Das schlafende Heer. Clara Viebig

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Das schlafende Heer - Clara Viebig

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aber sie überlegte bei jeder Zeile: war es wirklich nur wegen des neuen Pferdes, oder hatte er etwa wieder gespielt?

      Kestner stöhnte: „Da hab’ ich ihm was von ‚ganz leidlicher Ernte‘ geschrieben — natürlich, nun wird gleich darauflos gelebt wie ein Wilder!“

      „Das kannst du nicht sagen, das ist unrecht!“ Die Mutter hielt sich den Brief dichter vor die Augen und las und las. „Er schreibt: ‚Alle andern haben mindestens so viele im Stall‘!“

      „Unsinn! Das soll er jemand andrem einreden — mir nicht!“

      „Aber da lies doch! Es ist ihm eben nicht anders möglich.“ Theresens Stimme klang gereizt. „Baron Kramstal hat vier, Herr von Korendowski fünf, Graf Dohnat vier, Falk von Falkenstein fünf. Und der Blechmeier hat sogar einen ganzen Rennstall. Da kann man es Paul doch wahrhaftig nicht verdenken, dass er nicht gänzlich zurückstehen will. Du musst ein Einsehen haben, Moritz! Dann hätten wir unsern Sohn eben nicht Offizier werden lassen dürfen!“

      „Ja, da hast du recht — hm, ja!“ Er nickte mehrmals rasch hintereinander. „Freilich — was sein muss — hm — muss sein!“ Den Kopf in die Hand stützend, grübelte er vor sich hin.

      Therese stand ruhig und wartete. Sie wusste, er würde sich ihrer bessern Einsicht nicht verschliessen. Sie würde übrigens selber einmal Hoppe vornehmen und sich informieren, was in diesem Monat einging. Ohnehin wollte sie ihm sagen, dass diese Verschwendung von Hofpersonal nicht am Platze sei. Mochten die Dirnen nur draussen mehr helfen — weibliche Arbeitskraft ist doch noch immer nicht so teuer wie männliche —, wenn zwölf zur Melke daheimblieben, war’s reichlich genug. Die zwölf konnten siebzig Milchkühe bequem schaffen — mochten sie ihre Daumen brauchen! Und die Hühnermagd konnte noch die Schweine mit übernehmen, Hühner machen so gut wie keine Arbeit. Man musste sparen an allen Enden.

      Ihre scharfen Augen gingen durchs Fenster auf den Hof, den man in seiner ganzen Breite, mit dem Tor in der Mitte, bequem vom Studierzimmer aus übersehen konnte. Und noch weiter sah man: wie ein Bild, von den Pfosten des offenen Hoftors eingerahmt, ein Stück der Felder, sich in den Himmel verlierend.

      Auf der baumlosen Fläche, dunkel gereckt, ragte am Horizont der Turm von Pociecha. So hatte man den immer gesehen all die fünfunddreissig Jahre, die man hier gewohnt. Er würde einem ordentlich fehlen. Aber dass sich da jetzt noch Ziegeldächer erhoben — wenn die Sonne drauf schien, blendeten sie — das war störend.

      „Du“, sagte Frau Kestner plötzlich und wendete sich ihrem Manne zu, „ist es wahr, dass der Niemczycer mit den Ansiedlern fraternisiert? Er soll immer hinfahren, sich um jeden Quark kümmern, als wär’s seine eigene Angelegenheit. Wenn Scheftel das Fleisch in die Küche liefert, erzählt er immer der Mamsell — natürlich, der Jude ist entzückt von so was! Ich muss gestehen, ich hätte Doleschal für innerlich vornehmer gehalten. Man sieht, das Hochnäsigsein ist noch lange nicht Vornehmheit.“

      „Ein Esel ist er!“ Unwirsch fuhr Kestner auf. „Proletariat ladet er uns auf den Hals! Was sollen wir mit den Leuten? Zu Arbeitern sind sie viel zu anspruchsvoll, sie hetzen uns nur unsere eigenen Leute auf. Hätte sich wohl früher einer von den Hiesigen unterstanden, zu sagen: ich will nur bis acht Uhr arbeiten?! Bis die Sterne am Himmel standen, bei Mondschein noch haben unsre Sensen gemäht. Die Russen, die im Akkord sind, hauen sogar die ganze Nacht durch, wenn’s sein muss. Und Sonntag, Sonntagsruhe — ei, dass dich!“ Er zog die seidene Mütze herunter, die er immer trug, sowohl im Hause als auf dem Hofe, und warf sie auf den Tisch. „Nun muss man ruhig zusehen, wie einem das ganze Getreide verpladdert.“

