Nana. Emile Zola
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Vandeuvres suchte jedoch seine Umgebung ab.
„Warten Sie“, versetzte er, „neulich habe ich Foucarmont mit einer reizenden Blondine getroffen. Ich werde ihm sagen, er soll sie mitbringen.“ Und er rief Foucarmont. Schnell wechselten sie einige Worte. Eine Komplikation mußte eingetreten sein, denn sie beide gingen, mit vorsichtigen Schritten über die Röcke der Damen hinwegschreitend; davon und suchten einen anderen jungen Mann auf, mit dem sie die Unterhaltung in der Nische eines Fensters fortsetzten.
Fauchery, der allein geblieben war, beschloß, an den Kamin heranzutreten, als Frau du Joncquoy gerade erklärte, sie könne nichts von Weber hören, ohne sogleich Seen, Wälder und Sonnenaufgänge auf taugetränkten Fluren zu sehen. Doch eine Hand berührte ihn an der Schulter, während eine Stimme hinter ihm sagte:
„Das ist nicht nett.“
„Was denn?“ fragte er, während er sich umdrehte und La Faloise erkannte.
„Dieses Souper morgen . . . Du hättest mir ruhig eine Einladung verschaffen können.“
Fauchery wollte gerade antworten, als Vandeuvres zurückkam und zu ihm sagte:
„Es scheint, als ob es keine von Foucarmonts Frauen ist; es ist das Verhältnis jenes Herrn dahinten . . . Sie wird nicht kommen können. So ein Pech! — Aber ich habe Foucarmont trotzdem eingespannt. Er wird versuchen, Louise vom Théâtre du Palais-Royal zu kriegen.“
„Herr de Vandeuvres“, fragte Frau Chantereau, die Stimme erhebend, „Wagner hat man am Sonntag doch ausgepfiffen, nicht wahr?“
„Oh, gräßlich, Madame“, antwortete er und trat mit seiner ausgesuchten Höflichkeit herzu. Da man ihn nicht zurückhielt, entfernte er sich dann wieder und flüsterte dem Journalisten weiter ins Ohr: „Ich werde noch welche einspannen . . . Diese jungen Leute müssen doch kleine Mädchen kennen.“
Dann sah man ihn liebenswürdig und lächelnd die Männer ansprechen und in allen vier Ecken des Salons plaudern. Er mischte sich unter die Gruppen, flüsterte jedem einen Satz zu und wandte sich mit Augenzwinkern und Zeichen des Einverständnisses wieder ab. Es war, als gebe er mit seinem ungezwungenen Benehmen eine Parole aus. Der Satz machte die Runde, und man verabredete sich, während die gefühlvollen Erörterungen der Damen über Musik den unmerklichen fieberhaften Lärm dieser Anwerbung übertönten.
„Nein, reden Sie nicht von Ihren Deutschen“, meinte Frau Chantereau mehrmals. „Gesang ist Fröhlichkeit, ist Licht . . . Haben Sie die Patti im ,Barbierʻ gehört?“
„Köstlich!“ murmelte Léonide, die nur Operettenmelodien auf ihrem Klavier klimperte.
Gräfin Sabine hatte unterdessen geläutet. Wenn die Besucher am Dienstag nicht zu zahlreich waren, wurde der Tee gleich im Salon serviert. Während die Gräfin einen einfüßigen Tisch von einem Diener wegräumen ließ, blickte sie Graf de Vandeuvres nach. Sie behielt jenes vage Lächeln bei, das ein wenig vom Weiß ihrer Zähne sehen ließ. Und als der Graf vorüberging, fragte sie ihn:
„Was verabreden Sie denn da so heimlich, Herr de Vandeuvres?“
„Ich, Madame?“ antwortete er gelassen. „Ich verabrede nichts.“
„Oh . . . ich sah Sie so geschäftig . . . Warten Sie, Sie können sich nützlich machen.“ Sie legte ihm ein Album in die Hände und bat ihn, es auf das Klavier zu legen.
