Schiff der Versuchung. Barbara Cartland
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Sie war nervös wegen des Besuchs bei ihrer Kusine, die sie seit zwei Jahren nicht gesehen hatte, und versuchte, ihren Hut zur besseren Wirkung in etwas anderer Weise aufzusetzen.
Weil sie während der ganzen Woche nicht die Zeit gehabt hatte, es zu waschen, hatte ihr Haar etwas von dem roten Glanz verloren, der, wie ihre Mutter zu sagen pflegte, von einer österreichischen Vorfahrin stammte.
»Es ist merkwürdig, Tarina«, hatte sie oftmals geäußert, »doch das rote Haar der Wienerin, das immer so sehr bewundert wurde, scheint in meiner Familie zwei Generationen zu überspringen und erst bei dir wieder aufzutauchen.«
»War meine Urgroßmutter sehr schön?« hatte Tarina gefragt.
»Das hat man immer erzählt«, antwortete ihre Mutter. »Und sie war außerordentlich begabt. Sie hatte eine herrliche Stimme; ihre Tagebücher verraten, daß sie bei Festen in Wien sehr gefragt war. Zweimal hat sie im Palast von Schönbrunn vor dem Kaiser Franz Joseph und der Kaiserin Elisabeth gesungen, die ebenfalls rotblondes Haar hatte.«
»Glaubst du, ich bekäme eine gute Stimme - wenn sie ausgebildet wäre?« fragte Tarina.
Ihre Mutter lächelte.
»Ich habe keine Ahnung, mein Liebling«, sagte sie. »In der Kirche singst du zwar zauberhaft, aber wir beide wissen, daß das nicht dasselbe ist wie die Fähigkeit, ein Publikum zu faszinieren.« Sie hielt inne, ehe sie fortfuhr: »Aber einer Sache kannst du ganz sicher sein: Papa und ich müssen uns einschränken und sparen, um die Stunden zu bezahlen, die du im Augenblick bekommst; weitere können wir uns gewiß nicht leisten.«
Tarina wußte, daß ihr rotes Haar, wenn sie glücklich war, zu strahlen schien; wenn sie sich dagegen unwohl oder bekümmert fühlte, verblaßte das Rot, und der Glanz sah stumpf aus, als spiegele er die Gefühle ihres Herzens wieder.
Im Augenblick sah man nur einen Hauch von Rot, aber ihre Haut war so schneeweiß wie immer, und im Sonnenlicht hatte sie fast etwas Durchscheinendes.
Ihre Augen in einer Tönung von Grün und Grau wirkten im Augenblick nur dunkel vor Angst und Sorge.
»Und falls Kusine Betty ... mich nicht empfängt?« flüsterte sie zu sich selbst. »Was . .. soll ich . .. tun? Wohin ... soll ich ... mich wenden?«
Die Tür öffnete sich.
»Die Lady wird Sie empfangen, Miss«, verkündete der Butler.
»Danke«, antwortete Tarina.
Sie folgte ihm durch die Halle und die Treppe hinauf zu einem geräumigen Treppenabsatz.
Dort konnte sie durch eine offene Tür ein riesiges Empfangszimmer mit Stühlen und Sofas als Imitation der Mode zur Zeit des Sonnenkönigs, einen dunkelfarbigen Teppich und mehrere ziemlich formstrenge Leuchter erblicken.
Sie hatte indes nur Zeit für einen raschen Blick, ehe der Butler weiterging.
Am Ende des Korridors öffnete er die Tür zu dem, was, wie Tarina wußte, ein Boudoir war.
Ein Boudoir stellte etwas dar, das ihre Mutter ihr beschrieben hatte und das sie immer gern hatte sehen wollen. Es gab keinen Zweifel, daß dies hier eines war mit seinen blaßblauen Vorhängen und einer Chaiselongue in der gleichen Farbgebung des Brokats.