      „Rege dich nicht auf“, bat Therese. „Jeder vertritt eben, was er für gut hält.“

      „Gut hält — gut hält! Kann ich denn tun, was ich für gut halte? Wie ein Spürhund ist die Regierung einem auf den Hacken. Und der Doleschal macht den Aufpasser. Ich werde es aber Paul sagen, dass mir die dicke Freundschaft mit dem nicht passt. Wenn wir uns hier zusammenschlössen, alle an einem Strang zögen, dann möchte ich doch sehen, wer die Karre anders schöbe! Aber Doleschal ist liiert mit dem H-K-T — seit der gegründet ist, ist alles zugespitzt. Es ist einfach nicht mehr auszuhalten!“

      „Ja“, sagte sie rasch, „es wäre das beste, wir verkauften, dann wissen doch auch die Kinder, woran sie sind.“

      „Nun, natürlich!“ Er stand auf und ging an seinen Geldschrank. Umständlich schloss er auf. Und dann entnahm er einem besonderen Kästchen einen Schein. „Da, schick das dem Jungen! — Aber nicht von Miasteczko aus“, grämelte er nach einer Pause, in der er dagestanden und starr in den noch geöffneten Geldschrank hineingeguckt hatte. „Es wird sonst gleich ruchbar. Ich mag nicht, dass sie wissen, was ich verschicke. Man wird sowieso immer überschätzt!“

      „Ich werde morgen nach der Kreisstadt fahren — schade, dass es heute zu spät ist! — und von da schicken, mit eingeschriebenem Brief. Bei der Gelegenheit fahre ich bei der Landrätin vor; ich will ihre Kinder in den Herbstferien zu uns heraus laden.“

      „Die Kinder — in den Ferien?“ Sein Gesicht wurde lang. „Muss das sein?!“

      „Ich bitte dich, Moritz, es muss nicht gerade sein, aber —“ eine kleine ungeduldige Röte stieg in ihr Gesicht — „wenn wir verkaufen wollen! Und — da es mir gerade einfällt —, du hättest auch längst schon mal einen Besuch bei Doleschal machen können. Garczyński ist zehnmal klüger — neulich sollen sie sogar zusammen spazierengefahren sein. Das weisst du doch selbst ganz gut, wie man sich heutzutage dazuhalten muss!“

      „Gott weiss es — das muss man!“ Er stiess einen tiefen Seufzer aus.

      Über den Hof kam jetzt der Inspektor Hoppe. Breitbeinig ging er, man sah’s, er war steif vom Reiten.

      Therese, die schon im Gehen begriffen war, zögerte noch. Da konnte sie ihm ja gleich wegen morgen sagen!

      Hoppe trat zugleich mit seinem Klopfen ein; mit den schweren, vom Ackerstaub wie mit grauem Mehl besiebten Stiefeln tappste er achtlos in die Stube.

      Ein unwilliger Blick der Gutsherrin traf ihn: hatte der denn noch immer nicht gelernt, eine saubere Diele zu schonen? Womöglich lief er so auf den Teppich! Und nicht einmal die Mütze nahm er ab!

      Die Miene des Inspektors war erregt, die Zornesader seiner Stirn dick angeschwollen; aber um den Mund lag Bekümmernis. „Herr Kestner“, sagte er hastig, „kommen Sie doch, bitte, mal ’raus! Herr Kestner, beim neuen Schober machen sie Skandal!“

      „Wo, wer? Ach was!“ Ungläubig sah ihn der Herr an.

      Frau Therese lächelte ein wenig spöttisch: da wurde mal wieder aus der Mücke ein Elefant gemacht!

      „Herr Hoppe“, sagte sie, „ich brauche morgen den Landauer. Bitte, um zwei Uhr! Und schicken Sie gefälligst den Milchwagen statt um vier schon um drei Uhr nach Miasteczko. Eine Kiste muss zur Frühpost zurechtkommen!“

      Er hörte sie gar nicht. „Sie glauben es nicht, Herr Kestner?! Sehen Sie!“ Er nahm die Mütze ab. Über den grauen Kopf, mitten herüber, lief eine tüchtige Schmarre; das Blut war geronnen und hatte ringsum die Haare verklebt. Der wetterharte Mann schloss einen Moment wie im Schmerz die Augen, und dann machte er sie gross und vorwurfsvoll auf. „Sie haben den Leuten die doppelte Ration Schnaps geben lassen, Herr Kestner. Auch den Weibern. Nun sind sie aus Rand und Band. Halb acht Uhr Arbeitsschluss wollen sie jetzt haben. Der Vogt hat mich zu Hilfe gerufen, er ist ihnen nicht gewachsen.“

      „Und Sie auch nicht“, brüllte der Przyborowoer. „Dummes Zeug! Warum haben Sie nicht

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