Der Nachsommer. Adalbert Stifter

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Der Nachsommer - Adalbert Stifter

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      „Ich habe nichts zu verzeihen“, erwiderte ich; „denn ich teile Eure Ansicht über das Getreide vollkommen, wenn ich auch ein Kind der großen Stadt bin. Ich habe diese Gewächse viel beachtet, habe darüber gelesen, freilich von dem Standpunkte der Pflanzenkunde, und habe, seit ich einen großen Teil des Jahres in der freien Natur zubringe, ihre Wichtigkeit immer mehr und mehr einsehen gelernt.“

      „Ihr würdet es erst recht“, sagte er, „wenn Ihr Besitztümer hättet oder auf Euren Besitztümern Euch mit der Pflege dieser Pflanzen besonders abgäbet.“

      „Meine Eltern sind in der Stadt“, antwortete ich, „mein Vater treibt die Kaufmannschaft, und außer einem Garten besitzt weder er noch ich einen liegenden Grund.“

      „Das ist von großer Bedeutung“, erwiderte er, „den Wert dieser Pflanzen kann keiner vollständig ermessen, als der sie pflegt.“

      Wir schwiegen nun eine Weile.

      Ich sah an seinen Wirtschaftsgebäuden Leute beschäftigt. Einige gingen an den Toren ab und zu, in häuslichen Arbeiten begriffen, andere mähten in einer nahen Wiese Gras, und ein Teil war bedacht, das im Laufe des Tages getrocknete Heu in hochbeladenen Wägen durch die Tore einzuführen. Ich konnte wegen der großen Entfernung das Einzelne der Arbeiten nicht unterscheiden, so wie ich die eigentliche Bauart und die nähere Einrichtung der Gebäude nicht wahrnehmen konnte.

      „Was Ihr von den Häusern und den Besitzern der Felder gesagt habt, daß ich sie Euch nennen soll“, fuhr er nach einer Weile fort, „so hat dies seine Schwierigkeit, besonders heute. Man kann zwar von diesem Plätze aus die größte Zahl der Nachbarn erblicken; aber heute, wo der Himmel umschleiert ist, sehen wir nicht nur das Gebirge nicht, sondern es entgeht uns auch mancher weiße Punkt des untern Landes, der Wohnungen bezeichnet, von denen ich sprechen möchte. Anderenteils sind Euch die Leute unbekannt. Ihr solltet eigentlich in der Gegend herumgewandert sein, in ihr gelebt haben, daß sie zu Eurem Geiste spräche und Ihr die Bewohner verstündet. Vielleicht kommt Ihr wieder und bleibt länger bei uns, vielleicht verlängert Ihr Euren jetzigen Aufenthalt. Indessen will ich Euch im allgemeinen etwas sagen und von Besonderem hinzufügen, was Euch ansprechen dürfte. Ich besuche auch meiner Nachbarn willen gerne diesen Platz; denn außerdem daß hier auf der Höhe selbst an den schönsten Tagen immer ein kühler Luftzug geht, außerdem daß ich hier unter meinen Arbeitern bin, sehe ich von hier aus alle, die mich umgeben, es fällt mir manches von ihnen ein, und ich ermesse, wie ich ihnen nützen kann, oder wie überhaupt das Allgemeine gefördert werden möge. Sie sind im ganzen ungebildete, aber nicht ungelehrige Leute, wenn man sie nach ihrer Art nimmt und nicht vorschnell in eine andere zwingen will. Sie sind dann meist auch gutartig. Ich habe von ihnen manches für mein Inneres gewonnen und ihnen manchen äußeren Vorteil verschafft. Sie ahmen nach, wenn sie etwas durch längere Erfahrung billigen. Man muß nur nicht ermüden. Oft haben sie mich zuerst verlacht und endlich dann doch nachgeahmt. In vielem verlachen sie mich noch, und ich ertrage es. Der Weg da durch meine Felder ist ein kürzerer, und da geht mancher vorbei, wenn ich auf der Bank sitze, er bleibt stehen, er redet mit mir, ich erteile ihm Rat, und ich lerne aus seinen Worten. Meine Felder sind bereits ertragfähiger gemacht worden als die ihrigen, das sehen sie, und das ist bei ihnen der haltbarste Grund zu mancher Betrachtung. Nur die Wiese, welche sich hinter unserem Rücken befindet, tiefer als die Felder liegt und von einem kleinen Bache bewässert wird, habe ich nicht so verbessern können, wie ich wollte; sie ist noch durch die Erlengesträuche und durch die Erlenstöcke verunstaltet, die sich am Saume des Bächleins befinden und selbst hie und da Sumpfstellen veranlassen; aber ich kann die Sache im wesentlichen nicht abändern, weil ich die Erlengesträuche und Erlenstöcke zu anderen Dingen notwendig brauche.“

      Um meine Frage nach dem einzelnen seiner Nachbarn zu unterbrechen, die er, wie ich jetzt einsah, nicht beantworten konnte, wenigstens nicht wie sie gestellt war, fragte ich ihn, ob denn zu seinem Anwesen nicht auch Waldgrund gehöre.