Es machte den Eindruck auserlesener Weiblichkeit, noch gesteigert durch die großen Vasen mit Malmaison-Nelken, deren Duft den Raum erfüllte und deren Schönheit sich in den goldgerahmten Spiegeln an den Wänden vielfach wiederfand.
Niemand befand sich in dem Zimmer; als Tarina sich umsah, kam gerade jemand durch eine weitere Tür am anderen Ende.
Zögernd trat Tarina vor, als die eben erschienene Frau auch schon rief: »Tarina! Ich konnte kaum glauben, daß du es seist! Was machst du denn in London?«
Tarina stand vor ihr.
»O Betty ... wie freundlich von dir, mich zu empfangen.«
»Aber natürlich empfange ich dich«, antwortete Lady Bradwell.
Dann hielt sie erstaunt inne.
»Aber du bist in Schwarz! Warum?«
»Papa starb vor einem Monat.«
»Oh, das tut mir leid! Das wußte ich nicht, Liebste. Er wird dir gewiß fehlen.«
»Mehr, als ich dir sagen kann. Aber jetzt, da er tot ist, wirst du verstehen, daß ich mir selbst meinen Lebensunterhalt verdienen muß.«
»Du armes Kind!« rief Lady Bradwell aus. »Komm, setz dich zu mir und erzähl mir alles.«
Sie ließ sich in der Ecke des Sofas nieder, und Tarina nahm daneben Platz.
Dabei dachte sie, daß wohl niemand reizvoller aussehen könne als ihre Kusine Betty.
Mit ihrem blonden Haar und ihren veilchenblauen Augen war sie wie ein Gemälde von Fragonard; Tarina konnte sie nur fassungslos anstarren.
»Du bist so schön, Betty! Viel schöner als früher! Und etwas an dir hat sich verändert.«
Lady Bradwell lächelte wissend.
»Das sagen alle, und es liegt wohl daran, daß ich in Paris war. Oh, Tarina, ich habe solches Glück! Nachdem mein Mann starb, lud mich eine seiner Verwandten, mit der ich immer freundschaftlich verbunden war, zu einem Aufenthalt bei ihr ein.«
»Es tat mir damals sehr leid, von dem Tod deines Mannes zu hören«, sagte Tarina. »Ich weiß, daß Papa dir zu jener Zeit geschrieben hat.«
»Er schrieb mir einen wunderschönen Brief«, antwortete Lady Bradwell, »aber da ich offen zu dir sein kann - ich war gar nicht unglücklich, Witwe zu werden.«
Tarina entfuhr ein überraschter Ausruf.
»Oh, Betty! Warum denn nicht?«
Lady Bradwell seufzte leise.
»Mein Mann war das ganze letzte Jahr unserer Ehe über krank, und es war sehr, sehr eintönig, sich um ihn zu kümmern. Und schon vorher hatte er eine sehr verschrobene Art. Schließlich war er vierzig Jahre älter als ich.«
»Ich weiß wohl«, sagte Tarina. »Aber alle sagten, es sei eine so glänzende Heirat und er sei ein sehr bedeutender Mann.«
»Vermutlich war er auf seine Art nett«, antwortete Betty. »Ich genoß zwar die Dinnerpartys und Bälle, aber wir luden stets nur Arthurs Freunde ein, und die waren ebenfalls alt. Ich hatte bis zu seinem Tode wirklich nicht viel Freude.« Sie stieß einen leisen Jubelschrei aus und rief: »Ich kann dir gar nicht sagen, wie wunderbar es ist, hier in London zu sein! Allein zu sein, mir leisten zu können, in diesem Haus zu leben, und die herrlichsten Kleider zu haben!«
»Und Unmengen von Freunden, die dich bewundern«, fügte Tarina hinzu.
»Aber natürlich«, antwortete Betty. »Ich werde als Schönheit gefeiert, und Tarina, was meinst du wohl...«
Es war wie