füßen behalten.
Obwohl der alte Mann gesagt hatte, daß dieses Zimmer sein Arbeitszimmer sei, so waren doch keine unmittelbaren Spuren von Arbeit sichtbar. Alles schien in den Laden verschlossen oder auf seinen Platz gestellt zu sein.
Auch hier war mein Begleiter, als ich meine Freude über dieses Zimmers aussprach, nicht sehr wortreich, genau so wie in dem Marmorsaale; aber gleichwohl glaubte ich das Vergnügen ihm von seinem Angesichte herablesen zu können.
Das nächste Zimmer war wieder ein altertümliches. Es ging gleichfalls auf den Garten. Sein Fußboden war wie in dem vorigen eingelegte Arbeit, aber auf ihm standen drei Kleiderschreine, und das Zimmer war ein Kleiderzimmer. Die Schreine waren groß, altertümlich eingelegt, und jeder hatte zwei Flügeltüren. Sie erschienen mir zwar minder schön als das Schreibgerüste im vorigen Zimmer, aber doch auch von großer Schönheit, besonders der mittlere, größte, der eine vergoldete Bekrönung trug und auf seinen Hohltüren ein sehr schönes Schild-, Laub- und Bänderwerk zeigte. Außer den Schreinen waren nur noch Stühle da und ein Gestelle, welches dazu bestimmt schien, gelegentlich Kleider daraufzuhängen. Die inneren Seiten der Zimmertüren waren ebenfalls zu den Geräten stimmend und bestanden aus Simswerk und eingelegter Arbeit.
Als wir dieses Zimmer verließen, legten wir die Filzschuhe ab.
Das nächste Zimmer, gleichfalls auf den Garten gehend, war das Schlafgemach. Es enthielt Geräte, neuer Art, aber doch nicht ganz in der Gestaltung, wie ich sie in der Stadt zu sehen gewohnt war. Man schien hier vor allem auf Zweckmäßigkeit gesehen zu haben. Das Bett stand mitten im Zimmer und war mit dichten Vorhängen umgeben. Es war sehr nieder und hatte nur ein Tischchen neben sich, auf dem Bücher lagen, ein Leuchter und eine Glocke standen und sich Geräte befanden, Licht zu machen. Sonst waren die Geräte eines Schlafzimmers da, besonders solche, die zum Aus- und Ankleiden und zum Waschen behilflich waren. Die Innenseiten der Türen waren hier wieder zu den Geräten stimmend.
An das Schlafgemach stieß ein Zimmer mit wissenschaftlichen Vorrichtungen, namentlich zu Naturwissenschaften. Ich sah Werkzeuge der Naturlehre aus der neuesten Zeit, deren Verfertiger ich entweder persönlich aus der Stadt kannte, oder deren Namen, wenn die Geräte aus andern Ländern stammten, mir dennoch bekannt waren. Es befanden sich Werkzeuge zu den vorzüglichsten Teilen der Naturlehre hier. Auch waren Sammlungen von Naturkörpern vorhanden, vorzüglich aus dem Mineralreiche. Zwischen den Geräten und an den Wänden war Raum, mit den vorhandenen Vorrichtungen Versuche anstellen zu können. Das Zimmer war gleichfalls noch immer ein Gartenzimmer.
Endlich gelangten wir in das Eckzimmer des Hauses, dessen Fenster teils auf den Hauptkörper des Gartens gingen, teils nach Nordwesten sahen. Ich konnte aber die Bestimmung dieses Zimmers nicht erraten, so seltsam kam es mir vor. An den Wänden standen Schreine aus geglättetem Eichenholze mit sehr vielen kleinen Fächern. An diesen Fächern waren Aufschriften, wie man sie in Spezereiverkaufsbuden oder Apotheken findet. Einige dieser Aufschriften verstand ich, sie waren Namen von Sämereien oder Pflanzennamen. Die meisten aber verstand ich nicht. Sonst war weder ein Stuhl noch ein anderes Geräte in dem Zimmer. Vor den Fenstern waren waagrechte Brettchen befestigt, wie man sie hat, um Blumentöpfe daraufzustellen; aber ich sah keine Blumentöpfe auf ihnen, und bei näherer Betrachtung zeigte sich auch, daß sie zu schwach seien, um Blumentöpfe tragen zu können. Auch wären gewiß solche auf ihnen gestanden, wenn sie dazu bestimmt gewesen wären, da ich in allen Zimmern, mit Ausnahme des Marmorsaales, an jedem nur einigermaßen geeigneten Platze Blumen aufgestellt gesehen hatte.
