50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2. Эдгар Аллан По

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50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2 - Эдгар Аллан По

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Sie doch nicht um etwas bitten und Ihnen zum Dank für die Gewähr auch noch das Tempo vorschreiben wollen. Das wäre doch ein gut Teil zuviel. Aber nun sagen Sie mir zuvörderst, was bedeutet das Tempelchen, das ich da sehe? Hier, gleich links, auf der obersten Spitze?«

      »Das ist mein Schmuckstück, mein Belvedere, wohin ich Sie gerade führen möchte. Da tritt der Porphyr am reinsten heraus, und Altenbrak liegt uns zu Füßen. Erlauben der Herr Oberst, daß ich die Tête nehme.«

      Bei diesen Worten erhob er sich und schritt, sich auf sein Weichselrohr stützend, auf einen in den Fels gehauenen Zickzackweg zu, der nach dem Aussichtstempelchen hinaufführte. St. Arnaud folgte, schwieg indes, weil er wahrzunehmen glaubte, daß dem alten Herrn nicht bloß das Steigen, sondern auch das Atmen schwer wurde.

      Nun aber war man oben und sah in die Landschaft hinaus. Was in der Ferne dämmerte, war mehr oder weniger interesselos, desto freundlicher aber wirkte das ihnen unmittelbar zu Füßen liegende Bild: erst das Gasthaus, das mit seinem Dächergewirr wirklich an eine mittelalterliche »Burg Rodenstein« erinnerte, dann weiter unten der Fluß, über den links abwärts ein schlanker Brückensteg, rechts aufwärts aber eine alte Steinbrücke führte.

      »Beneidenswerter, Sie«, sagte der Oberst. »König Polykrates auf seines Daches Zinnen. Und hoffentlich sagen Sie mit ihm: ›Gestehe, daß ich glücklich bin.‹ Ist es nicht so?«

      Der Präzeptor wiegte den Kopf hin und her und schwieg, bis er nach einer kleinen Weile sagte: »Nun ja, mein Herr Oberst.«

      »Nun ja! Was heißt das? Warum nicht bloß ja? Was fehlt? Ein Mann wie Sie, Liebling fünf Meilen in der Runde, gehalten von der Gemeinde, geschätzt von der Behörde - wie wenige dürfen sich dessen rühmen! Und wenn dann das Jubiläum kommt… «

      »Das kommt nicht.«

      »Warum nicht?«

      »Weil ich den Dienst quittiert habe.«

      »Wie das? Aber freilich… Pardon… ich entsinne mich; Ihr Freund und Verehrer, der Herr Emeritus, hat uns schon in Thale davon erzählt und auch den Grund genannt, der Sie bestimmte. Gewissensbedenken, um nicht zu sagen Gewissensbisse.«

      Der Alte lächelte. »Nun ja, Gewissensbisse, das auch. Aber das alles, offen gestanden, blieb doch bloß die kleinere Hälfte. Die Hauptsache war, ich wollte dem Ehrentag entgehen, demselben Ehrentag, dessen der Herr Oberst eben erwähnte.«

      »Dem Jubiläum? aber weshalb?«

      »Weil ich der sogenannten ›Auszeichnung‹ entgehen wollte.«

      »Aus Bescheidenheit?«

      »Nein, aus Dünkel.«

      »Aus Dünkel? Ich bitte Sie, wer geht einer Auszeichnung aus dem Wege?«

      »Die wenigsten. Und ich auch nicht. Aber Auszeichnung und Auszeichnung ist ein Unterschied. Ein jeder freut sich seines Lohnes. Gewiß, gewiß. Aber wenn der Lohn kleiner ausfällt, als man ihn verdient hat oder wenigstens verdient zu haben glaubt, dann freut er nicht mehr, dann kränkt er. Und das war meine Lage. Man wollte mir ein Bändchen geben an meinem Jubiläumstage. Nun gut, auch ein Bändchen kann etwas sein; aber das, das meiner harrte, war mir doch zuwenig, und so macht ich kurzen Prozeß und bin ohne Jubiläum, aber Gott sei Dank auch ohne Kränkung und Ärger aus dem Dienste geschieden. Ich weiß wohl, daß man nie recht weiß, was man wert ist, aber ich weiß auch, daß es die Menschen in der Regel noch weniger wissen. Und handelt es sich gar um ein armes Dorfschulmeisterlein, nun so geht alles nach Rubrik und Schablone, wonach ich mich nicht behandeln lassen wollte. Von niemandem, auch nicht von wohlwollenden Vorgesetzten. Und da hab ich demissioniert und dem Affen meiner Eitelkeit sein Zuckerbrot gegeben.«

