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Die Marynka, da ist sie, beim Kompost!“ Der Schmerz verzog sein grinsendes Gesicht, er verschwand eilig.

      Auch Kestner verliess geschwind den Hof; durchs Gittertor mit den Eisenspitzen schritt er in den Garten. Dort lag hinterm Treibhaus der Komposthaufen, an dem Frau Therese die Champignons züchtete, die sie frisch oder auch in Büchsen eingemacht den Söhnen schickte.

      Wollte das Frauenzimmer, die Hühnermagd, etwa auch Champignons pflücken, jetzt, wo alles draussen auf dem Felde war und sie sich unbeobachtet wähnte?! Das wäre! Ganz sacht schlich der Herr sich heran, den Stock erhoben — weiss Gott, da kniete die Diebin vorm Komposthaufen, ganz vertieft in ihre Mauserei!

      „Dass dich die Kurzepluca hole, das Hühnergespenst! He, du!“

      Schwer liess der Herr seinen Stock auf die Kniende niederfallen.

      Mit einem erschrockenen Aufschrei fuhr die kleine Marynka herum. Ihr Gesicht war ganz von Tränen überströmt; ein sich sträubendes, junges Perlhuhn hatte sie unter den Händen, zwischen den Zähnen hielt sie das zum Schlachten bestimmte Messer.

      „Werd ich es ja schlachten, gleich, gleich!“ schluchzte sie. „Oh, mein liebes Hühnchen, so jung und soll schon sterben! Sagt die Mamsell, gnädige Pani hat bestimmt dieses, es muss gebraten werden und fahren weit, wo ist Deutschland. Hat es gelbe Füsschen und ist so schön schwarz und weiss. Ach, Panje Keszner“ — sie drückte das zitternde Huhn an ihr Kindergesicht und sah den gnädigen Herrn unter Tränen blinzelnd und bittend an: „Muss Hühnchen wirklich sterben?“

      So — hm — also Therese schickte schon wieder einen Fresskober nach Berlin? Als ob man da nicht genug zu essen kriegte! Der Junge liess sich doch wahrlich nichts abgehen. Kestner zog die Augenbrauen hoch, aber dann sagte er unwirsch: „Dalli, dalli, lass die Pani nicht warten! Schlachte sofort das Huhn. Und hier“ — er scharrte mit dem Stock — „hier gräbst du die Eingeweide ein.“ Das gab guten Dung für die Champignonbrut, die wuchs dann reichlicher.

      Er ging am Bienenstand und an den Spargelbeeten, die jetzt in hohen grünen Bäumchen mit roten Beeren standen, vorbei und durch das Blumenrondell zur Veranda auf der Rückseite des Wohnhauses.

      Die kleine Marynka, das Messer zwischen den Zähnen, sah ihm traurig nach. Ach, armes Hühnchen! Wenn sie „put, put“ gemacht, war es immer zuerst gekommen.

      Unwillkürlich lockerten sich ihre Hände — mit einem Aufkrähen entwischte ihr das Huhn, fort war es, sass auf dem Gittertor und drehte äugelnd das Köpfchen, war jetzt schon drüben auf dem Hof und stob mit gespreizten Flügeln davon.

      Sie war ihm nachgelaufen, die Hände ausstreckend, um es zu greifen. Über den Hof bis zur ersten Scheune hin ging die Jagd. Es liess sich nicht fangen.

      „Put, put — put, put!“ Da hielt es zutraulich an, plusterte sich auf und pickte ein Körnchen.

      Heilige Maria, nein, sie konnte es nicht schlachten! Vater, Mutter waren im Himmel, Hühnchen durfte nicht auch dahin gehen!

      Sich niederkauernd beim pickenden Liebling, weinte die kleine Marynka aufs neue bitterlich. Hilfesuchend irrte ihr Blick über den öden Hof. Da — sah sie recht? Wie Sonnenschein blitzte es plötzlich durch den Sonnenschleier ihrer Tränen, schnell war sie auf den Füssen, schnell zugesprungen — da lag was am Boden zwischen Unkraut und Spreu, mit gelben Füsschen und schön schwarz und weiss, und das war schon tot.

      „Heilige Mutter, heilige Schutzpatronin, du hast gesehen armes Waisenkind!“ Entzückt stammelte die kleine Marynka; das Messer entglitt ihren Zähnen, flugs nahm sie es zur Hand: rasch das tote Hühnchen noch abgeschlachtet. Perlhuhn ist Perlhuhn — wer wird es merken?!