Ich fragte meinen Begleiter nicht um den Zweck des Zimmers, und er äußerte sich auch nicht darüber.
Wir gelangten nun wieder in die Gemächer, die an der Mittagseite des Hauses lagen und über den Sandplatz auf die Felder hinaussahen.
Das erste nach dem Eckzimmer war ein Bücherzimmer. Es war groß und geräumig und stand voll von Büchern. Die Schreine derselben waren nicht so hoch, wie man sie gewöhnlich in Bücherzimmern sieht, sondern nur so, daß man noch mit Leichtigkeit um die höchsten Bücher langen konnte. Sie waren auch so flach, daß nur eine Reihe Bücher stehen konnte, keine die andere deckte und alle vorhandenen Bücher ihre Rücken zeigten. Von Geräten befand sich in dem Zimmer gar nichts als in der Mitte desselben ein langer Tisch, um Bücher darauf legen zu können. In seiner Lade waren die Verzeichnisse der Sammlung. Wir gingen bei dieser allgemeinen Beschauung des Hauses nicht näher auf den Inhalt der vorhandenen Bücher ein.
Neben dem Bücherzimmer war ein Lesegemach. Es war klein und hatte nur ein Fenster, das zum Unterschiede aller anderen Fenster des Hauses mit grünseidenen Vorhängen versehen war, während die anderen grauseidene Rollzüge besaßen. An den Wänden standen mehrere Arten von Sitzen, Tischen und Pulten, so daß für die größte Bequemlichkeit der Leser gesorgt war. In der Mitte stand wie im Bücherzimmer ein großer Tisch oder Schrein – denn er hatte mehrere Laden –, der dazu diente, daß man Tafeln, Mappen, Landkarten und dergleichen auf ihm ausbreiten konnte. In den Laden lagen Kupferstiche. Was mir in diesem Zimmer auffiel, war, daß man nirgends Bücher oder etwas, das an den Zweck des Lesens erinnerte, herumliegen sah.
Nach dem Lesegemache kam wieder ein größeres Zimmer, dessen Wände mit Bildern bedeckt waren. Die Bilder hatten lauter Goldrahmen, waren ausschließlich Ölgemälde und reichten nicht höher, als daß man sie noch mit Bequemlichkeit betrachten könnte. Sonst hingen sie aber so dicht, daß man zwischen ihnen kein Stückchen Wand zu erblicken vermochte. Von Geräten waren nur mehrere Stühle und eine Staffelei da, um Bilder nach Gelegenheit aufstellen und besser betrachten zu können. Diese Einrichtung erinnerte mich an das Bilderzimmer meines Vaters.
Das Bilderzimmer führte durch die dritte Tür des Marmorsaales wieder in denselben zurück, und so hatten wir die Runde in diesen Gemächern vollendet.
„Das ist nun meine Wohnung“, sagte mein Begleiter, „sie ist nicht groß und von außerordentlicher Bedeutung, aber sie ist sehr angenehm. In dem anderen Flügel des Hauses sind die Gastzimmer, welche beinahe alle dem gleichen, in welchem Ihr heute nacht geschlafen habt. Auch ist Gustavs Wohnung dort, die wir aber nicht besuchen können, weil wir ihn sonst in seinem Lernen stören würden. Durch den Saal und über die Treppe können wir nun wieder in das Freie gelangen.“
Als wir den Saal durchschritten hatten, als wir über die Treppe hinabgegangen und zu dem Ausgange des Hauses gekommen waren, legten wir die Filzschuhe ab, und mein Begleiter sagte: „Ihr werdet Euch wundern, daß in meinem Hause Teile sind, in welchen man sich die Unbequemlichkeit auflegen muß,