      »Bravo«, sagte der Oberst und reichte dem Alten beide Hände. »Sich ein Genüge tun ist die beste Dekoration. Im letzten ist man immer nur auf sich und sein eigen Bewußtsein angewiesen, und was andre versäumen, müssen wir für uns selber tun. Das heißt nicht, sich überheben, das heißt bloß die Rechnung in Richtigkeit bringen. Und nun erzählen Sie mir von dem Porphyr hier. Ich dachte, der Harz wäre Granit. Aber es ist auch in der Natur so: mitten aus dem allgemeinen Granit wächst mal ein Stück Porphyr heraus. Da heißt es dann, woher kommt er? Aber es ist eine nutzlose Frage. Er ist eben da.«

      So plauderten sie weiter, und als sie, bei fortgesetztem Gespräch über Altenbrak und die Altenbraker, endlich den Zickzackweg wieder abwärts stiegen, bemerkten sie Gordon und die beiden älteren Herren die, von einem Dorfspaziergange heimkehrend, eben aus der Talschlucht nach Burg Rodenstein hinaufkletterten. In ihrer Mitte Rosa. Diese begrüßte jetzt der ihr bis in Front des Hauses entgegengehende St. Arnaud unter gleichzeitigen scherzhaften Vorwürfen über ihre Fahnenflucht aus »Hotel Zehnpfund«, und als man abermals eine Minute später gemeinschaftlich auf die Veranda trat, sah man, wie schon die Vorbereitungen zum Mittagsmahl getroffen und Tisch und Stühle, der bessern Aussicht halber, bis hart an die Holzpfeiler vorgerückt waren. Weißes Linnen kam und Blumen, zuletzt auch Cécile, noch angerötet vom Schlaf, und ehe weitere zehn Minuten um waren, hatte jeder seinen Platz beim Mahl, an dem teilzunehmen der Präzeptor nach einigem Zögern eingewilligt hatte. Er saß zwischen den beiden Damen und zeigte durch Artigkeit und guten Humor, daß er in seiner Jugend eine gute Schule durchgemacht haben mußte. Cécile war entzückt und flüsterte Rosa zu: »Tout à fait comme il faut!«

      Und so war auch das Mahl, das sich gleich mit einer kleinen Überraschung einleitete. Die Frau Präzeptorin hatte nämlich, über die vereinbarten Gänge hinaus, auch noch für ein Extra Sorge getragen, für eine Kerbelsuppe, hinsichtlich deren ihr Haushalt ein Renommee hatte.

      »Ach, Kerbel«, sagte der Oberst, als der Deckel abgenommen wurde. »Wenn Sie wüßten, meine liebe Frau Präzeptorin, wie Sie's damit getroffen haben! Wenigstens für mich. Meine ganze Jugend steigt dabei wieder vor mir auf. Alle Mittwoch, so lang es Kerbel gab, gab es auch Kerbelsuppe, das war wie Amen in der Kirche, Kerbel und dann Reis und Saucißchen. Ich denke, daß es mir heute so schmecken soll wie damals… Aber was trinken wir? Cécile, Fräulein Rosa, was soll es sein? Ich gehe bis an die Grenze des Möglichen… «

      »Also so weit mein Weinkeller reicht«, lachte der Präzeptor. »Aber mein Herr Oberst, der reicht nicht weit. Ein Trarbacher, ein Zeltinger. Mosel, dir leb ich, Mosel, dir sterb ich. Übrigens das Beste, was ich habe… «

      »Nein, nein«, unterbrach Cécile. »Nicht Wein, nichts Fremdes. Braunschweiger Landesgebräu. Nicht wahr, Herr von Gordon?«

      »Unbedingt«, sagte dieser. »Bei solchen Gelegenheiten muß alles eine Lokalfarbe haben. Also sagen wir Braunschweiger Mumme.«

      So scherzte man weiter, bis man schließlich, auf des Präzeptors Vorschlag, sich für ein einfaches Blankenburger Bier entschied, das denn auch in Deckelkrügen aufgetragen wurde, jeder Krug mit einer blauen Glasurinschrift. Der Oberst las die seine. »›Der Meister hat ein Doppelkinn, Hoch lebe die junge Frau Meisterin… ‹ Ei, ei, mein fein's Jung-Gesell, wo will das hinaus? Das herkömmliche Balladen-Töchterlein bleibt uns diesmal überraschlicherweise vorenthalten, und die Frau Meisterin muß dafür aushelfen. Ein Glück, daß sie jung ist.«

      In diesem Augenblicke kamen die Schmerlen auf einer mit Zitronenscheiben bunt garnierten Schüssel, und da niemand, mit Ausnahme des Emeritus und selbstverständlich auch des Präzeptors, mit dem diffizilen Gerichte Bescheid wußte, so ließ man die beiden anfangen und erging sich, als man ziemlich vorsichtig zu folgen begann, in teils schmeichelhaften, teils despektierlichen Vergleichen. Gordon sprach von »White bait«, woran ihn die Schmerlen erinnern sollten, während ihnen der Oberst einfach eine Mittelstellung zwischen Yklei und Spree-Stint anwies, allerdings im Tone der Entschuldigung hinzusetzend:

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