Doch er fand Mittel und Wege, Fauchery ganz leise mitzuteilen, man würde Tatan Néué, den schönsten Busen des Winters, und Maria Blond, diejenige, die gerade im Théâtre des Folies-Dramatiques debütiert habe, kriegen. Unterdessen behinderte ihn La Faloise bei jedem Schritt, weil er auf eine Einladung wartete. Schließlich bot er sich geradezu an. Vandeuvres lud ihn sofort ein; nur ließ er ihn versprechen, Clarisse mitzubringen; und da La Faloise so tat, als habe er Bedenken, beschwichtigte er ihn, indem er sagte:
„Ich lade Sie doch ein! Das genügt.“
La Faloise hätte allerdings gern den Namen der Frau erfahren. Doch die Gräfin hatte Vandeuvres zurückgerufen und fragte ihn, auf welche Art die Engländer den Tee zubereiten.
Er fuhr oft nach England, wo seine Pferde bei Rennen liefen. Seiner Ansicht nach verstünden es nur die Russen, Tee zuzubereiten, und er erläuterte ihr deren Rezept. Als habe er, während er sprach, innerlich die ganze Bemühung fortgeführt, hielt er dann inne, um zu fragen:
„Da fällt mir übrigens der Marquis ein. Sollten wir ihn denn nicht sehen?“
„Gewiß, mein Vater hatte es mir ausdrücklich versprochen“, antwortete die Gräfin. „Ich beginne unruhig zu werden . . . Seine Arbeiten werden ihn abgehalten haben.“ Vandeuvres lächelte diskret. Auch er schien zu ahnen, welcher Art die Arbeit des Marquis de Chouard war. Er hatte an eine schöne Frau gedacht, die der Marquis manchmal aufs Land mitnahm. Vielleicht könnte man sie bekommen.
Unterdessen hielt Fauchery den Augenblick für gekommen, zu wagen, Graf Muffat einzuladen. Der Abend war schon vorgerückt.
„Im Ernst?“ fragte Vandeuvres, der an einen Scherz glaubte.
„Ganz im Ernst . . . Wenn ich meinen Auftrag nicht erledige, kratzt sie mir die Augen aus. Ein verrückter Einfall, Sie wissen ja.“
„Na, dann werde ich Ihnen helfen, mein Lieber.“
Es schlug elf Uhr. Von ihrer Tochter unterstützt, reichte die Gräfin den Tee. Da fast nur enge Freunde gekommen waren, gingen die Tassen und die Teller mit kleinen Kuchen ungezwungen herum. Selbst die Damen verließen ihre Sessel vor dem Feuer nicht, tranken in kleinen Schlückchen und knabberten, die Kuchen mit den Fingerspitzen haltend. Von der Musik war man auf die Lieferanten zu sprechen gekommen. Nur Boissier käme für Fondants in Frage und Catherine für Eis; Frau Chantereau jedoch verteidigte Latinville. Die Worte wurden träger, Müdigkeit schläferte den Salon ein. Steiner hatte sich wieder daran gemacht, den Abgeordneten, den er in der Ecke eines kleinen Sofas blockiert hatte, unerbittlich zu bearbeiten. Herr Venot, dem die Süßigkeiten die Zähne verdorben haben mußten, aß Schlag auf Schlag mit leisem Mäusegeräusch trockene Kuchen, während der Bürovorsteher, die Nase in einer Tasse, kein Ende mehr fand. Und die Gräfin ging ohne Eile von einem zum anderen, nötigte keinen, blieb einige Sekunden dort stehen und betrachtete die Männer mit einem Ausdruck stummen Fragens, lächelte dann und ging weiter. Das hohe Feuer hatte sie ganz rosig gemacht; sie schien die Schwester ihrer Tochter zu sein, die so dürr und linkisch in ihrer Nähe saß. Als sie sich Fauchery näherte, der mit ihrem Mann und Vandeuvres plauderte, fiel es ihr auf, daß man schwieg; und sie blieb nicht stehen, sondern gab etwas weiter weg Georges Hugon die Tasse Tee, die sie anbot.
„Eine Dame hätte Sie gern zum Souper“, begann der Journalist aufgeräumt und wandte sich an Graf Muffat.
Graf Muffat, dessen Gesicht den ganzen Abend über düster geblieben war, schien sehr überrascht:
„Was für eine Dame?“
„Nun, Nana!“ sagte Vandeuvres, um die Einladung kurz entschlossen anzubringen.
Der Graf wurde ernster. Seine Lider zuckten unmerklich, während ein Unbehagen wie ein Anflug von Migräne über seine Stirn glitt.
„Aber ich kenne diese Dame ja gar nicht“, murmelte er.