Das schlafende Heer. Clara Viebig

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Das schlafende Heer - Clara Viebig

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wurde plötzlich ernsthaft, zornig zog sie die Brauen zusammen. „Habe ich etwa besondere Ursache, sie zu lieben, he? Und du? Kam nicht deine Mutter zu mir und hat die Hände gerungen: ‚Meine Tochter lernt deutsch in der Schule, wird sie auch nicht verlernen ihre Muttersprache?‘ Ach, unsre Männer sind feige, kein Wort deutsch dürften sie leiden! Aber sie lassen sich ducken.“

      „Ja, Pani haben keine Angst“, schmeichelte Stasia. „Was wir gelernt haben, verdanken wir allein unsrer gnädigen Herrin!“ Sie küsste, da sie die Hand nicht wieder erhaschen konnte, den weiten Ärmel am Negligé der Dame. „Neulich sprach erst die Michalina zu mir, als sie kam auf einen Sonntag, ihre Familie zu besuchen: ‚Das Glück, was ich gemacht, verdanke ich allein der Pani von Chwaliborczyce.‘ Pani erinnern die Michalina, die mit den schwarzen Zöpfen, die Enkelin vom Schäfer Dudek und der Nepomucena? Sie sass neben mir im Unterricht, den gnädige Pani uns gaben. Es geht ihr sehr gut, freilich bei deutscher Herrschaft, aber“ — sie zuckte die runden Schultern — „was tun? Man muss mit den Wölfen heulen.“

      „Man muss mit den Wölfen heulen —.“ Nachdenklich wiederholte die Herrin die Worte der Dienerin. „Du bist klug, Stasia! Es kommt auch nichts heraus bei der offenen Feindschaft. Ich begreife oft unsre Politiker nicht. Aber ist es denn nicht auch schändlich, wie man uns unterdrückt? Uns, die wir mehr Bildung haben, mehr Vaterlandsliebe, mehr Opferfreudigkeit, mehr Mut, mehr — mehr —!“ Die Stimme versagte ihr vor Erregung. Sie war ganz blass geworden, jetzt wurde sie glühend heiss. Mit dem Fuss aufstampfend, schrie sie laut: „Und wir haben sie arglos aufgenommen, gastfreundlich in unser — ja, in unser Land! Zum Dank dafür wollen sie uns nun ausrauben, ganz herausdrängen. Aber das gelingt ihnen nicht!“ Leidenschaftlich ballte sie die Hände. „Wir Frauen werden nicht müde, wir haben unsern Glauben und —“ Hastig vor den grossen Spiegel tretend, sah sie ihr Bild von Kopf bis zu den Füssen und lächelte dann wieder.

      „Ich begreife nicht, warum Pani sich so erregen“, sagte die Zofe ruhig.

      „Was du verstehst!“ Jadwiga kehrte sich vom Spiegel ab und gähnte laut. „Huh, diese Nachbarn, grässlich! Man verbauert hier. Ich werde krank, langweilig, hässlich! Zum Sterben langweilig, wie die Deutsche mit den strohgelben Flechten.“ Sie lachte hell auf: „Als ob sie einen Stock im Rücken hätte, so steif ist sie. Und unsre Przyborowoer Nachbarn — Gott sei uns gnädig! Er ist ein grosser Bauer, weiter nichts. Haha! Kriecht dabei um einen Orden — wie alle Deutschen. Hast du gesehen, Stasia, wie betrübt er neulich die Augen auf sein leeres Knopfloch niederschlug?“

      „Unser gnädiger Herr hatte alle Orden zum Diner angelegt!“ sagte geschmeidig die Zofe.

      „Ja, ja, das war ganz nett!“ Jadwiga liess sich lachend in ihren Sessel fallen, aber dann gähnte sie wieder und sah mit einem trostlosen Ausdruck ins Leere. „Das sind aber doch nur Momente! Das Leben ist zu eintönig. Ich kann doch unmöglich, wie die Przyborowoer Frau, in hohen Stiefeln durch den Mist stapfen und höchst eigenhändig die Mägde ohrfeigen.“

      „Haha, das tut sie, ja, das tut sie!“ Hell lachend schlug Stasia die Hände zusammen, und dann schwatzte sie: „Gnädige Pani wissen doch? Der Sohn, was Husar ist, der junge Rittmeister, der soll Vater sein zu der Michalina ihrem Kind. War die Michalina doch Stubenmädel in Przyborowo. Und da soll der Alte, der Herr Keszner, sie furchtbar geschimpft und ihr mit dem Stock gedroht haben — aber nur gedroht hat er. Doch die Pani hat sie beim Arm gekriegt und ihr links eine geschlagen und rechts eine. Da ist sie vor Angst gelaufen, so schnell sie konnte, und hat sich nie mehr aufs Dominium getraut. Was sagen gnädige Pani zu der Geschichte?“ Stasia stemmte die Arme in die Seiten und sah ihre Dame erwartungsvoll an; man merkte ihre Freude, ein wenig skandalieren zu können.

