Das schlafende Heer. Clara Viebig

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Das schlafende Heer - Clara Viebig

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und nicht zu teuer zur Stelle geliefert: Mauer-, Ziegel-, Firststeine, Feldsteine zum Fundament und auch Bauholz. Auch hatte er für sich und seine Familie derweilen drüben in der Holzbaracke die erste Unterkunft gefunden. Aber nun würde der Bau doch doppelt solange dauern als vorausgesehen, denn aus Miasteczko der Zimmermann mit seinen Gesellen war nur zwei Tage erschienen, dann nicht mehr; und der Maurer drüben aus dem Dorf, der sich, gegen hohen Tagelohn, für die ganze Zeit verpflichtet hatte, war nach einer halben Woche auch nicht mehr gekommen. Als der Valentin hingegangen, ihn zur Rede zu stellen, hatten sie sich durchaus nicht verständigen können; ein wüstes Gezänke war’s geworden. Aber wer konnte es dem Jungen verdenken, dass er mit der Faust auf den Tisch geschlagen? War er denn nicht in seinem guten Recht?! Doch das Gesindel war in lautes Hallo ausgebrochen, und die Frau hatte drohend nach dem Wasserkessel gegriffen, der auf dem Herd sprudelnd kochte. Und niemand, niemand anders war zur Hilfe aufzutreiben gewesen! Ganz allein waren sie sitzengeblieben mit aller Arbeit! Ein Glück noch, dass sie etwas davon verstanden — aber freilich, ’s war nur ein Stall gewesen, den sie dazumal allein gebaut hatten, und noch dazu war’s zu Hause gewesen, am Rhein!

      Der Gutsverwalter auf dem Restgut, an den man sich doch mit allen Anliegen wenden sollte, hatte die Achseln gezuckt bei seinen Klagen: ja, warum musste denn durchaus selber gebaut sein?! Mit den Leuten hierzulande müsste man eben in Frieden auskommen, er könnte auch gar nichts dabei machen.

      Unwirsch fuhr sich der Ansiedler durch die Haare:

      „Et geht so langsam, viel zu langsam! Un dat Kettchen jammert in der Barack — kein Ordnung, kein Reinlichkeit is mögelich — un da sind gestern ihrer noch welche zugekommen — se sagen, se wären deutsch, de Mann spricht auch deutsch, aber die Weibsleut schnattern polacksch. Un mit den Weibsmenschern soll nun mein Frau in einem Raum schlafen?! Denken Se an! — Un wie lang dauert et noch, un et is hier schon Herbst! Die Tag sind so heiss, aber die Nächt sind als kühl. Bei uns zu Haus is dat ganz anders, da blühen Allerheiligen die Rosen noch. Och, hätt ich dat gewusst! Ne, ich sag schon — wie krieg ich dat Haus trocken?!“

      Eine tief-innere Angst lag unter diesen Worten, Doleschal fühlte sie heraus.

      „Ich werde Ihnen meinen Stellmacher zu Hilfe schicken“, sagte er. „Der Mann hat zwar noch kein Haus gebaut, aber er wird Ihnen doch jedenfalls von Nutzen sein. Und er ist deutsch.“

      „Dat — dat wollen Sie tun?“ Ein Ausdruck freudigster Erleichterung erhellte des Ansiedlers bekümmertes Gesicht. „Den Stellmacher — Donnerschlag! Valentin, Jung, hörste, wir kriegen Hilf!“

      Der Sohn hatte die Mütze vom Kopf gerissen, sein ganzes hübsches Gesicht lachte. Unverfrorene Herzlichkeit lag in der Bewegung, mit der er nun rasch auf den Herrn zutrat; man sah’s, er hätte dem gern die Hand geschüttelt, aber der beim Militär anerzogene Drill hielt ihn zurück.

      Er nahm die Hacken zusammen: „Besten Dank, Herr Baron!“

      Wohlgefällig musterte Doleschal den stattlichen Menschen. „Garde, was?“

      „Nein, Herr Baron, Deutzer Kürassier!“

      „So, so. Ich bin Rittmeister bei den Gardekürassieren!“

      Valentin schlug wieder die Hacken zusammen. Er murmelte etwas von ‚grosser Ehre‘, und eine helle Röte stieg ihm dabei ins Gesicht; man hörte seiner Stimme die Freude an. Eine Verbindung war plötzlich vorhanden, zwischen ihm und jenem vornehmen Herrn da.

      Auch Doleschal sagte: „Wir müssen zusammenhalten hier!“ Die Leute gefielen ihm, der Alte war recht ein knorriger Stamm, der dem Wetter trotzte, und der Junge, nun — unwillkürlich verglich er zwischen sich und dem krausköpfigen Burschen — der war fast noch schlanker als er selber und elastisch in jeder Bewegung wie ein Trainierter. Die Leute mussten unterstützt werden, nach Kräften!