      „Allerdings“, antwortete er, „aber derselbe liegt nicht so nahe, als es der Bequemlichkeit wegen wünschenswert wäre; aber er liegt auch entfernt genug, daß die Schönheit und Anmut dieses Getreidehügels nicht gestört wird. Wenn Ihr auf dem Wege nach Rohrberg fortgegangen wäret, statt zu unserem Hause heraufzusteigen, so würdet Ihr nach einer halben Stunde Wanderns zu Eurer Rechten dicht an der Straße die Ecke eines Buchenwaldes gefunden haben, um welche die Straße herumgeht. Diese Ecke erhebt sich rasch, erweitert sich nach rückwärts, wohin man von der Straße nicht sehen kann, und gehört einem Walde an, der weit in das Land hineingeht. Man kann von hier aus ein großes Stück sehen. Dort links von dem Felde, auf welchem die junge Gerste steht.“

      „Ich kenne den Wald recht gut“, sagte ich, „er schlingt sich um eine Höhe und berührt die Straße nur mit einem Stücke; aber wenn man ihn betritt, lernt man seine Größe kennen. Es ist der Alizwald. Er hat mächtige Buchen und Ahorne, die sich unter die Tannen mischen. Die Aliz geht von ihm in die Agger. An der Aliz stehen beiderseits hohe Felsen mit seltenen Kräutern, und von ihnen geht gegen Mittag ein Streifen Landes mit den allerstärksten Buchen talwärts.“

      „Ihr kennt den Wald“, sagte er.

      „Ja“, erwiderte ich, „ich bin schon in ihm gewesen. Ich habe dort die größte Doppelbuche gezeichnet, die ich je gesehen, ich habe Pflanzen und Steine gesammelt und die Felsenlagen betrachtet.“

      „Jener Waldstreifen, der mit den starken Buchen bestanden ist, und noch mehreres Land jenes Waldes gehört zu diesem Anwesen“, sagte mein Beherberger. „Es ist weiter von da gegen Mittag auch ein Berghügel unser, auf dem stellenweise die Birke sehr verkrüppelt vorkommt, welche zum Brennen wenig taugt, aber Holz zu feinen Arbeiten gibt.“

      „Ich kenne den Bühel auch“, sagte ich, „dort geht der Granit zu Ende, aus dem der ganze mitternächtliche Teil unseres Landes besteht, und es beginnt gegen Mittag zu nach und nach der Kalk, der endlich in den höchsten Gebirgen die Landesgrenze an der Mittagseite macht.“

      „Ja, der Bühel ist der südlichste Granitblock“, sagte mein Begleiter, „er übersetzt sogar die Wässer. Wir können hier trotz des Duftes der Wolken hie und da die Grenze sehen, in der sich der Granit abschneidet.“

      „Dort ist die Klamspitze“, sagte er, „die noch Granit hat, rechts der Gaisbühl, dann die Asser, der Losen und zuletzt die Grumhaut, die noch zu sehen ist.“

      Ich stimmte in allem bei.

      Der Abend kam indessen immer näher und näher, und der Nachmittag war bedeutend vorgerückt.

      Das Gewitter an dem Himmel war mir aber endlich besonders merkwürdig geworden.

      Ich hatte den Ausbruch desselben, als ich den Hügel zu dem weißen Hause emporstieg, um eine Unterkunft zu suchen, in kurzer Zeit erwartet; und nun waren Stunden vergangen, und es war noch immer nicht ausgebrochen. Über den ganzen Himmel stand es unbeweglich. Die Wolkendecke war an manchen Stellen fast finster geworden, und Blitze zuckten aus diesen Stellen bald höher, bald tiefer hervor. Der Donner folgte in ruhigem, schwerem Rollen auf diese Blitze; aber in der Wolkendecke zeigte sich kein Zusammensammeln zu einem einzigen Gewitterballen, und es war kein Anschicken zu einem Regen.

      Ich sagte endlich zu meinem Nachbar, indem ich auf die Männer zeigte, welche weiter unten in der Niederung, in welcher die Wirtschaftsgebäude lagen, Gras machten: „Die scheinen auch auf kein Gewitter und auf kein gewöhnliches Nachregnen für den morgigen Tag zu rechnen, weil sie jetzt Gras mähen, das ihnen in der Nacht ein tüchtiger Regen durchnässen, oder morgen eine kräftige Sonne zu Heu trocknen kann.“

      „Diese wissen gar nichts von dem Wetter“, sagte mein Begleiter, „und sie mähen das Gras nur, weil ich es so angeordnet habe.“

      Das

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