      „So — nun, und was weiter?“ Jadwiga gähnte anhaltend. „Man kann hier keinem Menschen was übelnehmen, dem nicht und auch dem nicht — bei dieser Langweile! Ach! Doleschal wäre noch der einzige, der passabel sein könnte!“

      „Und hat er sich in Pani verliebt?“ fragte vertraulich blinzelnd das Mädchen.

      „Du bist unverschämt!“ Die Garczyńska zuckte, wie von einer angenehmen Erinnerung berührt.

      Stasia schlug die Augen nieder. „Verzeihen gnädige Pani, ich bin nicht unverschämt. Ich bin nur wissbegierig. Möchte gern wissen, ob der grosse Niemczycer Baron auch so leicht zuschnappt, wie so ein kleiner Schwab. Da braucht’s nur einen Blick — nur ein ganz kleines Blickchen!“ Sie lachte spitzbübisch und hob die demütig gesenkten Augen mit drolligem Ausdruck.

      Die Herrin war schon wieder versöhnt.

      Eine Neigung, mit der ihr Mann sie oft neckte, zog Frau von Garczyńska zu Stasia. Als Tochter des langjährigen herrschaftlichen Försters hatte diese von vornherein eine andre Stellung eingenommen als ein gewöhnlicher fremder Dienstbote. Schon die zierliche Siebenjährige war aufs Schloss gekommen; sie hatte der Pani Erdbeeren aus dem Chwaliborczycer Wald gebracht und — wenn auch Förster Frelikowski einst ‚Fröhlich‘ geheissen — zu den polnischen Kindern gehört, die den besonderen Unterricht der gnädigen Herrin genossen.

      Wenn Garczyński seine Gattin mit ihrer Vorliebe für die Försterstochter neckte und Jadwiga schlechter Stimmung war, pflegte sie von einer Wüste zu sprechen, in der man einen grünen Fleck schon einen Garten nennt. Dann neckte er nicht mehr, im Gegenteil, er pflichtete ihr bei. Sie hatte recht: wie anders war es früher hier gewesen! Unbefangener der Ton, heiterer die Geselligkeit, gradezu glänzend. Man hatte sich amüsiert auf den Bällen in Posen — auf einem dieser Bälle hatte er die schöne Tochter eines reichen Warschauer Bankiers kennengelernt, dessen Reichtum weder noch dessen Katholizismus ererbt war — und auch die Kasinofeste in der Kreisstadt waren sehr angenehm gewesen. Man war eben unter sich. Aber jetzt —?! Auf dem Lande wenigstens, eingekeilt zwischen deutschen Besitzern, war es nicht möglich, exklusiv zu bleiben. Und immer näher rückte einem Plebs auf den Hals. Wer hatte sonst hier kleine Leute gekannt? Leute, die kaum zehn Hektar ihr eigen nannten — oft nicht einmal soviel —, erhoben jetzt den Anspruch, wie Besitzer gegrüsst zu werden. Schmarotzend, wie Milben auf der kranken Rose, hockten die Ansiedler im Land. Unerträgliche Zustände!

      Aleksander von Garczyński vergass ganz, dass in seiner Jugendzeit Przyborowo, und vor allem Niemczyce, längst schon in deutschen Händen gewesen waren; aber er hatte das damals nicht so unliebsam empfunden. Woran lag das?

      Nun, woran es auch liegen mochte, jedenfalls jetzt so schnell wie möglich verkaufen! Und so hoch wie möglich! Wenn Garczyński an die Ansiedlungskommission dachte, fühlte er sich sehr erleichtert. Überdies waren ihm die letzten Jahre nicht günstig gewesen, und die Polnische Landbank würde nicht in der Lage sein, ihn so mit einem Ruck sicher hinzustellen.

      Noch an diesem späten Abend beschäftigten ihn solche Gedanken. Sie beschäftigten ihn so lebhaft, dass er, trotz der Tinte an seinen Fingern und, ohne den Rock zu wechseln, der von der Nähe des Schreibers unliebsamen Duft angezogen hatte, seine Gattin aufsuchte.

      Stasia konnte einen kleinen Freudenschrei kaum unterdrücken, als der gnädige Herr so unvermutet eintrat.

      „Soll ich jetzt gehen und die Nepomucena wegschicken?“ sagte sie geschwind. „Sie wartet schon zwei Stunden.“

      Aber sie kam so leicht nicht fort, wie sie gehofft hatte.

      „Lass sie warten“, war die Antwort. „Und du wartest auch!“

      „Es ist nur Stasia“, sagte Jadwiga zu ihrem Gatten, als sie seinen unwilligen Blick bemerkte.

      „Ich möchte etwas allein mit dir besprechen!“

      „Nun, so sprich doch! Wir sind ja allein. Nun? Was willst du?“

      Sich

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