      Frau Therese war beschäftigt, auf dem Tisch der geräumigen Speisekammer, hinter dem nach dem Hofe herausgehenden stark vergitterten Fenster, die Kiste für ihren Ältesten zu packen. Er hatte geschrieben, dass er einem abkommandierten Regimentskameraden ein letztes kleines Frühstück zu geben beabsichtige. Und das war so viel gemütlicher in den eigenen hübschen Räumen als bei Dressel, und auch so viel billiger, denn die Mutter schickte. Ein Korb Krebse, in Nesseln verpackt, kam morgen früh noch dazu, ‚per express‘ zu bestellen. Löb Scheftel hatte sich beim Haupt seiner Kinder verschworen, dass er die in der Nacht gefangenen Krebse bereithalten würde bei Morgengrauen. Dann konnte der Milchjunge sie bei ihm abholen, vielmehr besser, die beiden besorgten miteinander die Kolli zur Post, Scheftel den Milchjungen und der Milchjunge den Löb Scheftel kontrollierend.

      Die Krebse aus dem See von Miasteczko hatten eine gewisse Berühmtheit im Kreis der Kameraden; Frau Therese konnte schon eine ganze Anzahl von Ansichtspostkarten aufweisen:

      ‚Der gütigen Frau Mama unseres lieben Kestner heissen Dank.‘

      Die selbstzubereitete Gänseleberpastete — die Mamsell hatte ein Geheimrezept — war auch nicht zu verachten, konnte neben jeder Strassburger bestehen. Die Entenpotrawka in einem hohen Steintopf, das schon fertige Ragout sorglich mit Pergament verbunden, brauchte nur warmgemacht zu werden; Rebhühnchen, in Weinblättern und Speckscheiben geschmort, lagen ein Dutzend bei, und für Paul, der keine Rebhühner mehr sehen konnte, wurde eben noch ein ganz zartes Perlhuhn abgebraten.

      Wenn nur alles gut ankam, die frischen Butterkuchen nicht zermürbten, die Ananaserdbeeren im dicken Zuckersaft und die Glaskrause mit den Rumfrüchten nicht in Scherben gingen!

      Besorgt packte die Mutter, und ihr strenges Gesicht wurde weich dabei. Der gute Junge, wie würde er wieder schmunzeln! Sie sah so deutlich sein gebräuntes Gesicht mit der weissen Stirn über der roten Attila und seine lachenden Augen. Sie konnte es nicht ändern, der Husar war nun einmal ihr Verzug; nicht, dass sie den Referendar weniger geliebt hätte, aber der war ja so in der Nähe, kam fast alle Sonntage von Posen herüber. Und Kornelia? Nun, die war ohnehin schon des Vaters Liebling! Frau Therese wusste, ihr Mann legte bereits zurück für eine grosse Mitgift.

      Wenn nur der Hoppe nicht so abgängig wäre, dann würde man noch besser fahren bei den schlechten Zeiten! Solange sie selber ihren guten Augen trauen durfte, ging’s ja noch an, aber wenn Gott ihr die Kraft nicht mehr liess, was dann?! Wenn denn durchaus keiner der Söhne Przyborowo übernehmen wollte — und konnte man’s ihnen verdenken, dass sie nicht auf der Klitsche verbauern, sich nicht in der Provinz vergraben wollten? — war es das beste, zu verkaufen. Der Boden war glänzend und noch hoch in Kultur — das liebe Przyborowo, es war einem doch sehr teuer.

      Frau Kestner verschloss ihre Vorratsschränke und hakte die Schlüssel in ihren Schlüsselbund; den überliess sie niemand, auch der Mamsell nur für Augenblicke. Mit dem Bewusstsein, die Kiste bis zum Rande gefüllt zu haben, schritt sie, ihre stattliche Gestalt ein wenig bückend, unter den selbstgegossenen Talglichtern her, die in langen Kränzen von der Decke baumelten, zum Ausgang.

      Da hörte sie ihren Mann aufgeregt rufen:

      „Therese, Therese!“

      Gott verhüte, es war doch keine schlechte Nachricht von den Jungen gekommen? Eben hatte sie den Landbriefträger mit seinem Knotenstock und der umgehängten Posttasche vom Hof gehen sehen.

      Sie lief ins Studierzimmer.

      Kestner sass auf seinem Sofa unter dem Bildnis des Kaisers und rang nach Luft.

      „Da siehst du’s nun, Therese, da haben wir’s — da schreibt der Paul schon wieder um Geld!“ Er legte den im ersten Ärger zerknitterten Brief vor sich auf den Tisch. „Und warum? Hahah!“ — er lachte gezwungen — „weil er jetzt, da er Rittmeister geworden ist, noch ein Pferd haben müsste. Was sagt man dazu: zwei für sich, eins

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