      „Ich werde Ihnen morgen meinen Stellmacher herschicken“, wiederholte er noch einmal, „und auch noch den Schmied.“

      Helene sass schon lange wartend auf dem Wagen. Sie hatte ihren Mann, der, einen Fuss auf den Balken stützend und die Hand mit der Peitsche in die Seite stemmend, den Leuten zuhörte, beobachtet; nun waren alle drei miteinander hinterm Neubau verschwunden.

      Sie wartete noch eine Weile ganz geduldig, aber als sie noch immer nicht zurückkehrten, schlang sie die Zügel um den Haken am Kutschbock und sprang vom Wagen. Der Traber stand auch so.

      Über den gläsernen Himmel, leicht angegraut vom mehligen Dunst der Felder, kroch schon ein Abendrot. Im Schleier der sich mählich ankündenden Dämmerung wurde alles milder. Noch lag viel Glanz über der Flur, aber kein grausamer mehr, der den Augen weh tat; er wurde friedlich. Aus einem Tümpel, den man nicht sah, stieg Fröschesang, wie im Schlaf, ganz traumhaft. Und — horch! — war das nicht schon die Wachtel, die zu Abend im Kornfeld rief?

      Die junge Frau lächelte: sieh da, ganz dicht hinter jener Ansiedlerscheune kam jetzt ein Rebhuhn aus dem Acker spaziert! Als wüsste es, dass die Jagd noch nicht drohe, trippelte es, vertrauensselig wie eine gute Henne auf dem Hühnerhof, über die Strasse, in den Acker jenseits, und die jungen Hühnchen folgten unbefangen.

      Langsam glitt das Abendrot weiter und weiter über die Himmelsglocke, während das kolossale Rund des Sonnenballs ungehindert, von überall frei zu sehen, mehr und mehr hinabrutschte gegen ihren Rand. Wie schön war das!

      In einem Gefühl, das sie manchmal überwältigte, angesichts dieses weiten Himmels, der wie ein Meer über dem Meer der Felder schwimmt, ohne Ufer, ohne Begrenzung, schauerte die Einsame. Am wirklichen Meer war sie gewesen, die mächtigen Wogen der Nordsee hatte sie aufgewühlt im Sturm gesehen und auch wieder glatt. Ihr Mann hatte sie auf Schweizergipfel geführt — sie standen auf einem sehr hohen Berg und sahen unter sich alle Schätze der Natur und ihre Herrlichkeit; im sich teilenden Grau der Morgennebel glänzte die Weite der Welt zu ihnen herauf, und sie selber waren ein junges Paar im ersten Rausche nicht endenden Glücks gewesen — aber nie, nie war ihr die ewige Unendlichkeit so klargeworden wie hier.

      Starren Auges schaute sie. Da, gradaus, Pociecha-Dorf, der Turm der schwarzen Holzkirche zeigte es weithin! Dort Chwaliborczyce! Ganz auf der andern Seite: Przyborowo mit Miasteczko, dem kleinen Landstädtchen, im Rücken. Und dort grüsste der Deutschauer Berg. ‚Lysa Góra‘, Kahler Berg, wie ihn die Leute nannten. Jeden Gutskomplex — eine Insel im Meer — wusste sie zu benennen; wusste, wieviel Pappeln die dünne Allee von Chwaliborczyce zählt, hatte achtmal schon die dornigen Akazien von Przyborowo blühen und sich entblättern gesehen, war so glücklich hier, und doch — sie fühlte die Nebel der Niederung, die um Sonnenuntergang plötzlich schauerten, durchs leichte Sommerkleid kalt auf der Haut.

      „Hanns-Martin“, rief sie fröstelnd, „Hanns-Martin, wo bist du?!“

      Ihr Ruf hallte. Aus der Holzbaracke, unweit des Neubaus, trat eine Frau, und die Kinder drängten sich ihr nach; sie schauten alle neugierig zu der fremden Frau hinüber.

      Helene erkannte die Frau: es war dieselbe, die sie letzthin bei den einziehenden Kolonisten gesehen hatte, aber das Gesicht sah jetzt älter aus, als seien nicht erst vier Wochen seit jener Begegnung am Kreuzweg verstrichen.

      „Wünscht die Dame wat?“ fragte die Frau höflich.

      Helene trat rasch auf sie zu. „Mein Mann ist, glaube ich, mit Ihrem Mann fortgegangen, sonst hätte er mich gehört. Ich werde hier bei Ihnen warten.“ Sie hatte das Bedürfnis, nicht länger allein zu sein.

      „Settchen, hol der Madam rasch ’ne Stuhl heraus“, wies Frau Kettchen ihr ältestes Töchterchen an. Und als die Kleine einen Schemel brachte, wischte sie, wie entschuldigend,

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